Pflegevorsorge: Sieg der Vernunft?

Viele Betroffene empfinden die Nichtbesteuerung und die Nichtstaffelung des Pflegegeldes nach dem Einkommen bereits als einen Grund zum Feiern.

Sie übersehen dabei aber ganz, daß keine Valorisierung und keine Einmalzahlung beschlossen wurde. Auch keine Aufhebung der 50 %igen Kürzung der Taschengelder.

Was alle ExpertInnen aus Kreisen der Betroffenen sowie alle anderen wirklichen Fachleute schon immer gesagt haben, das ist in dem am 18. September 2000 der Öffentlichkeit vorgestellten Endbericht zur „Erhöhung der Treffsicherheit des Sozialsystems“, redigiert von Univ. Prof. Dr. Wolfgang Mazal, schwarz auf weiß nachzulesen:

Treffsicherheit ist sehr hoch
„Die Treffsicherheit des Pflegegeldes ist nach einhelliger Auffassung – wie mehrere Studien belegen – sehr hoch. … Angesichts der hohen Treffsicherheit erscheint nach einhelliger Auffassung des Arbeitskreises ein – auch nur partieller – ´Austausch´ des Pflegegeldes gegen einen ´Betreuungsscheck´ nicht zweckmäßig (dies an die Adresse von der steirischen Landeshauptfrau Klasnic von der ÖVP und dem Wr. Stadtrat Rieder von der SPÖ!) -, … zudem wäre mit wesentlich höheren Kosten zu rechnen, … schließlich wäre ein ´Scheck´ auch mittelfristig keine Alternative, weil vielfach eine flächendeckende Dienstleistungs-Infrastruktur … fehlt.

Einkommensabhängigkeit wäre verfassungswidrig
Eine Einkommensabhängigkeit des Pflegegeldes wird einhellig als nicht sozial treffsicher abgelehnt. Neben dem hohen Verwaltungsaufwand … und der ohnedies überwiegend sehr niedrigen Einkommen pflegebedürftiger Menschen bestehen vorallem rechtliche Bedenken“, für diese Maßnahme fehle eine Kompetenzgrundlage und vor allem ist auf „das besondere Diskriminierungsverbot von behinderten Menschen in Artikel 7 B-VG zu verweisen“.

Außerdem könne „eine derartige Maßnahme nicht einseitig durch den Bund bewirkt werden, weil dies als Bruch der Art 15a B-VG Vereinbarung mit den Ländern gesehen werden könnte“.

Besteuerung politisch nicht vertretbar
Auch die Besteuerung des Pflegegeldes wurde in diesem Bericht abgelehnt, da sie u. a. gerade die BezieherInnen niedriger Einkommen besonders treffen würde, große Probleme mit den Ländern und Gemeinden aufwerfen würde, eine Besteuerung als einzige Sozialleistung politisch nicht vertretbar und verfassungsrechtlich bedenklich wäre.

Nichtvalorisierung – wesentliches Defizit
Als ein „wesentliches Defizit“ wird in diesem Bericht die Nichtvalorisierung bezeichnet: „Da eine Valorisierung des Pflegegeldes seit 1996 unterblieben ist, ist der Wert des Pflegegeldes seit damals real gesunken. Der Arbeitskreis hält eine Valorisierung des Pflegegeldes einhellig für notwendig (!)“.

Vorarlberger Studie belegt Zielgenauigkeit
Ähnliche, teilweise noch deutlichere Ergebnisse brachte eine Studie, welche die Vorarlberger Landesregierung in Auftrag gegeben hatte und die dieser Tage der Öffentlichkeit vorgestellt wurde: Die Überprüfung von 189 PflegegeldbezieherInnen brachte folgende Ergebnisse:

  • bei 60 % der Befragten wurde eine „sehr gute“ Pflegequalität, bei 40% eine „zufriedenstellende“ Pflegequalität festgestellt
  • der größte Teil des Pflegebedarfs wird von der Familie (Ehegatten, Kinder und Schwiegerkinder) geleistet
  • in keinem einzigen Fall (!) wurde eine mißbräuchliche Verwendung des Pflegegeldes festgestellt.

Damit sind die Ziele des Pflegegeldes voll erreicht und es wird damit dokumentiert, daß der eingeschlagene Weg richtig ist.

Abschließend wird noch festgestellt, daß es wünschenswert wäre, eine jährliche Valorisierung vorzunehmen.

Es wäre zu wünschen, daß die Ergebnisse dieser Untersuchung in die Hände aller jener kämen, welche sich als SozialpolitikerInnen und -expertenInnen in den letzten Monaten wichtig gemacht und die Betroffenen gehörig verunsichert haben.

Argumente der Betroffenen akzeptiert
Erfreulicherweise haben die maßgeblichen PolitikerInnen der Koalitionsregierung die Argumente der Betroffenen und anderer Fachleute akzeptiert und weder eine Staffelung des Pflegegeldes noch seine Besteuerung beschlossen – ein Sieg der Vernunft!

Allerdings wurde die Besteuerung der Unfallrenten beschlossen, was für viele der davon Betroffenen eine spürbare Härte darstellt und in der Bevölkerung als kleinliche Schikane wahrgenommen wird. Es ist unmoralisch, die geplante Milliarde für die berufliche Rehabilitation behinderter Menschen mit Leistungsverschlechterungen bei anderen zu finanzieren.

Forderungen bisher unbeantwortet
Und außerdem existieren noch kaum Antworten auf unsere Forderungen nach einer Einmalzahlung oder der Valorisierung des Pflegegeldes. Oder auf die Zurücknahme der seinerzeit beschlossenen Kürzung des Taschengeldes um 50 % für HeimbewohnerInnen, die von Landeshauptmann Haider und Klubobmann Westenthaler (beide FPÖ) stets angeführt, wird wenn es darum geht, die Taten der alten Koalition zu kritisieren. Ihre Partei hat aber bis jetzt, wo sie bereits seit Feber 2000 in der Regierung ist, noch immer keinen Finger zur Aufhebung dieser Schikane gerührt! Die Betroffenen aber wollen keine Lippenbekenntnisse hören, sondern Taten sehen!

Bis heute haben wir auf unsere Schreiben vom 13. Juli 2000 und vom 19. August 2000 an die zuständigen PolitikerInnen der Regierungsparteien nur von einer einzigen Politikerin (Abg. Partik-Pable) die schriftlich Versicherung erhalten, sich für die Valorisierung des Pflegegeldes einsetzen zu wollen. Lediglich erwähnt wurden unsere Forderungen (Valorisierung, Einmalzahlung, Taschengeldregelung) vom Bundeskanzler, dem Klubobmann und dem Sozialsprecher der ÖVP. In den anderen Beantwortungen ist von tagenden Arbeitsgruppen und Budgetverhandlungen die Rede und davon, daß wir uns noch gedulden sollten oder es wird uns mitgeteilt, daß es keine Maßnahmen zur Verschlechterung bei Pflegevorsorge geben wird.

Den Vogel abgeschossen hat wohl der Klubobmann der FPÖ, Ing. Peter Westenthaler, der uns in einem E-Mail am 19. August 2000 für unser Schreiben dankt, „so bald wie möglich eine persönliche Antwort“ ankündigt und vorsorglich für unsere Geduld dankt. Westenthaler dürfte sich recht gut kennen, denn bis 10. Oktober war noch immer keine Antwort eingetroffen.

Selbstverständlich werden wir uns mit diesen mageren Ergebnissen nicht zufrieden geben und unsere Forderungen einmahnen, solange jedenfalls, bis wir der Gerechtigkeit zum Sieg verholfen haben.

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