Anlässlich des Europäischen Protesttages für die Gleichstellung behinderter Menschen am 5. Mai bekräftigt der Selbstvertretungsverband Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben in Deutschland (ISL), dass es 27 Jahre nach dem ersten Protesttag und trotz 10 Jahren UN-Behindertenrechtskonvention in Deutschland nach wie vor nötig ist, die Selbstbestimmung und gleichberechtigte Teilhabe behinderter Menschen mit Protestaktionen einzufordern.
Angesichts der Tatsache, dass hunderttausende von behinderten Menschen nach wie vor in Sondereinrichtungen zu Bedingungen leben und arbeiten müssen, die nichtbehinderte Menschen niemals freiwillig wählen würden, ruft der Verband all diejenigen, die sich für Menschenrechte und Teilhabe einsetzen, dazu auf, sich an den über 600 Aktionen zu beteiligen, die in verschiedenen Städten Deutschlands stattfinden.
„Würden Sie für durchschnittlich 180 Euro ganztägig in einer Werkstatt für behinderte Menschen arbeiten? Würden Sie in einem sogenannten ‚Heim‘ leben wollen, in dem Sie oft so wenig Unterstützung bekommen, dass die Teilhabe am Leben außerhalb der Einrichtung etwas Besonderes ist? Würden Sie einen großen Teil Ihrer Einkünfte abgeben, nur weil Sie Unterstützung brauchen? Oder würden Sie in Kauf nehmen, dass sich Ihre Arztwahl oder Wahl der Veranstaltung, der Kneipe oder des Kinos nicht nach Ihren Bedürfnissen und Interessen, sondern danach richtet, ob Sie dort barrierefrei hin kommen und teilnehmen können? Für viele behinderte Menschen ist das nach wie vor Alltag, ohne dass die Politik hier nennenswerte Veränderungen schafft“, kritisiert Dr. Sigrid Arnade die Situation in Deutschland zehn Jahre nach Inkrafttreten der UN-Behindertenrechtskonvention in Deutschland.
Hier seien endlich konkrete Initiativen zur Barrierefreiheit und zur echten Teilhabe mitten in der Gemeinde nötig.
Für Ottmar Miles-Paul, der 1992 den ersten Europäischen Protesttag für die Gleichstellung behinderter Menschen für die Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben in Deutschland (ISL) zusammen mit Uwe Frevert vom Europäischen Netzwerk zum selbstbestimmten Leben (ENIL) koordiniert hat und die jährlichen Protesttage seitdem mitprägt, ist klar, dass – trotz verschiedener kleinerer Erfolge in den letzten 27 Jahre – nach wie vor in Deutschland massiv ausgesondert und diskriminiert wird.
„Gerade heute, im Vorfeld einer sehr wichtigen Europawahl, ist es wichtiger denn je, dass Menschen mit ganz unterschiedlichen Behinderungen ihre Menschenrechte einfordern und ihre Stimme für ein sozial gerechtes und inklusives Europa erheben. Der 1994 gewonnene Kampf für die Aufnahme des Benachteiligungsverbotes für behinderte Menschen im Grundgesetz und die Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonvention am 26. März 2009 durch Deutschland sind wichtige Etappensiege gewesen. In der Praxis erleben behinderte Menschen und ihre Angehörigen jedoch täglich, dass diese Rechte immer wieder mit Füßen getreten werden und Inklusion oft noch ein Fremdwort ist“, erklärte Ottmar Miles-Paul.
Um den 5. Mai herum finden über 600 Protestveranstaltungen in Deutschland statt.
Henry B.
07.05.2019, 00:59
Und was hat sich am 5. Mai 2019, dem „Europäischen Protesttag zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderung“ in Österreich, speziell in Wien getan?
Haben Interessensvertretungen öffentlich protestiert? Medial was unternommen? Ein deutliches aktionistisches Zeichen gesetzt?
Presseaussendungen gab es von den NEOS, der Liste JETZT, der Lebenshilfe und der Diakonie. Gut so. Aber: Umso peinlicher das Schweigen der klassischen Behindertenvertretungen. Gibt es die eigentlich noch? Oder: gibt es keine behinderten Menschen mehr in Österreich? Oder: Vielleicht sind ja alle behinderten Menschen in Österreich mit ihrer Lebenssituation zufrieden … …