Quasimodo

Ein Besuch bei McDonalds mit meinen Kindern hat mich nachdenklich werden lassen.

Nein, nicht über die Tatsache wie man ungesundes Zeug so appetitlich fotographieren kann. Eine Plastikfigur aus der Juniortüte, ein lächelnder Quasimodo aus dem Disneystreifen „Der Glöckner von Notre Dame“ weckte meine Erinnerungen an dieses Kinoereignis, das ich mit meinen Kindern „genießen“ durfte.

Ihr kennt sicher alle den Film über den behinderten, lieben Glöckner, der einsam über den Dächern von Paris lebt und seines Schicksals zufrieden die Glocken des Domes regelmäßig in Schwingungen versetzt.

Vom Glöckner, der sich bewußt ist, daß seine Existenz unter den Normalen nicht erwünscht ist, der sich demütig in den Turm zurückzieht, dann und wann sehnsüchtig auf das Leben, das sich ausschließlich ohne ihn abspielt, hinab sieht.

Auf das Leben, das auf ihn verzichten kann, weil er ja so häßlich und so anders ist. Disney hat diesen Streifen in üblicher Manier verfilmt und da meine Kinder Disneyfans sind, kam ich nicht umhin, mir diesen Film anzusehen. Angeblich sollte dieser Film der Diskriminierung Behinderter entgegenwirken, doch diese Meinung können nur Nichtbehinderte haben.

Quasimodo wird schonungslos verspottet und gedemütigt als er sich bei einem Narrenfest unter die Leute wagt, nämlich dann, als die Leute sein Aussehen als Realität erkennen. Zuerst als Narrenkönig gekrönt, wird er als unappetitlicher Krüppel verhauen. Die Zigeunerin Esmeralda allein erbarmt sich seiner und er verliebt sich in sie.

Als sie verfolgt wird rettet er sie und versteckt sie im Dom. Heldenhaft verhindert er, daß ihr etwas geschieht und als sie erkennt, welch Charakter sich in diesem „Monster“ befindet, verwandelt sich ihr Mitleid in Sympathie. Doch ihr Herz gehört, wie könnte es anders sein, dem wackeren, hübschen Soldaten.

Die Szene, die mir ganz stark im Gedächtnis geblieben ist, spielt sich folgendermaßen ab: Quasimodo rettet den feschen Soldaten aus dem Verließ und bringt ihn zu Esmeralda. Esmeralda sieht den Soldaten und geht auf ihn zu. Quasimodo steht in der Mitte und als Esmeralda an ihm vorbeikommt hält sie inne und blickt ihn an, voller Dankbarkeit und Zärtlichkeit und Quasimodo schließt sie in die Arme und küßt sie liebevoll.

NEIN! NEIN! NEIN!!!

So war’s natürlich nicht. Esmeralda hält inne und blickt ihn an. Voller Zärtlichkeit und Dankbarkeit, doch eine Beziehung mit einem Behinderten??

Wär doch eine Zumutung für das Publikum. Wo Disney bei der „Kleinen Seejungfrau“ geschummelt hat, so hat er beim Glöckner alles beim Alten gelassen.

Nein, in diesem Fall wär es zu heikel gewesen, nicht wahr? Sympathie und Dankbarkeit sollte einem Krüppel genügen. Da wird er doch nicht undankbarerweise Liebe und Sex für sich beanspruchen.

Schlußendlich bekommt der hübsche, blonde Jüngling mit dem geraden Rücken Esmeralda. Er, der nicht annähernd so heldenhaft für sie gekämpft hat.

So hat dieser Film auch alles beim Alten gelassen, nämlich die Vorstellung, daß einem Behinderten, auch wenn er noch so heldenhaft und stark ist, bestenfalls Sympathie gebührt.

Also, wenn ich was zu sagen gehabt hätte in Disneys Werkstatt, ich hätte dem Publikum ein anderes Happy End beschert. Nein, keine Traumhochzeit, aber zwei verliebte Hand in Hand gehende Menschen namens Quasimodo und Esmeralda!

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