Profil-Interview: Der Wiener Moraltheologe und Medizinethiker Günter Virt über ethische Grenzen der Biotechnologie und die Gefahren des Klonens. ...
profil: Für Sie sind die Zellen absolut unantastbar, auch wenn daraus bloß ein Stück Haut erzeugt wird, das ich einem kranken Menschen verpflanze?
Virt: Die Haut ist kein gutes Beispiel. Es geht nicht um Zellen, sondern um die Vernichtung von Embryonen. Der Punkt ist der, dass es hier zu einer Spaltung des Menschlichen kommt, wenn auch in der Frühphase des menschlichen Daseins. Die einen werden als Ersatzteillager hergestellt, und die anderen dürfen leben. Diese Spaltung geht an die Fundamente des Menschlichen, der gleichen Würde aller Menschen. Unsere Verfassung sagt, niemand darf aufgrund von Alter, Geschlecht, Rasse, Religion – und jetzt auch Behinderung – diskriminiert werden. Die Behinderung hat man ja erst relativ spät nachgeholt.
profil: Andererseits erlaubt es das österreichische Gesetz, einen schwer behinderten Fötus im Mutterleib zu töten.
Virt: Straffreiheit heißt noch lange nicht, dass etwas ethisch legitimiert ist. Die Gleichsetzung von Straffreiheit und ethischer Rechtfertigung ist eine falsche Bewusstseinsbildung. Denn das heißt doch im Klartext: Was, du hast schlechte Gene, weg mit dir! Und das ist eine Logik, die sich hier einschleicht, die ich nicht nur für falsch, sondern auch für gefährlich halte, und so haben wir es im österreichischen Strafgesetzbuch. Eine schleichende Eugenik.
profil: Andererseits ist in Österreich die Präimplantationsdiagnostik verboten, mit der sich bei der künstlichen Befruchtung die Übertragung einer Erbkrankheit ausschalten ließe.
Virt: Die Initiativen kommen von kleinen Gruppen, und ich verstehe das natürlich, dass jemand mit einer entsprechenden Familienanamnese das vorher wissen will. Aber die Herstellung eines Menschenlebens auf Probe ist ethisch nicht vertretbar, und die Präimplantationsdiagnose hat keinen anderen Zweck als eugenische Selektion.
profil: Aber Sie verstehen, dass Eltern, die auf anderem Weg kein Kind bekommen können .
Virt: Vorsicht! Die Präimplantationsdiagnostik wird ja auch von Eltern gewählt, die ganz normal Kinder bekommen können. Und es hat uns bei einem EU-Projekt ein Spitzenwissenschafter, der an der Herstellung des ersten Kindes aus der Retorte beteiligt war, klipp und klar gesagt, es ist ihm von Anfang an nicht darum gegangen, Frauen mithilfe dieser Technik eigene Kinder zu ermöglichen, sondern langfristig das genetische Design ihrer Kinder zu bestimmen. …