Das Reiz-Thema "Sexualität und Behinderung - ein ExpertInnengespräch" lockte viele Interessenten. Die Anwesenden waren sich einig: Sexualbegleitung als Wahlmöglichkeit muss auch in Vorarlberg allen Menschen zur Verfügung stehen.

„Das würde viele Tabus lösen“, erklärt Projektkoordinator Reinhard Zischg von Reiz-Selbstbestimmt Leben. „Es bedeutet viel Aufklärungsarbeit und Geduld, denn dazu müssen die gesetzlichen Rahmenbedingungen angepasst werden“, so Zischg weiter. Reiz iniziierte die Bildung einer Arbeitsgruppe „Sexualbegleitung für Vorarlberg“ mit StudentInnen und VertreterInnen einiger wichtiger Vorarlberger Institutionen aus dem Sozialbereich.
Mehrmals mussten Stühle geholt werden, damit alle TeilnehmerInnen bei der Veranstaltung am 11. März 2010 in Dornbirn einen Sitzplatz bekamen, bevor die beiden ExpertInnen in Sachen Sexualität und Behinderung bei Reiz – Selbstbestimmmt Leben, Angela Kreil und Andreas Guth, die Veranstaltung eröffnen konnten.
Eine Präsentation über verschiedenste erotische Empfindungen untermalt mit erotischen Bildern von Menschen mit Behinderung zeigte, dass Sexualität ein Thema für alle Menschen ist – nicht nur für perfekte, erfolgreiche, oder sogenannte normale.
„Schlechte Erfahrungen mit herkömmlichen Partnervermittlungen führten zur Einrichtung einer eigenen Plattform für Menschen mit Lernschwierigkeiten zur Knüpfung von Freundschaften und Kontakten – dem Pfefferoni“, berichtete Michael Müller vom Institut für Sozialdienste (IfS). Dabei zeigte er auch die Grenzen von Pfefferoni auf: „Wir bieten Raum für Gespräche und Begegnungen, für Liebe und Freundschaft. Wer konkret auf Partnersuche gehen will, hat die ‚Schatzkiste Bodensee‘ zur Verfügung.“
Lester Soyza vom Verein Füranand verwaltet die Termine und betreut die Schatzkiste. „Wir machen Interviews, pflegen die KundInnenkartei und organisieren Treffen. Menschen ohne Behinderung werden nicht aufgenommen. Wir haben da schlechte Erfahrungen gemacht, denn Beziehung bedeutet für beide etwas ganz anderes“, berichtet Soyza.
Bei den Treffen werden die Betroffenen auch begleitet – es gibt jedoch keine Sexualbegleitung. Lester Soyza besteht darauf, dass er Treffen nur mit Menschen mit Behinderung ausmacht, nicht mit Betreuern, denn „die betroffene Person muss wollen und das auch selbst sagen können. Jeder kann sich ausdrücken“, so Soyza.
Als weiterer Programmpunkt stellte Frederick seine Körper-Arbeit vor. „Absichtslose Berührung hautnah“ nennt er seine Arbeit. Er ist der Reisebegleiter auf einer sinnlichen Körperreise. „Dabei kann Lust und Freude entstehen, aber auch Wut und Trauer oder Geilheit“, berichtet Frederick. Er macht keine Trennung zwischen Menschen mit oder ohne Behinderung. Bevor es zu einem Treffen kommt, macht Frederick ein Vorgespräch zum Vertrauensaufbau, da es für ihn wichtig ist, dass die Schwingung passt. Frederick sieht sich als „Türöffner zur sinnlichen Wahrnehmung des Körpers“.
Den Standpunkt des Vereines Reiz führte Reinhard Zischg aus: „Sexualität bedeutet alles – vom einfachen Blickkontakt über die Berührung bis zum Orgasmus. Das ist jedoch laut Gesetzeslage in Vorarlberg nicht zulässig.“
Mitarbeiter von anderen Organisationen beschwerten sich auch darüber, dass sie keine Treffen mit SexualbegleiterInnen für Betroffene organisieren dürfen, da sie sonst wegen Kuppelei angezeigt werden könnten.
Um die Gesetzeslage den gesellschaftlichen Bedürfnissen anzupassen, hat sich eine Arbeitsgruppe gebildet, die die „Sexualbegleitung für Vorarlberg“ weiterentwickeln will. Interessenten, die dabei mitarbeiten wollen, bitte bei Reiz – Selbstbestimmt Leben melden.