Rechte statt Almosen

Ist die Inklusion behinderter Menschen trotz Sparmaßnahmen überhaupt möglich?

Bilderklärung Exklusion, Separation, Integration, Inklusion
Wikipedia

1993 wurde in Österreich das Pflegegeld eingeführt, damit auch behinderte Menschen ein Leben mit mehr Selbstbestimmung führen können. Seither hat es mindestens 25 % an Wert verloren, da nur sporadisch Wertanpassungen durchgeführt wurden.

Chronologie der österreichischen Behindertenpolitik

Schon seit 1997 ist in Artikel 7 der österreichischen Bundesverfassung ein Benachteiligungsverbot behinderter Menschen verankert, wobei Bund, Länder und Gemeinden in die Pflicht genommen wurden, dieses Staatsziel umgehend umzusetzen.

2005 ist das Bundesbehindertengleichstellungsgesetz beschlossen worden, wobei die ursprüngliche Fristsetzung, alle in Bundeskompetenz befindlichen Einrichtungen barrierefrei zugänglich zu machen, auf 10 Jahre (bis Ende 2015) festgelegt wurde. Diese Frist hat sich der Bund im Rahmen des Sparpakets teilweise bis 2020 verlängert.

Österreich hat 2008 die UN-Behindertenrechtskonvention unterschrieben. 2010 wurden drastische Kürzungen im Behindertenbereich von der Bundesregierung beschlossen. 2012 sind weitere Einsparungen im Behindertenbereich zu befürchten.

Behindertenpolitik darf kein Gnadenakt sein

Behinderte Menschen werden oft dazu verwendet Mitleid zu erwecken, Spenden zu lukrieren, wobei Mitleid ja eine positive Eigenschaft von Menschen ist. Dadurch entsteht das Klischee der armen behinderten Menschen, für die man Spenden sammeln muss, Betroffene werden zu „Bittstellern“ degradiert.

Offensichtlich entzieht sich der Staat immer mehr seiner Verantwortung gegenüber dieser benachteiligten Bevölkerungsschicht, da durch halbstaatliche Spendenaktionen wie die ORF Aktion „Licht ins Dunkel“ einzelne Projekte zwar gefördert werden, die jedoch sowieso in die Zuständigkeit des Staates fallen würden.

Spenden sammeln ist immer mehr ein „Geschäft“ geworden und die Veröffentlichung vor allem der Großspender sind kalkulierte, günstige Werbeaktionen und dienen gleichzeitig als Ausreden, wenn z.B. barrierefreie Umbauten nicht getätigt wurden, mit dem Einheitssatz: „Wir spenden ja eh für Licht ins Dunkel“. Es ist „Glücksache“, welche Förderungen man als Betroffener bekommt, da oft kein Rechtsanspruch auf behindertenbedingte Maßnahmen des Staates bestehen. Im Gegenteil: Leistungen, auf die ohnedies Rechtsansprüche bestehen, werden durch Umstrukturierungsmaßnahmen im Zuständigkeitsbereich, Umformulierungen von Definitionen, zu freiwilligen Leistungen abgewertet.

Es ist somit seit längerem eine Privatisierung von Teilbereichen der Sozial- und Behindertenpolitik festzustellen. Auch die Wiedereinführung von Pflegeregressforderungen an Angehörige in einzelnen Bundesländern von einzufordern, stellt ein Armutszeugnis der österreichischen Sozialpolitik dar. Und das in einem der reichsten Länder weltweit.

Rechte statt Almosen – derzeitige Gesetzeslage ist unzureichend

Seit 2006 ist das Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz in Kraft. Damit wurde zwar ein Gesetz geschaffen, durch das Diskriminierungen beseitigt werden sollten, doch die Praxis zeigt, dass ein Gesetz ohne wirksame Sanktionen für die Betroffenen nicht wirklich zielführend ist.

Die rechtliche Situation sieht momentan so aus, dass wegen jeder gesetzwidrigen Diskriminierung – z.B. einer nicht gebauten Behindertenrampe – ein langwieriges Schlichtungsverfahren geführt bzw. geklagt werden müsste, da diese Thematik von den zuständigen Stellen (z.B. Bewilligungen von Behörden) nicht wirklich ernst genommen wird.

Zunächst muss eine Schlichtung durchgeführt und bei Nichteinigung geklagt werden. Bei Verurteilung des Beklagten, wird dem Kläger zwar ein Schadenersatz von max. 1000 Euro zuerkannt, der Diskriminierungsgrund – z.B. mangelnde Barrierefreiheit – muss nicht beseitigt werden. Es wurde zwar eine Evaluierung dieses zahnlosen Gesetzes in Aussicht gestellt, diese wurde augenscheinlich jedoch aus Kostengründen noch nicht durchgeführt.

Seit Jahrzehnten werden immer wieder bewusstseinsbildende Maßnahmen gesetzt, doch die Realität hat gezeigt, dass Freiwilligkeit nicht den gewünschten Erfolg für diese Bevölkerungsgruppe bringt, da diese Maßnahmen nicht nur Geld kosten, sondern auch vom Gesetzgeber nicht wirklich ernst genommen werden.

Ist Inklusion trotz Sparmaßnahmen überhaupt möglich?

Inklusion kostet zwar Geld, jedoch könnte der finanzielle Aufwand durch effiziente gesetzliche Rahmenbedingungen minimiert werden. Die Frage ist nur, will die Politik behinderte und alte Menschen überhaupt in unsere Fun- und Spaßgesellschaft inkludiert sehen? Will unsere Gesellschaft dauerhaft mit Behinderung konfrontiert werden und die Politik sowohl die dafür notwendigen finanziellen als auch die gesetzlichen Rahmenbedingungen schaffen? Die momentan agierenden Verantwortungsträger lassen dies nicht vermuten.

Die Beseitigung der Diskriminierung durch gesetzliche Bestimmungen mit spürbaren Sanktionen und Geldstrafen, z.B. ein verpflichtender barrierefreier Umbau, wenn die vorgegeben Rahmenbedingungen nicht eingehalten werden, ist zwingend erforderlich.

Dazu gehört aber auch die Zusammenarbeit mit betroffenen Experten, statt nicht zielführender Alibimaßnahmen, die außerdem unverhältnismäßig viel Geld kosten. Allein dieser kleine Teilbereich bildet die Grundvoraussetzung für eine effiziente Inklusion von Menschen mit Behinderung.

Vorreiter für die Inklusion behinderter Menschen

Skandinavische Länder (z.B. Schweden, Norwegen), aber auch die USA, Kanada u.a. sind in Puncto Integration, Inklusion, Barrierefreiheit, auch was die durchsetzbaren Rechte von Menschen mit Behinderung betrifft, viel fortschrittlicher als Österreich, da sie auch eine bessere Rechtssicherheit bieten. Auch die Gesellschaft in diesen Staaten ist für diese Bevölkerungsgruppe mehr sensibilisiert.

Menschenrechte und UN-Konvention sind umzusetzen, denn auch behinderte Menschen haben ein Recht auf gleichberechtigte Teilhabe am öffentlichen Leben.

Hier beginnt der Werbebereich Hier endet der Werbebereich
Hier beginnt der Werbebereich Hier endet der Werbebereich