Die österreichische Bundesregierung grenzt Jugendliche mit Behinderung von schulischen und beruflichen Bildungsmöglichkeiten aus.
Wie sonst ist der Versuch des Bildungsministeriums erklärbar, einen fast wortidenten – im Vorjahr bereits im Parlament abgelehnten – Gesetzesentwurf, nun neuerlich zur Begutachtung vorzulegen. Nichtaussondernde (Aus-)Bildungsmöglichkeiten für Jugendliche mit sonderpädagogischem Förderbedarf nach dem 8. Pflichtschuljahr werden darin ausschließlich an der Polytechnischen Schule (PTS) ermöglicht.
Im Juni soll die Gesetzesvorlage in den Ministerrat um dann dem Unterrichtsausschuss zugewiesen zu werden. Um die unterschiedlichen (Aus-)Bildungsbedürfnisse von jungen Menschen mit Behinderung abzudecken, fordert Integration:Österreich die Schaffung guter gesetzlicher Rahmenbedingungen für integrativen Unterricht in allen Schultypen ab der 9. Schulstufe.
„Die Ermöglichung des integrativen Unterrichts nur an der PTS deckt das Spektrum der unterschiedlichen Bedürfnisse von jungen Menschen mit Behinderung nicht ab. Sie bewirkt auch deren pädagogisch unsinnige Konzentration an wenigen Schulen. Im Sinne der verfassungsrechtlich garantierten de facto-Gleichstellung, der bestmöglichen Qualifikation und Eingliederung am Arbeitsmarkt, sowie einer selbstbestimmten Lebensführung muss behinderten Jugendlichen die gleiche Vielfalt an Möglichkeiten wie nicht behinderten Jugendlichen gewährleistet werden“, begründet Maria Brandl von Integration:Österreich (I:Ö) diese Forderung.
Einem sofortigen Schulversuchsauftrag an allen Schulen auf der Sekundarstufe II, einschließlich PTS und Berufsschulen mit notwendiger Ressourcenausstattung, begleitender wissenschaftliche Konzeptberatung und Ergebnisevaluierung würde die Elterninitiative als vorübergehenden Kompromiss zustimmen.
In einer Umfrage vom Herbst 2001 an weiterbildenden, allgemeinbildenden und berufsbildenden mitteren und höheren Schulen, Berufs- sowie Fachschulen, zeigen diese durchaus Bereitschaft, sich der Herausforderung zu stellen, SchülerInnen mit Behinderung aufzunehmen – notwendige Ressourcen wie Team-Teaching, geringere KlassenschülerInnenzahl usw. vorausgesetzt. Auch die bisherigen teilweisen „wilden“ Schulversuche sind erfolgsversprechend.
Seitens SPÖ, Grüne und LIF wurde durchgängig Unterstützung für die Öffnung aller Schultypen signalisiert. Die ÖVP ließ zunächst durch ihren Bildungssprecher Amon ausrichten, keinerlei Bemühungen um die Integration nach der 9. Schulstufe zu unterstützen. Bei einem Arbeitsgespräch von I:Ö mit begutachtenden Stellen zeigten jedoch VertreterInnen ÖVP-naher Organisationen wie z. B. der Katholische Familienverband großes Interesse an Informationen über die praktische Umsetzung der Integration behinderter Jugendlicher an weiterführenden Schulen.
Wie weitere namhafte Organisationen, z. B. der Österreichische Verband der Elternvereine an den Pflichtschulen, die Wirtschaftskammer sowie die Arbeiterkammer, schließen sie sich in ihrer Stellungnahme den Forderungen von I:Ö an und halten Integration nur an der PTS für eine pädagogische und humane Provokation für alle Menschen mit Einschränkungen und deren Familien.
Die nächsten Wochen werden zeigen, ob Fr. BM Gehrer – wie im Vorjahr – sämtliche Einwände vom Österreichischen Städtebund bis zum Landesschulrat für Steiermark ignoriert und sich weiterhin anmaßt über (Aus-)Bildungswege von Jugendlichen mit Behinderung im Alleingang von oben herab zu entscheiden.