Politisch naiv?

Wie naiv darf jemand sein, der in die Politik geht?

Wenn es nach dem forum handicap geht, dann darf´s ruhig ein bißchen mehr sein.

Das fing an mit der Aussage, die „EU muß mit einer engagierten Sozialpolitik Vorbild für die Haltung ihrer Mitgliedsstaaten sein“. Mittlerweile weiß jeder politisch nur halbwegs Interessierte, daß Sozialpolitik Sache der Nationalstaaten ist. Daher ist die Chance, die EU-Sozialpolitik und somit die Österreichs (auch noch) positiv zu beeinflussen, nicht „so groß, wie nie zuvor“. Diese Behauptung ist schlicht falsch.

Vielmehr dürfte die Chance zu einer positiven Veränderung so klein sein wie seit eh und je. Aus „Angst vor weiterem Sozialabbau“ hat sich das forum zur Kandidatur entschlossen und tut damit so, als wären die Sparpakete nicht in Wien, sondern in Brüssel beschlossen worden.

In der Menschenrechtsfrage wird die Feststellung getroffen, die EU sähe noch tatenlos zu, wie behinderte Menschen in diesen Rechten eingeschränkt werden. Auch diese Aussage entspricht nicht der Realität. Vielmehr war die EU gerade im vergangenen Jahr in diesem Bereich weitaus aktiver gewesen als etwa die österreichische Bundesregierung:

  • So wurde von der Reflexionsgruppe die Aufnahme eines allgemeinen Diskriminierungsverbotes für behinderte Menschen vorgeschlagen
  • am 7. Dezember 1995 der Bericht „Unsichtbare Bürger“, der sich kritisch mit der Diskriminierung behinderter Menschen befaßt, herausgegeben und
  • in einer Sitzung des EU-Parlaments am 14. Dezember 1995 eine Ent-schließung gefaßt, welche die Kommission sowie die Mitgliedsstaaten auffordert, eine Nicht-Diskriminierungsklausel einzuführen.

Mit auch nur halb so vielen Aktivitäten und Interesse würden wir mit dem dafür zuständigen Außen- und Bundeskanzleramt schon weniger unzufrieden sein als jetzt. Die Situation zeigt also klar, daß nicht die EU, sondern unsere Bundesregierung in dieser Sache nichts unternommen hat, denn sie muß sich im Rahmen der Regierungskonferenz dafür stark machen, daß eine Nicht-Diskriminierungsklausel für unsere Personengruppe in die EU-Verträge aufgenommen wird.

Das heißt aber auch, wenn jemand in diesem Bereich etwas erreichen will, dann muß er den Hebel hier in Österreich ansetzen – anstatt nach Brüssel zu fliehen – und alles unternehmen, um die bisher säumige Regierung dazu zu bringen, endlich aktiv zu werden.

Das forum will weiters die Politik selbst über das Europäische Parlament mitgestalten. Spätestens aus der Diskussion der letzten Wochen weiß jeder, daß man in der EU die Chance zur Mitgestaltung nur dann hat, wenn man einer der Fraktionen angehört. Die keiner Fraktion angehörende FPÖ hat nicht einmal mit ihren sechs Abgeordneten irgendeinen Einfluß im EU-Parlament. Und in einer ähnlichen nur noch weit aussichtsloseren Situation wäre ein forum-Abgeordneter. Er wäre einflußlos und völlig isoliert.

Womit wir beim Thema FPÖ angelangt wären. Zu glauben, von einer anderen politischen Partei auf sichere Listenplätze genommen zu werden und gleichzeitig weiterhin parteiunabhängig bleiben zu können, das grenzt bereits an Weltfremdheit und wirkt nicht glaubwürdig. Und das noch ausgerechnet mit der FPÖ.

Mit jener Partei, die eine ordentliche Beschäftigungspolitik ganz in Ordnung findet. Im Alleingang und ohne Rücksprache mit den anderen Funktionären der Österreichischen Arbeitsgemeinschaft für Rehabilitation (ÖAR). Das ist dilettantisch und realitätsfremd. Damit wurde der österreichischen Behindertenbewegung großer Schaden zugefügt, denn wer soll uns nach diesen Ereignissen noch ernst nehmen? Dringende Schadensbegrenzung ist angezeigt.

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