Schlichtung ist ein gutes, niederschwelliges Instrument gegen Diskriminierungen

Seit 10 Jahren gibt es nun die Möglichkeit, bei Diskriminierungen eine Schlichtung einzuleiten. Dieser Tage wurde die 2000. Schlichtung beim Sozialministeriumservice eingeleitet. BIZEPS führte dazu mit Dr. Günther Schuster, dem Leiter des Sozialministeriumservice, folgendes Interview.

Günther Schuster
Sozialministeriumservice

Seit Anfang 2006 gibt es das Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz und damit die Möglichkeit, bei Diskriminierungen Schlichtungen einzuleiten und so bei einem Gespräch im Sozialministeriumservice (früher hieß es Bundessozialamt) eine positive Lösung zu erwirken. Schlichtungen können bei Diskriminierungen im Arbeitsbereich (gemäß Behinderteneinstellungsgesetz – BEinstG) sowie im Bundesbereich bzw. mit Unternehmen (gemäß Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz – BGStG) geführt werden.

Eine Sammlung von Schlichtungen, die wir entweder begleitet haben oder über die uns Informationen von Schlichtungswerberinnen und Schlichtungsbewerbern zugeschickt wurden, findet man in der BIZEPS-Schlichtungsdatenbank. Man kann einen Einblick gewinnen, was mit Schlichtungen möglich ist.

Dieser Tage wurde die 2000. Schlichtung beim Sozialministeriumservice eingeleitet. Wie sich die eingeleiteten Schlichtungen im Laufe der Jahre verteilen, zeigt diese Statistik aus den Daten des Sozialministeriumservice.

 

Statistik Schlichtungen BGStG/BEinstG: 2006: 41/89, 2007: 55/74, 2008: 85/96, 2009: 84/102, 2010: 111/86, 2011: 138/66, 2012: 153/97, 2013: 106/112, 2014: 114/113, 2015: 85/92
Sozialministeriumservice / BIZEPS

Interview mit Dr. Günther Schuster, Leiter des Sozialministeriumservice

BIZEPS: Nun gibt es seit mehr als 10 Jahren die Möglichkeit der Schlichtungen und es wurden 2.000 Schlichtungen eingeleitet. Wie lautet Ihr persönliches Resümee bzw. das Resümee des Sozialministeriumservices?

Dr. Günther Schuster: Die Möglichkeit, beim Sozialministeriumservice ein Schlichtungsgespräch zu beantragen, stellt für Betroffene ein gutes niederschwelliges Instrument gegen Diskriminierungen sowohl in der Arbeitswelt als auch im täglichen Leben dar.

Durch die Möglichkeit der Schlichtungsverfahren kommt es auch in der Bevölkerung und in der öffentlichen Verwaltung zu einer Sensibilisierung bezüglich der Behindertengleichstellung.

 

BIZEPS: Laut Statistik sind rund die Hälfte der Schlichtungen erfolgreich. Wie bewerten Sie das?

Dr. Günther Schuster: Das Sozialministeriumservice ist ja für einen „geordneten Ablauf des Schlichtungsverfahrens“ zuständig und hat in diesem Fall als neutrale Behörde keinerlei Einfluss auf den Ausgang eines Schlichtungsgespräches sondern leitet nur das Gespräch.

Es ist insgesamt sehr erfreulich, wenn etwa die Hälfte der Schlichtungen mit einem für beide Seiten zufriedenstellenden Ergebnis endet. Dort, wo es bei Verfahren keine Einigung gibt, handelt es sich oftmals um sehr komplexe Fälle, die keiner unmittelbaren sondern nur längerfristigen Lösung zugeführt werden können.

 

BIZEPS: Es gibt einen deutlichen Unterschied in der Nutzung von Schlichtungen im Bundesländervergleich sowie ein West-Ostgefälle. Welche Ursachen könnte das haben?

Dr. Günther Schuster: Es wird einerseits daran liegen, dass in einzelnen Bundesländern die Selbstvertretungseinrichtungen stärker vertreten sind und damit auch die Sensibilisierung der Betroffenen ausgeprägter vorhanden ist. Ein weiterer Grund ist sicherlich, dass im urbanen Bereich eher die Bereitschaft besteht, ein Schlichtungsverfahren anzustreben, als im ländlichen Bereich, wo jede/r jede/n kennt und die Befassung einer Behörde mit diesen Anliegen weniger Akzeptanz hat.

 

BIZEPS: Laut Behindertengleichstellungsgesetz werden nicht nur behinderte Personen sondern auch Personen auf Grund ihres Naheverhältnisses zu einer behinderten Person geschützt. Obwohl dies mit Abstand die größte Personengruppe wäre, gibt es von diesen Personen kaum Schlichtungen? Warum ist das so? Wie könnte man das Ihrer Meinung nach ändern?

Dr. Günther Schuster: Natürlich könnte man Angehörige von Menschen mit Behinderung noch stärker über ihre Rechte informieren. Ich glaube aber, dass es einfach daran liegt, dass Diskriminierungen selten nur bei Angehörigen vorkommen, sondern immer auch indirekt den Menschen mit Behinderung betreffen und daher auch direkt vom Betroffenen und nur ganz selten von nahestehenden Personen eingebracht werden.

 

BIZEPS: Bisher gab es bei 2.000 Schlichtungen nur eine Hand voll von Organisationen (die nach einem Scheitern eine Verbandsklage führen könnten).

Dr. Günther Schuster: Die Schlichtung ist an sich ein sehr personenzentriertes Instrument und daher ist auch die unmittelbare Beteiligung von Organisationen sehr gering. Die Verbandsklage ist dann nochmals an zusätzliche Voraussetzungen gebunden und hat daher bisher wenig Relevanz erhalten.

 

BIZEPS: Wie schätzen Sie die Entwicklung von Schlichtungen in den nächsten Jahren ein? Hat das Ablaufen der Übergangsfristen einen Einfluss auf die Anzahl der Schlichtungen? 

Dr. Günther Schuster: Die Anzahl der Schlichtungsanträge im ersten Quartal 2016 zeigt bereits einen leichten Anstieg der eingebrachten Schlichtungsanträge gegenüber den Vorjahren. Es ist daher davon auszugehen, dass nach dem Auslaufen der Übergangsregelungen zukünftig das Instrumentarium der Schlichtung verstärkt in Anspruch genommen werden wird.

BIZEPS: Vielen Dank für das Interview.

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