Protestaktion von BMIN vor dem Sozialministerium

"Wer sich nicht wehrt, lebt verkehrt" - Ein Bericht von Pepo Meia und Manfred Srb

Protest vor dem Sozialministerium 20120530
BMIN

Am 30. Mai 2012 tagte zum bereits fünften Mal eine Arbeitsgruppe im Sozialministerium unter Einbeziehung der Bundesländer, die eine bundesweite einheitliche Regelung für Persönliche Assistenz erarbeiten soll.

Und wieder wurden keine kompetenten, direkt betroffenen Vertreter vom Sozialministerium eingeladen.

Wie bereits berichtet, stellt dies einen klaren Verstoß gegen die Prinzipien der UN-Behindertenrechtskonvention dar, die seit 2008 auch in Österreich gilt. Wann werden Vertreter der Betroffenen in die Arbeitsgruppe miteinbezogen?

Zutritt zur Sitzung mit Polizeigewalt untersagt

Aus diesem Anlass protestierten einige Aktivisten der Behindertenbewegung (BMIN) am 30. Mai 2012 vor dem Sozialministerium. (Siehe „Bild der Woche“)

Der Zutritt ins Ministerium, wo die Sitzung stattfand, wurde mit Polizeigewalt untersagt. Sogar das Behinderten-WC im Sozialministerium konnte nur mit polizeilichem „Schutz“ benutzt werden.

Die Aktivisten blockierten daraufhin die Einfahrt ins Ministerium. Ein zuständiger Beamter, der den Vorsitz führte, kam nach Beginn der Sitzung zu den „Ausgesperrten“ und sagte zu, nach Sitzungsende über deren Inhalt zu berichten. Weiters wurde versichert, dass drei betroffene Experten im Herbst bei den nächsten Sitzungen dabei sein werden.

Während die Aktivisten unter „Polizeischutz“ weiterhin die PKW-Einfahrt blockierten, kamen Teilnehmer der besagten Arbeitsgruppe und nahmen Kopien der Stellungnahmen des Monitoringausschusses bezüglich der UN-Behindertenrechtskonvention entgegen und versprachen, diese während der laufenden Sitzung zu verteilen.

Blecha und Khol unterstützen die BMIN-Aktivisten

Sogar die Pensionistenvertreter „Charly“ Blecha (SPÖ) und Andreas Khol (ÖVP) hatten kein Verständnis, dass keine betroffenen Experten zur Sitzung eingeladen wurden und würden bei Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) persönlich intervenieren, damit in Zukunft Verstöße gegen die UN-Behindertenrechtskonvention unterlassen werden.

Vertreter des Sozialministers erstatten wie versprochen den BMIN-Aktivisten Bericht

Nach der Sitzung kamen zwei Vertreter des Sozialministers und berichteten von der Sitzung und den Problemen, die es bei einer einheitlichen bundesweiten Regelung für Persönliche Assistenz (PA) gibt.

Diesmal standen arbeits- und sozialrechtliche Gestaltung der Assistenzverträge im Vordergrund der Sitzung. Diese Frage wird auch noch bei der Soziallandesreferentenkonferenz im Sommer diskutiert, weil es darum geht, österreichweit einheitliche, rechtlich korrekte und trotzdem für die Betroffenen dienliche Rechtsverhältnisse zu schaffen. (Anmerkung von BMIN: Bedeutet dies, dass es sich bei den bisherigen Arbeitsmodellen der Persönlichen Assistenz, die in Einzelfällen in Österreich jahrzehntelang praktiziert werden, um keine rechtlich korrekten Arbeitsverhältnisse handelt?)

Weiters wurde diskutiert, welche Art der Voraussetzung es für die Unterstützung durch PA in einem breiteren Umfeld, nicht nur auf den Arbeitsplatz bezogen, geben soll. Für wen ist das die richtige Leistung? Wer soll welche Art von Unterstützung in Anspruch nehmen können? Welche Art von Unterstützung soll geboten werden? Welche Wahlmöglichkeiten soll es geben – welche Wahlmöglichkeiten gibt es jetzt und welche Betroffenen erfüllen die Voraussetzungen, um dies auch organisatorisch bewältigen zu können.

Laut Aussage des Vertreters des Sozialministeriums sind in drei Bundesländern für die Betroffenen akzeptable Modelle vorhanden (Anmerkung von BMIN: W., OÖ., T.). Diese Modelle auf einen Nenner zu bringen, sei schwierig, da die restlichen Bundesländer diesbezüglich zu wenig, bzw. noch gar keine Vorarbeiten geleistet haben.

Seitens der Länder gibt das Argument, dass es auch noch viele andere Leistungen gäbe, auf deren Abstimmungen man auch achten müsse (Sach-, aber auch Geldleistungen – Anmerkung von BMIN: Zu Sachleistungen zählen auch soziale Pflegedienste).

Wollen die Länder überhaupt eine einheitliche Lösung für PA?

Die Länder betonen bei den Sitzungen, welche unterschiedlichen Systeme sie haben und wie schwierig es ist, auf einheitliche Standards zu kommen. Die zuständigen Beamten im Sozialministerium sind sich nicht sicher, ob die Länder überhaupt eine einheitliche Regelung der Persönlichen Assistenz wollen. Der Auftrag von Sozialminister Rudolf Hundstorfer sei, einen Konsens herzustellen.

Der Vorschlag eines Aktivisten lautete: „Es wäre das einfachste, den Ländern die Kompetenz für die PA zu entziehen.“ Vermutlich wäre dies nur mit 15 a-Vereinbarungen und einer Zweidrittelmehrheit im Parlament möglich, da es sich um eine Verfassungsänderung handeln würde. Tatsache ist, dass die Persönliche Assistenz (jedoch nicht PA für den Arbeitsplatz) momentan von den Ländern finanziert wird und diesbezügliche Steuerabgaben an den Bund zurückfließen.

Betroffene Experten werden an zukünftigen Sitzungen teilnehmen

Als ganz konkretes Ergebnis der letzten Sitzung und der Protestaktion wurde nunmehr zugesagt, dem Minister vorzuschlagen, dass ab Herbst bei allen zukünftigen Sitzungen die UN-Behindertenrechtskonvention eingehalten wird. Weiters soll unsere Forderung, dass die Hälfte der Sitzungsteilnehmer betroffene Experten aus allen Bundesländern sein müssen (auch von der Selbstbestimmt-Leben-Bewegung) ab der nächsten Sitzung umgesetzt werden.

Abschließend kann gesagt werden, dass diese spontane BMIN-Aktion, so wie es momentan aussieht, erfolgreich war. Getreu dem Motto: „Wer sich nicht wehrt, der lebt verkehrt“.

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