Appell an Schönborn: Neubeginn ermöglichen

„Ich muß als zuständiger Gesundheitspolitiker und im Sinne der fast 600 Patienten des Hauses der Barmherzigkeit (HdB) und deren Angehörigen eine rasche und umfassende Aufarbeitung der dortigen Geschehnisse verlangen, um dieser für Wien so wichtigen Einrichtung einen Neubeginn zu ermöglichen“, erklärte am Montag Wiens Gesundheitsstadtrat Dr. Sepp Rieder im Rahmen der Präsentation eines Berichtes der Magistratsabteilung 15 – Gesundheitswesen über die behaupteten Vorgänge und die daraus resultierende momentane Lage im Haus der Barmherzigkeit.
„So wenig man der Leitung des Hauses einen Persilschein ausstellen kann, so wenig sinnvoll kann gleichzeitig eine öffentliche >Vivisektion< des HdB ohne Rücksicht auf die Folgen für die Patienten und das Wiener Gesundheitswesen sein", betonte Rieder.
Es sei bedrückend, wie eine so traditionsreiche Institution in kurzer Zeit nicht nur Image, sondern auch Qualität einbüßt und die Katholische Kirche als Träger lange nichts dagegen unternommen habe.
Rieder: „Eine Aufarbeitung kann sich jedoch nicht darin erschöpfen, qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu kündigen oder ein Klima zu schaffen, in dem Mitarbeiter von sich aus ´das Handtuch werfen´ und dies in der Öffentlichkeit sogar als ´reinigenden Prozeß´ darzustellen.“
Er, Rieder, sei sich bewußt, wie heikel und letztlich auch beschränkt der Einfluß eines Politikers auf eine private Einrichtung sei. „Ich kann aber nicht tatenlos dabei zusehen, wie eine wichtige Institution von einem Image-Waterloo zum nächsten taumelt“, betonte Rieder.
„Deshalb finden sich im vorliegenden Bericht vor allem konkrete Unterstützungsangebote der Stadt Wien an den Träger des Hauses der Barmherzigkeit. Ich appelliere in diesem Zusammenhang an Kardinal Christoph Schönborn, im Sinne der Patientinnen und Patienten und deren Angehörigen von diesen Angeboten Gebrauch zu machen und dem Haus der Barmherzigkeit einen Neubeginn zu ermöglichen.
Entsprechende Signale dazu aus der Erzdiözese stimmen mich zuversichtlich. Die Zusage zur Schaffung einer eigenen Kommission durch die Erzdiözese werte ich als ersten Schritt in die richtige Richtung.“
Schlußfolgerungen und Empfehlungen des Berichtes
Die Untersuchungen der MA 15 im Haus der Barmherzigkeit erfolgten aufgrund der Paragraphen 60 bis 62 des Bundeskrankenanstaltengesetzes. Gegenstand der Untersuchung war nicht, eine strafrechtliche Beurteilung des behaupteten Vorfalles vorzunehmen.
Schlußfolgerungen:
- Es gibt derzeit keinen Hinweis auf einen weiteren, dem behaupteten sexuellen Mißbrauch entsprechenden Vorfall im Haus der Barmherzigkeit. Zum Zeitpunkt der Untersuchung lag auch kein Hinweis auf einen Mißstand in der Betreuung vor.
- Im Zuge des konkreten Vorfalls kam kein professionelles Konfliktmanagement zur Anwendung. Die Frage der Informationsweitergabe sowie der Sicherstellung entsprechender Betreuung für den betroffenen Behinderten und den Geistlichen wurde nur sehr mangelhaft gelöst.
- Es besteht die Gefahr, daß das schlechte Betriebsklima Einfluß auf die Arbeitsqualität der einzelnen Mitarbeiter und somit auf die Betreuung und Versorgung der Patienten nimmt. Offensichtlich besteht im HdB seit einigen Jahren ein konfliktgeladenes Betriebsklima, das sich im Zusammenhang mit der Kündigung des früheren ärztlichen Direktors vor ca. einem Jahr weiter verschlechtert hat.
- Es besteht keine Veranlassung, die Betriebsbewilligung für das HdB zurückzunehmen, die Krankenanstalt zu sperren oder die Genehmigung der Bestellung des ärztlichen Leiters nach Paragraph 12 (7) des Wiener Krankenanstaltengesetz zurückzunehmen.
- Es besteht keine Veranlassung, mangels Vertrauenswürdigkeit die Vertragsbeziehung zwischen Stadt Wien und dem Träger des HdB abzubrechen. Ein solcher Abbruch hätte zur Folge, daß die finanziellen Zuschüsse der Stadt Wien an die Patienten in Höhe von jährlich fast 180 Millionen Schilling eingestellt würden. Eine solche Maßnahme würde sich ausschließlich gegen die Patienten richten.
Empfehlungen:
- Die Einsetzung eines/r Personalmanager/in als Bindeglied zwischen Institutsleitung und Kollegialer Führung wird dem Rechtsträger dringend empfohlen.
- Externe, zur Verschwiegenheit verpflichtete und weisungsfreie Supervisoren für die Mitarbeiter des HdB. Der Wiener Krankenanstaltenverbund (KAV) würde dazu Ressourcen zur Verfügung stellen.
- Externe Coachingmaßnahmen mit Hilfe des KAV, um Lösungsansätze für Probleme in der Führungsebene zu finden.
- Fort- und Weiterbildungsveranstaltungen für den Pflege- und Therapiebereich – auf Wunsch ebenfalls mit Unterstützung des Wiener KAV
- Der Patientenanwalt sollte den Patientinnen und Patienten sowie deren Angehörigen vor Ort für Aussprachen zur Verfügung stehen.
- Die externe Erstellung einer Arbeitszufriedenheitsanalyse.