Gemeinde und Stadtteil als Ressourcenpool für die Integration von Jugendlichen mit Behinderung in die Arbeitswelt
Die Begleitung und Unterstützung von Jugendlichen mit Behinderung in der Übergangsphase von der (integrativen) Schule in die Berufswelt stößt zunehmend auf öffentliches / arbeitsmarktpolitisches Interesse und gleichzeitig auf zunehmende Schwierigkeiten. Deren Bewältigung macht eine fachlich und ethisch gesamtheitliche Sichtweise von Behinderung und Integration erforderlich.
Das starke Ansteigen der Zahl von SchülerInnen mit sonderpädagogischem Förderbedarf (SPF) seit 1993, die in den letzten Jahren v.a. in Wien stark angewachsene Jugendarbeitslosigkeit insgesamt sowie teilweise traditionelle, sonderpädagogisch inspirierte Berufsvorbereitungs- und -qualifizierungsstrategien und -projekte, insbesondere aber die von den Fördergebern den jeweiligen Projekten vorgegebene Vermittlungsquote auf den ersten Arbeitsmarkt, stellen die sozial- und sonderpädagogischen AkteurInnen, aber auch die Angehörigen und die behinderten Jugendlichen selbst unter einen Leistungs- und Anpassungsdruck, der die individuelle, lebensphasenentsprechende Förderung v.a. geistig und mehrfachbehinderter Jugendlicher zeitintensiv und wenig ergebnisorientiert erscheinen lässt.
Mit dem Recht auf volle gesellschaftliche Teilhabe aller Menschen mit Behinderung in allen Lebensphasen und Lebensbereichen (ungeteilte Integration) ist aber auch das „Recht auf Anderssein“ verbunden. D.h., die Wahlfreiheit, nach abgeschlossener Schullaufbahn aus einer Vielfalt weiterführender Entwicklungsangebote neigungs- und persönlichkeitsentsprechende Integrationspfade einzuschlagen, die nicht immer gradlinig und zeitgerecht in ein Anstellungsverhältnis am ersten Arbeitsmarkt führen müssen.
Die in Wien bekanntermaßen zunehmende Konkurrenz von Berufsvorbereitungs- und -integrationsprojekten angesichts einer nicht breiter werdenden Angebotspalette von gesellschaftlich anerkannten Erwerbsmöglichkeiten lässt die Frage zu, ob und in welche Richtung in den nächsten Jahren die berufliche Integration (nicht nur) von Jugendlichen mit Behinderung zielführend sein kann, ohne den Anpassungs- und Selektionsdruck des „Mainstreamings“ weiter zu verschärfen.
Erfahrungen des Referenten im Rahmen der wissenschaftlichen Begleitung und Evaluierung von Berufsvorbereitungsmaßnahmen lassen zumindest für den großstädtischen Raum Wien folgende Schlussfolgerung zu:
Die weiterführende Integration in die nachschulische Lebenswelt erfordert schon bei der Zielformulierung von Fördermaßnahmen und -projekten eine transdisziplinäre/mehrfachliche und organisationenübergreifende Zusammenarbeit unter Berücksichtigung der Expertenschaft der Angehörigen und der betroffenen Jugendlichen. Daraus kann mehr Innovation, Empowerment und schließlich auch Nachhaltigkeit der Fördermaßnahmen erwartet werden.
Angesichts des steigenden Handlungsbedarfes und der vermehrt eingeforderten Kostenneutralität sollten die dzt. Fördergeber die Trägerorganisationen der Kursangebote deutlich ermutigen, zusätzlich weitere institutionelle, finanzielle und personelle Ressourcen zu erschließen. Diese lassen sich günstigerweise im sozial-räumlichen Umfeld der Projekte und/oder der Jugendlichen entdecken und aktivieren (Synergieeffekte durch soziale Clusterbildung).
Eine sozial-räumlich aktivierende Stadtteilarbeit kann ein Mehr an Ideen für „alternative“ Tätigkeits- und Erwerbsfelder sowie z.T. zeitbefristete Bündnisse mit Betrieben, Vereinen, sozialen Netzwerken usw. erbringen. D.h. es könnten Bevölkerungskreise angesprochen werden, die bisher (noch) nicht mit der Tatsache und den lebenslangen Folgen sozialer Benachteiligung und Behinderung konfrontiert waren.
Gemeint ist damit keineswegs ein Abschieben der gesellschaftlichen Verantwortung auf ehrenamtliche (freiwillige) Unterstützungssysteme, sondern ein Zugewinn an integrationsbezogenen Stadtteilressourcen und eine soziale Sensibilisierung der Wohnbevölkerung insgesamt (Int. Jahr der Menschen mit Behinderung 2003!). Diese sollten über einen permanenten zyklischen Selbst- und Mitbestimmungsdiskurs im Stadtteil in Hinblick auf Qualitätssicherung und -weiterentwicklung auch wissenschaftlich moderiert werden.
Ziel wäre dabei, die Etablierung einer „Private-Public-Partnership“ (sozialer Ressourcenpool), in der sich lokale Initiativen „bottom up“ mit öffentlichen Maßnahmen „top down“ im Sinne einer lebenslagenbezogenen Sozialhilfe-Raumordnung vernetzen, in der auch die Interessen von sozial benachteiligten und behinderten Jugendlichen und deren Angehörigen sozial-kompensatorisch ihre Vertretung finden.
Integrationspädagogische Leitsätze und Handlungprinzipien
International anerkannte Leitprinzipien integrativer Behindertenarbeit und -pädagigik sind:
- Prinzip der Menschenrechte
- Prinzip der lebenslangen Lern- und Entwicklungsfähigkeit
- Normalisierungsprinzip
Als wesentlicher Grundsatz für die einzelnen Handlungsschritte gilt das Prinzip des selbstbestimmten Lebens und der vollen gesellschaftlichen Teilhabe in allen Lebensbereichen und Lebensphasen. Berufliche und soziale Integration wird somit als unteilbar für Menschen gleich welcher Behinderung verstanden. Für die Übergansphase von der Schule in die Berufswelt sind folgende Prinzipien zu berücksichtigen:
- Existenzgründung und Eigenständigkeit
- Partizipation
- Innovation
- Nachhaltigkeit und Effektivität
- Gender Mainstreaming und Informations- sowie Kommunikationstechnologie (IKT)
- Empowerment
- Betriebsnahe Qualifikation – Sensibilisierung für sozial Schwächere
- Schnittstellen im Gemeinwesen
- Netzwerkarbeit in Kleinregionen, Multiprofessionalität und Effizienz
- Lernendes System