Als Mitglied der Arbeitsgruppe "Rahmenbedingungen für Persönliche Assistenz" in Wien war und bin ich tief betroffen über die Antworten von Vizebürgermeisterin Grete Laska (SPÖ) auf ein schriftliches Interview zum Endbericht dieser Arbeitsgruppe.
Die Fragen:
Am 20. März 2003 stellten wir Vizebürgermeisterin Laska folgende Fragen:
Sie haben in der Interessensvertretung die MitarbeiterInnen der MA 12 (Behindertenhilfe) zur Mitarbeit an der Arbeitsgruppe aufgefordert, um Ihnen Grundlagen für das Pilotprojekt „Persönliche Assistenz“ zu liefern.
Schon im „Zukunftsprogramm der Wiener SozialdemokratInnen für ein weltoffenes, modernes, soziales und demokratisches Wien“ sowie bei den „100 Projekten für die Zukunft Wiens“ wird angekündigt, daß „Hilfe durch persönliche Assistenz ersetzt werden soll“. Bereits vorher haben Sie in einer richtungsweisenden Beantwortung eines Antrages erwähnt, daß Sie Persönliche Assistenz für eine „Betreuungsform mit Zukunft“ halten.
- Wie beurteilen Sie die Ergebnisse des Berichtes, an dem auch die MA 12 mitgearbeitet hat?
- Wann wird das von Ihnen in der Sitzung der Interessensvertretung am 24. Juni 2002 zugesicherte Sonderbudget für ein Pilotprojekt Persönliche Assistenz beschlossen werden?
- Wird das im Jahr 2001 in den „100 Projekten“ formulierte Ziel heuer – im Jahr der Menschen mit Behinderungen – realisiert werden?
Am 31. März 2003 erhielten wir darauf diese Antworten, die wir leicht gekürzt haben:
Die Antworten:
- Zunächst einmal bedanke ich mich für das Engagement aller Beteiligten bei der geleisteten Arbeit des Arbeitskreises „Persönliche Assistenz“. Die inhaltliche Auseinandersetzung mit neuen, zukunftsorientierten Formen in der Betreuung behinderter Menschen ist ein wichtiger, wenngleich aufwendiger Teil in der Entwicklung einer innovativen, modernen Behindertenpolitik. Daher freue ich mich, dass nun ein erstes Ergebnis zur „Persönlichen Assistenz“ vorliegt.
- Es ist die undankbare Aufgabe von Politik und Verwaltung die berechtigten Interessen des Einzelnen, alle Leistungen in auf seine Person möglichst zugeschnittener Form zu erhalten, gegen die Möglichkeiten, die eine sehr begrenzte Menge an Ressourcen gestattet, abzuwägen. Leider haben wir auf Grund der budgetären Bedingungen derzeit dafür einen sehr engen Rahmen und müssen daher – bei aller Offenheit für neue Entwicklungen – auch in Zukunft bei der Versorgung behinderter Menschen noch oft auf die bereits vorhandenen, bisherigen Strukturen, dazu gehören auch Angebote im stationären Bereich, zurückgreifen.
- Das Projekt „persönliche Assistenz“ hat das Ziel, mit sehr individuellen, ausschließlich am einzelnen Menschen orientierten Lösungen, den betroffenen Menschen adäquate Wege zu mehr Selbstbestimmung in ihrer Lebensbewältigung zu eröffnen. Eine optimale Umsetzung erfordert von allen Beteiligten sehr viel Planung und ist sehr zeitintensiv. Einen exakten Zeitpunkt für den Beginn kann ich daher leider noch nicht sagen.
Warum waren wir alle über diese Antworten unendlich enttäuscht und vor den Kopf gestoßen?
Außer diesem Interview gibt es immer noch keine offizielle Stellungnahme der Stadt Wien zum Bericht „Rahmenbedingungen für Persönliche Assistenz“.
Weil es in der Vergangenheit Äußerungen von Vizebürgermeisterin Laska und Ihrer Partei sowie von Bürgermeister Dr. Michael Häupl (SPÖ) gegeben hat, die Grund für die Annahme geboten haben, daß es in Kürze Mittel für den Start eines „Pilotprojektes Persönliche Assistenz“ geben wird:
- Die bereits oben erwähnte Zusage vom vergangenen Jahr eines Sonderbudgets für das Pilotprojekt wurde nicht realisiert.
- Die Ankündigung im „Zukunftsprogramm der Wiener SPÖ, daß „Hilfe durch persönliche Assistenz ersetzt werden soll“ wurde auch nicht realisiert.
- Die von Bürgermeister Häupl im Jahre 1996 getätigte Zusage, sich gegen Heimeinweisungen einsetzen zu wollen, entspricht nach wie vor nicht der Realität.
Jetzt will Vizebürgermeisterin Laska von den Ankündigungen nichts mehr wissen, verschanzt sich hinter angeblich knappen Ressourcen und redet Heimeinweisungen weiter das Wort, indem sie die Dinge so darstellt, als wäre eine Heimunterbringung immer die kostengünstigere Möglichkeit.
Seit dem vergangenen Jahr haben schon einige schwerbehinderte Menschen an die Vizebürgermeisterin geschrieben und sie ersucht, ihnen ausreichende Mittel zur Finanzierung von Persönlicher Assistenz zur Verfügung zu stellen.
Fast alle diese Schreiben sind bis heute unerledigt geblieben. Dabei handelt es sich durchwegs um behinderte Menschen, die von einer Heimeinweisung akut bedroht sind, wenn sie keine nachhaltige Finanzierung ihrer Persönlichen Assistenz durch die Öffentliche Hand erhalten.
Geld fürs Heim „Ja“,
Geld für Persönliche Assistenz „Nein“
Das Perverse an der Sache aber ist: die Stadt Wien ist zwar bereit, 3.000 Euro und mehr Monat für Monat für einen Platz in einer Institution zu bezahlen aber nicht, denselben Betrag gegen Nachweis einem schwerbehinderten Menschen zur Finanzierung seiner Persönlichen Assistenz zur Verfügung zu stellen.
Es muß einmal mehr festgehalten werden: In Institutionen wie z.B. in Pflegeheimen sind Diskriminierungen an der Tagesordnung, werden unsere Menschenrechte laufend verletzt. Die Zustände verstoßen gegen das Benachteiligungsverbot in Artikel 7 B-VG und sie verstoßen auch gegen das Gebot der Gleichbehandlung von behinderten Menschen im selben Artikel der österreichischen Bundesverfassung.
VertreterInnen der Stadt Wien reden zwar über Selbstbestimmung in ihren Sonntagsreden, die Stadt fördert aber die Fremdbestimmung, die Unmündigkeit und ein Leben in Unfreiheit und das meist unter entwürdigenden Rahmenbedingungen.
Das vorgeschobene Kostenargument entlarvt sich als Scheinargument, wenn man weiß, daß Wien eine der reichsten EU-Regionen ist (von mehr als 200 Regionen steht unsere Stadt an 5. Stelle!) und daß Österreich zu den zehn reichsten Ländern der Erde zählt!
Endlich Geld für Persönliche Assistenz!
Es darf nicht länger hingenommen werden, daß in Wien behinderte Menschen gegen ihren Willen ins Heim abgeschoben werden, weil man Ihnen kein Geld für Persönliche Assistenz geben will. Weiters drängt sich die Frage auf, was das Wort unseres Bürgermeisters wert ist.
Aber die Stadt Wien hat ja noch ein wenig Zeit, um im „Europäischen Jahr der Menschen mit Behinderungen“ das gegebene Versprechen einzuhalten.