Pflegepaket und Koalitionsgeplänkel

Ungelöstes Pflegethema im „Regierungsgepäck“ würden 400.000 pflegebedürftige Wähler und deren Angehörige bei künftigen Neuwahlen wohl kaum goutieren!

Klaus Widl
Widl Klaus

Gerade bei einem gesellschaftspolitisch so sensiblen Thema wie der Pflege sollte das Gemeinwohl vor Parteiinteressen gestellt werden. Denn politisches Geplänkel auf dem Rücken pflegebedürftiger Menschen ist letztklassig. Wurden doch schon bei der letzten Nationalratswahl viele Wahlversprechen gemacht und nicht gehalten.

Politisches Taktieren

Es war seit Wochen offensichtlich, dass das „Njet“ der ÖVP den, laut Umfragen beliebten, SPÖ-Sozialminister Buchinger treffen würde. Erst wehrte sich die ÖVP beim Treffen der Landesfinanzreferenten eine Finanzierung für die neue Pflegeregelung zu finden, und kurz vor der Beschlussfassung im Nationalrat am 6. Juni entdeckte Wirtschaftsminister Bartenstein, dass das vorliegende Modell der 24-Stunden-Betreuung zu kurz greife und nicht ausreiche, aus der illegalen Pflegesituation eine legale zu machen. Rührig, ein Wirtschaftsminister, dem soziale Probleme plötzlich ein wichtiges Anliegen sind.

Nationalratsbeschluss

Seit nunmehr fast einem Jahr wird die Pflege und Betreuung in Österreich intensiv, teilweise sehr emotional diskutiert und beherrschte in den letzten Wochen die Medienberichterstattung. Nach einer Reihe von Arbeitskreisen und ersten Maßnahmen zur Legalisierung der 24-Stunden-Betreuung (Novelle zum Ausländerbeschäftigungsgesetz, Pflege-Übergangsgesetz = Amnestiegesetz) sollte es am 6. Juni im Parlament und im Ministerrat zu weiteren wichtigen Weichenstellungen für pflege- und betreuungsbedürftige Menschen und deren Angehörige kommen.

Hausbetreuungsgesetz

Mit dem Nationalratsbeschluss zum Hausbetreuungsgesetz wurde der arbeits- und gewerberechtliche Rahmen für die bedarfsgerechte Rund-um-die-Uhr-Betreuung zu Hause geschaffen. Die Zeit für eine praktikable Neuregelung war auch dringend erforderlich, war doch die als Übergangslösung beschlossene Amnestieregelung vorerst nur bis 30. Juni 2007 gültig.

Ab 1. Juli 2007 wird also 24-Stunden-Betreuung arbeitsrechtlich möglich sein. Anwendbar ist dieser rechtliche Rahmen für Privathaushalte, in denen ein Pflegegeldbezieher ab der Stufe 3 (bei demenzerkrankten Personen schon ab Pflegestufe 1 und 2) einer dauerhaften Betreuung bedarf. Nun braucht es zur Umsetzung einer 24-Stunden-Betreuung aber nicht nur arbeitsrechtliche Rahmenbedingungen, sondern auch Maßnahmen der finanziellen Absicherung.

Finanzierung der 24-Stunden-Betreuung

Die ebenfalls am 6. Juni im Nationalrat beschlossene Novelle zum Bundespflegegeldgesetz soll die Basis für die Gewährung von Zuwendungen aus dem Unterstützungsfonds für Menschen mit Behinderung im Rahmen der 24-Stunden-Betreuung schaffen.

Diese Zuwendungen sollte es vorerst nur für Personen mit einem Hilfebedarf ab der Pflegestufe 5 geben. Gestern hat sich der Ministerrat auf eine Ausweitung der Förderung auf die Pflegestufen 3 und 4 geeinigt. Die maximale Förderhöhe beträgt bei unselbstständigen Betreuungskräften 800 Euro pro Monat, bei selbstständigen Betreuern 225 Euro.

Knackpunkt der 24-Stunden-Betreuung zu Hause ist aber nach wie vor deren Finanzierung. Bereits in unserer im März erschienen ÖZIV-Info prophezeite ich, dass das „Schwarze Peter-Spiel“ bezüglich Bund/Länderfinanzierung zu keinem Ergebnis führen wird – und ich sollte Recht behalten.

Durch das Auslaufen der Amnestieregelung und unzureichender Fördermaßnahmen mangels Bundes-/Länderfinanzierungseinigungen, wären die Betroffenen ab 1. Juli wieder in illegale Beschäftigungsverhältnisse gedrängt worden. Der ÖZIV plädierte daher für eine Verlängerung der Amnestieregelung – die Bundesregierung beschloss am 13. Juni schließlich eine Erstreckung bis Jahresende.

Weitere Schritte müssen folgen

Die im National- und Ministerrat bis dato gefassten Beschlüsse einer Legalisierung der Betreuung zu Hause und die angedachten Förderungen können lediglich als ein erster Schritt auf dem Weg zu einer umfassenden Neugestaltung der Pflege- und Betreuungsleistungen ausgelegt werden.

Zukunftsweisende weitere Schritte, wie z.B.:

  • Nutzung der Amnestieverlängerung für die Erarbeitung von tragfähigen Lösungen
  • Pflege muss einkommensunabhängig und für ALLE leistbar sein
  • Jährliche, gesetzlich festgeschriebene Erhöhung des Pflegegeldes
  • Einführung einer „Offenen Pflegestufe“

müssen unter Einbeziehung der Betroffenen folgen.

Tragfähige Lösungen statt Hick-Hack

In Partei- und Wahlprogrammen sowie politischen Aussagen werden gerne soziale Werte, wie „Altern in Würde“, „Entlastung und Unterstützung pflegender Angehöriger“, „selbstbestimmtes und bedürfnisorientiertes Leben“ strapaziert. Offensichtlich aber, ohne sich eingehend mit der existenten Lebenswelt und den Bedürfnissen der Betroffenen auseinandergesetzt zu haben.

Liebe politische Vertreter, wenn Ihr diese Werte wirklich mit Leben erfüllen wollt, dann setzt Taten! Bindet die Betroffenen bei der Diskussion um die Pflege und Betreuung ein; gebt den Betroffenen mehr Geld – Stichwort „Wertanpassung des Pflegegeldes“ – in die Hand! Pflegebedürftige Menschen und deren Angehörige wissen wohl am Besten, was sie brauchen, um ein würdiges und selbstbestimmtes Leben führen zu können.

Möglicherweise entstehen aufgrund des politischen Hick-Hacks ja doch noch tragfähige Lösungen, die sich tatsächlich am Bedarf von pflegebedürftigen Menschen und ihren Angehörigen orientieren. „Die Hoffnung stirbt zuletzt“, meint Klaus Widl Chefredakteur.

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