Pränatalen Diagnoseverfahren und Spätabbrüchen

Am kommenden Wochenende findet im SMZ-Ost das Symposium "Pränatale Medizin-heute und morgen" statt, in dem es neben Referaten mit Titeln wie "Neue Wege im Down-Syndrom-Screening" auch um den Fetozid gehen wird.

Lebenshilfe Wien
Lebenshilfe Wien

Der Vorstand der Universitäts-Frauenklinik, Univ.-Prof.Dr.Peter Husslein beschäftigt sich damit in seinem Beitrag „Fetozid – eine medizinische Alternative oder Notwenigkeit“.

Beim „Fetozid“ handelt es sich um die Tötung eines schwer behinderten, unter Umständen aber bereits lebensfähigen Kindes mittels Herzstich im Mutterleib nach der 24. Schwangerschaftswoche.

Dr. Husslein bestätigt gegenüber der APA, dass an der Uniklinik für Frauenheilkunde in Wien in den Jahren 1998 bis 2001 mindestens 15 sogenannte „Spätabbrüche“ durch Gabe von Prostaglandinen durchgeführt wurden, wobei zahlreiche dieser Kinder noch lebend zur Welt gekommen und dann qualvoll gestorben sind.

Der Ausweg, den GynäkologInnen nun aus diesem Dilemma suchen, ist die Anwendung des Fetozids – diese Methode solle sicherstellen, dass der Fötus tot zur Welt kommt. Somit scheint aus Medizinersicht die „Notwendigkeit“ des Fetozids bereits geklärt. Ebenso äußert sich Dr. Husslein positiv zu pränatalen Untersuchungsmethoden wie der Nackenfaltenmessung oder der Messung des Nasenbeins. Er begrüßt diese „Früherkennungsmethoden“ von Erbschädigungen (Trisomie 21=Down-Syndrom) beim Ungeborenen, denn damit könnten Fruchtwasserpunktionen zu einem späteren Schwangerschaftszeitpunkt vermieden werden.

Bei diesen Diskussionen wird wieder einmal klar, dass es in Österreich zwei Arten von Ungeborenen gibt – welche, die es wert sind, geboren zu werden, und welche, die es nicht wert sind, nämlich Ungeborene mit Behinderungen. Mit immer ausgefeilteren pränatalen Untersuchungsmethoden wird nach Behinderungen „gefahndet“ – ergibt ein Befund ein „erhöhtes Risiko“ auf Behinderung des Fötus, wird zu über 80% die Schwangerschaft abgebrochen.

Die Formel ist einfach: Behinderung bedeutet Leid; ÄrztInnen wollen Frauen helfen, nicht durch die Geburt eines Kindes mit Behinderung ein „Leben in Leid“ führen zu müssen, die Medizin bietet ein umfangreiches Spektrum, Schwangeren zu Zeitpunkten noch innerhalb der Fristenregelung eine Risikoabschätzung geben zu können; das wahrscheinlich behinderte Kind kann noch „rechtzeitig“ abgetrieben werden. Bei schweren Behinderungen zur Not auch noch bis kurz vor der Geburt.

Frauen sind mit den Entscheidungen – unter Zeitdruck – alleingelassen. Es mangelt massiv an qualifizierter Beratung vor, während und nach einer pränatalen Untersuchung. (Im Jahr 2001 wurden am AKH 2.851 genetische und zytogenetische Untersuchungen durchgeführt, es fanden 156 genetische Beratungen und 607 Beratungen vor Fruchtwasserpunktionen statt. An der klinischen Abteilung für Pränatale Diagnose des AKH arbeitet genau eine Psychologin für Beratungen. Die Zahlen sprechen für sich!). Schwangere befinden sich im derzeit gegebenen medizin. System nicht in einer Lage, in der sie sich wirklich frei für oder gegen die Geburt eines behinderten Kindes entscheiden können.

Nicht zur Diskussion gestellt wird von Dr. Husslein eine Abschaffung des § 97, Absatz 1, Punkt 2, 2. Fall – Abtreibungsmöglichkeit bis zur Geburt, wenn „eine ernste Gefahr besteht, dass das Kind geistig oder körperlich schwer geschädigt sein werde“, die sogenannte „eugenische, auch kindliche Indikation“, die europaweit in dieser Form nur in der österr. Gesetzgebung besteht.

Der Gesetzgeber greift hier eine „Notsituation“ heraus und macht sie zu einer Indikation. Es gibt eine Reihe von Notsituationen, in die eine schwangere Frau geraten kann, doch nur für die Behinderung wurde eine eigene Indikation geschaffen. Das stellt eine schwere Diskriminierung von Menschen mit Behinderung dar.

Das Bild vom behinderten Menschen ist in unserer Gesellschaft fälschlicherweise noch immer negativ besetzt und Behinderung wird mit Leid gleichgesetzt. Frauen werden während der Schwangerschaft zu immer früheren Zeitpunkten zunehmend mehr Instrumentarien angeboten, ihr Ungeborenes auf etwaige Behinderungen „screenen“ zu lassen. Dieses Screening nicht in Anspruch zu nehmen, wird zunehmend schwieriger für Frauen, ausreichende Beratung fehlt und der gesellschaftliche und medizinische Druck, alles zu unternehmen, um ein „qualitativ einwandfreies“ Kind zu gebären, wächst.

Die Lebenshilfe Wien spricht sich in Anbetracht der Entwicklungen noch einmal mehr für eine ersatzlose Streichung der „eugenischen Indikation“ aus dem Strafgesetzbuch aus.

Sollte sich eine Behinderung des Ungeborenen nach der 3-Monats-Frist herausstellen, ist es denkbar, dass sich im Rahmen der medizinischen Indikation (Gefahr eines schweren Schadens für die seelische Gesundheit der Frau) eine ähnliche Problemstellung ergibt. In diesem Fall ist es allerdings die individuelle Entscheidung der Frau und nicht die Stigmatisierung von behinderten Menschen durch den Gesetzgeber.

Die medizinische Indikation ist dann mit dem Zusatz zu versehen „und die Lebensfähigkeit des Kindes noch nicht erreicht ist“, um zu verhindern, dass ungeborene Behinderte bis kurz vor der Geburt getötet werden können.

Weiters fordert die Lebenshilfe Wien zu einer Ausgliederung von Pränatalen Untersuchungen aus der allgemeinen Schwangerenvorsorge und einem begleitenden flächendeckenden Ausbau von unabhängigen Beratungsstellen, die schwangere Frauen vor, während und nach einer pränatalen Untersuchung begleiten.

Down-Syndrom und andere geistige Behinderungen sind keine Krankheiten, die man suchen und behandeln kann – das Leben mit einer geistigen Behinderung ist kein Leid und eine sozial solidarische Gesellschaft sollte diesen einseitigen Blickwinkel nicht stärken, sondern die Integration dieser Menschen fördern und Familien mit Angehörigen mit Behinderungen unterstützen!

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