Salzburg kassiert weiterhin von Menschen mit Beeinträchtigungen

Senior*innen sind vom Vermögenseinsatz schon lange befreit. Ein Kommentar.

Norbert Krammer

Über die sehr ungenaue Ausführung des parlamentarischen Beschlusses zur Abschaffung des sogenannten „Pflegeregresses“ wurde in Medien und Fachkreisen viel diskutiert.

Für Senioreneinrichtungen gab es nach einigen Monaten bereits die notwendige Klärung. Seither ist das Sparbuch der Seniorenheim-Bewohner*innen vor dem Zugriff des Sozialamtes sicher. Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) beseitigte jüngst noch letzte Zweifel und stellte fest, dass sogar alte Forderungen nicht mehr zu begleichen sind.

Gleichstellung für Menschen mit Beeinträchtigungen notwendig

Menschen, die Pflege und Betreuung in stationären Einrichtungen in Anspruch nehmen, wurden vom Bundesgesetzgeber durch die Abschaffung des Pflegeregresses entlastet. Während sich dies in ganz Österreich bei den Senioreneinrichtungen sehr schnell durchgesetzt hat, blieb die Entlastung für Menschen mit Beeinträchtigungen weiterhin sehr uneinheitlich.

In einigen Bundesländern wurde schon bisher bei Leistungen im Bereich der „Behindertenhilfe“ auf den privaten Vermögenseinsatz verzichtet. Neben Wien, Niederösterreich, Burgenland, Tirol und der Steiermark schaffte auch Oberösterreich eine entsprechende landesgesetzliche Basis.

Eine gesetzliche Gleichstellung fehlt trotz Ankündigung noch in Kärnten. Doch erfreulicherweise wird der Vermögenseinsatz derzeit schon nicht mehr vollzogen. Die Änderung der Regelungen der Integrationshilfe in Vorarlberg, die Pfandrechte und den Einsatz von hohem Geldvermögen vorsieht, sollten bald umgesetzt werden.

Salzburg verschläft eine Klärung und kassiert weiter

Die Salzburger Landespolitik kündigte, wenn auch mit Verzögerung, im Frühjahr 2018 eine gesetzliche Reparatur an. Doch dann konzentrierten sich die Akteurinnen und Akteure auf die im März 2018 zu schlagende Landtagswahl, die für so kleine Probleme wie den ungerechtfertigten Vermögenseinsatz, keinen Platz ließ.

Nach der Wahl waren vorerst die Versprechen vergessen, denn es musste eine neue Koalition gefunden und der Landtag konstituiert werden. Doch obwohl das Sozialressort weiterhin vom Grünen Heinrich Schellhorn geleitet wird, gab es bisher nur Ankündigungen vom Landesrat bis zum Landeshauptmann.

Setzt die Landespolitik hier die richtigen Prioritäten, wenn Menschen mit Beeinträchtigungen weiterhin vorsätzlich finanziell benachteiligt werden?

Klärung durch VfGH wird Landespolitik anleiten müssen

Abseits der Ankündigungen stellte sich für einzelne Leistungsbezieher*innen in Salzburg bereits ab 2018 die Frage, ob der geforderte Vermögenseinsatz unwidersprochen hingenommen oder mittels Rechtsmittel bekämpft werden sollte. Denn solange die politische Umsetzung unerledigt bleibt, kann jeder Monat einer späteren Beschlussfassung durch den Landtag erhebliche finanzielle Nachteile bedeuten.

Wie zum Beispiel für Martin Berger, 54 Jahre. Er lebt seit über einem Jahrzehnt in einer betreuten Wohngemeinschaft für Menschen mit psychischen Erkrankungen. Er soll nun gemäß Sozialamt sein kleines Sparvermögen, das den Schonbetrag übersteigt, abliefern.

Herr Berger hatte bewusst sparsam gelebt, um gemeinsam mit dem gerichtlichen Erwachsenenvertreter eine mögliche Änderung der Wohn- und Betreuungsform vorzubereiten und für notwendige Anschaffungen anzusparen. Eine eigenständige Wohnung mit ambulanter Betreuung ist das langfristige Ziel.

Da der Vermögenseinsatz auch in der Fachliteratur als verfassungswidrig diskutiert wird, musste – wie in einer Reihe weiterer unzulässiger Kostenersatzaufforderungen – ein Rechtsmittel eingebracht werden, damit Martin Berger keine Nachteile erleidet. Leider folgte bis Herbst 2018 das zuständige Landesverwaltungsgericht (LVwG) der gut gewählten Argumentation noch nicht. So wurden sogar Beschwerden beim Höchstgericht notwendig, die noch nicht entschieden sind.

Bei einem weiteren Rechtsmittel an das LVwG Salzburg fasste dieses Gericht nach ausführlicher Prüfung den Beschluss, selbst beim VfGH einen Antrag einzubringen und dem Höchstgericht das Aufheben der gesetzlichen Regelung über die notwendige Vermögensverwertung im Salzburger Behindertengesetz zu empfehlen. Ein außergewöhnlich deutlicher Schritt.

Die Benachteiligung muss endlich beendet werden

Je länger die überfällige Beendigung des Vermögenseinsatzes auf sich warten lässt, umso mehr Menschen mit Beeinträchtigungen werden mit ungerechtfertigten Kostenersatz-Bescheiden konfrontiert.

Wenn sie dagegen kein Rechtsmittel einbringen, haben sie auch keine Chance auf eine Refundierung der zu Unrecht kassierten Beträge. Es wird Zeit, dass die Landespolitik endlich dieses unwürdige Verzögerungsschauspiel beendet und Menschen mit Beeinträchtigungen gleich behandelt!

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3 Kommentare

  • Muss sich noch einmal hier in Salzburg macht das klein, weil er/sie durch den Pflegeregress finanziell vernichtet wurde?

    Hatten wir hier schon einmal, dann war es eine Zeit lang besser. Aber die Lernfähigkeit ist dann leider sehr gering und die Gier groß!

    • Korrektur – es muss heißen:
      Muss sich noch einmal hier in Salzburg jemand umbringen, weil er/sie durch den Pflegeregress finanziell vernichtet wurde?

  • Diesem sehr bedauerlichen Fall des Herrn Berger werden wir natürlich nachgehen. Danke fürs Aufzeigen!
    Die aktuelle Lage ist so: die Vorbereitungen für einen Pflegeregreßstopp für Menschen mit Behinderungen sind auch in Salzburg im Laufen. Die Gesetztesänderung wird Mitte des Jahres rückwirkend mit Anfang Jänner 19 beschlossen. Es gibt jetzt schon eine Vollzugsanordnung, den Pflegeregreß bei Menschen mit Behinderungen auszusetzen.
    Was bei Herrn Berger konkret schiefgelaufen ist, werden wir herausfinden und wieder gut machen. Dass Menschen mit Behinderungen ein selbstbestimmtes Leben führen können ist uns wichtig. Der Pflegeregreßstopp gehört da selbstverständlich dazu!
    Kimbie Humer-Vogl
    Grüne Inklusionssprecherin Salzburg