Lebenshilfe zum OGH-Entscheid
Erstmals hat der Oberste Gerichtshof in Österreich die Geburt eines behinderten Kindes als Grundlage für Ersatzansprüche gewertet. Lebenshilfe-Präsident Heinz Fischer: „Die Richter nutzten eine juristische Finte, um nicht das behinderte Kind selbst als Schaden bezeichnen zu müssen. Freisprechen von diskriminierender Gesinnung kann die Lebenshilfe diese Richter jedenfalls nicht.“ Die Ärztekammer, so Fischer, sei für ihre Äußerungen zu loben, die fristenlose Straffreiheit der Abtreibung bei Behinderung neu zu überdenken.
Die Vorgeschichte: eine 35jährige Frau brachte einen Sohn zu Welt, der trotz anderslautender Ultraschalldiagnosen ohne Arme zur Welt gekommen war. Sie klagte die Spitalserhalter auf finanzielle Abgeltung des Aufwandes, der für den Sohn notwendig sei. Ihre Begründung: Hätte sie von der Behinderung des Kindes gewußt, hätte sie es abtreiben lassen.
In ähnlichen Fällen hatte der Oberste Gerichtshof bisher immer gegen Schadenersatzansprüche entschieden. „Offenbar muß ein Gesinnungswandel bei den Richtern stattgefunden haben“, so Fischer. „Juristisch raffiniert“ sei die Urteilsbegründung, meint Fischer, „wird doch in keinem Wort das Kind oder seine Behinderung als Schaden bezeichnet.“
Lediglich „Organisationsmängel“, „Unterlassung einer hinreichend gründlichen Analyse“ und „Verletzung der ärztlichen Aufklärungspflicht“ und in der Folge die fehlende Möglichkeit zur Therapie werden angeführt.
Für „besonders pikant“ hält Fischer den folgenden Satz der Urteilsbegründung: „Der Schaden sei primär dadurch eingetreten, daß eine Abtreibung unterblieben sei.“ Diese Abtreibung hätte völlig legal auch noch nach der letzte Ultraschalluntersuchung in der 28. Schwangerschaftswoche durchgeführt werden können.
Im Strafgesetzbuch Paragraph 97, Absatz 1, Ziffer 2 ist mit der Begründung „eugenische Indikation“ – die große Wahrscheinlichkeit einer Behinderung des Kindes – ein Schwangerschaftsabbruch jenseits der Fristenlösung bis in die allerletzten Tage der Schwangerschaft straffrei.
In diesem Punkt lobt die Lebenshilfe Österreich die Ärztekammer. Nach einem Bericht in der Tageszeitung „Die Presse“ erklärte die Vertretung der Ärzte: „Ethisch bedenklich und auch rechtspolitisch äußerst zu hinterfragen ist der Umstand, daß ein an und für sich lebensfähiges Kind vernichtet werden kann.“ Die Lebenshilfe hofft nun, in der Ärztekammer einen Bündnispartner zur Abschaffung der eugenischen Indikation im Strafgesetzbuch gefunden zu haben.