Am 3. Juni 2011 abend wurde in Frankfurt dem umstrittenen australischen Bio-Ethiker Peter Singer der "Ethik-Preis" der Giordano-Bruno-Stiftung (gbs) in der Deutschen Nationalbibliothek verliehen.
Vor dem Bibliotheksgebäude hatten sich mehr als 50 Menschen zum Protest gegen die Preisverleihung eingefunden, weil Singer ihrer Auffassung nach das Lebensrecht behinderter Menschen in seinen Veröffentlichungen mehrfach in Frage gestellt hat.
Die Nationalbibliothek war vom Behindertenbeauftragten der Bundesregierung Hubert Hüppe aufgefordert worden, diese Veranstaltung wegen Singers menschenverachtender Haltung zu verhindern.
„Da diese Veranstaltung keinen strafrechtlichen Hintergrund hat, sehen wir keinen Anlass, einer gemeinnützigen Stiftung die Nutzung unserer Räume zu verweigern“, sagte der Pressesprecher der Nationalbibliothek, Stephan Jockel, dem kobinet-Korrespondenten: „Die Nationalbibliothek achtet selbstverständlich die Rechte behinderter Menschen, aber auch das Recht auf Meinungsfreiheit.“
Der Pressesprecher der gbs, Michael Schmidt-Salomon, bedauerte gegenüber kobinet, dass es nach seiner Meinung Missverständnisse seitens behinderter Menschen über Singers Bio-Ethik gebe. Er habe Verständnis für die Betroffenheit Behinderter.
„Wir haben damit gerechnet, dass es Proteste Behinderter gegen die Preisverleihung an Peter Singer geben wird, aber eine rationale Diskussion seiner Thesen ist nötig.“ Wenn Behinderung kein persönliches Leid bedeute, wären besondere Zuwendungen der Gesellschaft nicht notwendig.
Persönliches Leid sei nach seiner Auffassung vermeidbar durch die Vermeidung von Behinderungen. Unter „Behinderungen“ versteht er jedoch keine gesellschaftlichen Barrieren, sondern Krankheiten und Defizite von Personen. Schmidt-Salomon beklagte, dass es bei der Preisverleihung eigentlich um Singers Verdienste für Grundrechte von Menschenaffen gehe.
„Ich habe das nicht für möglich gehalten, nach 20 Jahren noch einmal gegen Singer und seine Thesen für die Euthanasie von Säuglingen, Kindern und Erwachsenen mit sogenannten schweren Behinderungen hier protestieren zu müssen“, empörte sich Prof. Dr. Anne-Dore Stein von der Evangelischen Hochschule Darmstadt. Sie halte es nicht für einen Zufall, dass sich die gbs für die Selektion behinderter Föten bei der Präimplantationsdiagnostik (PID) engagiert.
„Behinderung ist eine Konstruktion“, sagte Ruth Gillert, Studentin aus Frankfurt. Der gesellschaftliche Umgang mit behinderten Menschen lasse befürchten, dass sich Frauen zur Abtreibung behinderter Kinder gedrängt fühlen.