Punktsieg David gegen Goliath

Die französische Staatsbahn SNCF muss einen behinderten Fahrgast wegen fehlender barrierefreier Toiletten entschädigen.

TGV der SNCF
TGV der SNCF von Hugh Llewelyn / CC BY-SA 2.0

Der 27-jährige Student Kévin Fermine aus Toulouse hatte 2016 das Unternehmen verklagt. Das Berufungsgericht in Toulouse verurteilte jetzt die Bahn zu einer Entschädigung in Höhe von 5.000 Euro. Außerdem muss die Société nationale des chemins de fer français (SNCF) 2.000 Euro der Kosten des Rechtsstreits übernehmen.

„David hat gegen Goliath gewonnen“, war in französischen Zeitungen zu lesen, „Das ist ein Sieg für die Sache aller Personen in der Situation eines Handicaps“, wurde der Anwalt von Kévin Fermine zitiert. Pascal Nakache ist Mitglied der Liga der Menschenrechte.

Für Kay Macquarrie ist die Aussage des Verfahrens wichtig: Ja, es ist eine Diskriminierung, wenn auf einer Zugfahrt kein barrierefreies WC erreichbar ist. Der Rollstuhlaktivist findet die Höhe des Schadensersatzes geradezu sensationell für europäische Verhältnisse. Macquarrie hat in Deutschland die Petition „Bahnfahren einfach machen“ auf den Weg gebracht und macht bei dem neuen Aktionsportal barrierefreiebahn.de mit.

Kévin Fermine studiert in Paris. Das sind jeweils mehr als 6 Stunden Fahrtzeit, die er ohne Toilette aushalten muss. „Das ist schrecklich demütigend“, sagt er dem Berliner kobinet-Korrespondenten am Telefon. Er fordere nur, was ihm und allen anderen Reisenden zusteht. “Wenn die TGV nur so enge und für mich nicht zugängliche Toiletten haben, werde ich diskriminiert.“

Frankreichs staatliche Eisenbahngesellschaft hat mehrfach vor Gericht einen Aufschub erfochten, die im Behindertenrecht der Republik gesetzlich vorgeschriebenen Normen einzuhalten. Nach einem am 5. August 2015 ratifizierten neuen Gesetz soll das bis zum Dezember 2024 geschehen. 

In der gerade veröffentlichten Rangliste der Hochgeschwindigkeitszüge 2019  belegt der französische TGV POS mit einer Höchstgeschwindigkeit von 575 km/h den vierten Platz vor dem ICE der Deutschen. Die drei Spitzenreiter sind die Züge aus China, Japan und Spanien. 

Für die SNCF sollte es technisch kein Problem sein, ihre Züge mit barrierefreien Toiletten auszustatten. Ebenso könnte die Deutsche Bahn mit der lange versprochenen fahrzeuggebundenen Ein- und Ausstiegshilfe Punkte sammeln und die mit Handkurbel betriebenen Ungetüme aus DB-Wertarbeit „Made in Germany“ auf den Bahnsteigen nach und nach verschrotten.

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4 Kommentare

  • Überraschend schnell, nicht wahr?

    2003 war das Jahr der Behinderten in Europa. Damals wurde festgelegt, dass spätestens innerhalb von zehn Jahren alle öffentlichen Gebäude und alle Verkehrsmittel barrierefrei sein sollten.

    Inzwischen sind 16 (sechzehn!) Jahre vergangen, und schon jetzt wird die französische Bahn dazu verurteilt, schon im Jahr 2024 barrierefreie Toiletten im TGV zu installieren, also nach nur 21 Jahren ab 2003.

    Damals hat man argumentiert, dass man keinen gesetzlichen Zwang anwenden wolle, um die Bevölkerung nicht gegen die Behinderten aufzubringen.

    Wieso aber nimmt man in Kauf, dass die Behinderten sich sich gegen die Entscheidungsträger erheben?

  • Hallo liebes kobinet-Nachrichten Team,
    haben Sie Informationen dazu wann und an welchem Gericht das Urteil gesprochen wurde und ggf. unter welchem Stichwort oder Urteilsnummer der Gerichtsbericht zu diesem Fall gefunden werden kann? Vielen Dank für die Hilfe :)

  • Aktionsportal heißt jetzt: Barrierefreiebahn.de.