- SchlichtungswerberIn: Max Muster
- Unterstützt von: Martin Ladstätter
- Schlichtungspartner: Austrian Airlines AG
- Zeitraum: 16. Jänner 2008 bis 12. Jänner 2009
- Bundesland: Wien
- Gesetzesgrundlage: BGStG
- Einigung: Ja
Schlichtungsantrag
Ich benütze einen Rollstuhl und fühle mich vom Schlichtungspartner diskriminiert. Ich bin für eine international agierende Organisation tätig und daher aus beruflichen Gründen Vielflieger. Die Diskriminierungen sind im Konkreten:
1. Ärztliches Formular
Da ich beruflich sehr viel reise (ca. 2-3 Flüge pro Monat), ist es für mich unzumutbar, jedes Mal vor Flugantritt zum Hausarzt zu gehen, weil von mir ein MEDIF-Formular verlangt wird. Es ist ein unnötiger Aufwand, der meine Arbeit erschwert und manchmal sogar einschränkt. Zum Beispiel hatte ich öfters Probleme, wenn ich vom Ausland einen Flug buchen wollte, da ich dieses Formular nicht ausfüllen konnte.
Es ist auch schon vorgefallen, dass sich der Flugpreis erhöht hat (in einem konkreten Fall von 245 auf 270 Euro, da es 10 Arbeitstage gedauert hat), bevor ich dieses Formular ausfüllen konnte. Ironischerweise war das für einen Flug auf Einladung der Europäischen Kommission, um an der Veranstaltung zum Europäischen Tag für Menschen mit Behinderung teilzunehmen. Für mich war diese ungleiche Behandlung eine klare Benachteiligung als Fluggast. Weiters entsteht manches Mal auch ein finanzieller Schaden.
Neben dem erhöhten Aufwand und der Benachteiligung, ist es für mich auch eine Frage des Datenschutzes. Dieses Formular beinhaltet persönliche Daten wie Diagnose und es ist für mich unklar, wer es einsehen kann. Zum Beispiel wird dieses Formular von der Fluglinie über das Reisebüro eingeholt, sodass die Reisebüros Zugang zu diesen Informationen bekommen.
Das Formular landet auch nicht direkt bei der medizinischen Abteilung der Fluglinie, sondern geht zuerst über die Buchungsabteilung, die dann ebenfalls Zugang bekommt. Schlimmer noch: Oft werde ich beim Check-in nach meiner Diagnose gefragt, was ich äußerst empörend finde, da diese Personen nicht der ärztlichen Geheimhaltungspflicht unterliegen.
2. Sitzplatzauswahl
Als Rollstuhlfahrer werden mir die Sitzplätze fix vorgegeben. Meistens sind diese Plätze sehr weit hinten im Flugzeug, was das Ein- und Aussteigen erschwert. Es wird auch nicht unterschieden, ob ich ein Vielflieger bin oder nicht, sodass die Vorteile vom Vielfliegerprogramm für mich als behinderten Fluggast effektiv nicht gelten. Dies empfinde ich als Diskriminierung.
Es wird auch darauf bestanden, dass Fluggäste mit Behinderung immer am Gangplatz sitzen. Da ich aber als Rollstuhlfahrer nicht aufstehen kann, um Platz für die anderen Fluggäste zu machen, müssen diese über mich klettern, um zu ihrem Sitzplatz zu gelangen. In vielen Fällen waren die anderen Fluggäste Senioren oder sogar selbst behindert, was für eine äußerst ungünstige Situation gesorgt hat. Auch wenn die Fluggäste sehr sportlich sind, ist es, zum Beispiel bei einem Langstreckenflug, nicht besonders angenehm, jedes Mal geweckt zu werden, wenn die Anderen zum Waschraum gelangen wollen.
Abgesehen von Komfort und Würde als Fluggast, ist es auch physikalisch eine Erschwernis für mich, mehrere Stunden gerade am Gangplatz sitzen zu müssen. Am Fensterplatz kann ich mich jedoch besser anlehnen und somit die Muskulatur entlasten. Bedingt durch meine hochgradige Behinderung, ist es für mich wesentlich angenehmer, an einem Fensterplatz zu sitzen als am Gangplatz, insbesonders für längere Flüge. Das ist jedoch oft keine Option für mich ohne besonderen Grund.
Da es aber für andere Fluggäste mit Behinderung umgekehrt sein kann (zum Beispiel, um selbst leichter zum Waschraum zu gelangen), glaube ich dass fixe Sitzplätze nicht sinnvoll sind. Wahrscheinlich haben daher manche Fluglinien keine solche Einschränkung. Im Gegenteil, Fluggäste mit Behinderung werden systematisch nach vorne verlegt, sodass sie leichter ein- und aussteigen können. Es steht ihnen frei, ob sie am Fenster- oder lieber am Gangplatz sitzen wollen (oder müssen). Diese Maßnahmen verbessern die Barrierefreiheit im Flugverkehr und sorgen für einen würdevollen Umgang mit behinderten Fluggästen.
Aus diesen Gründen fühle ich mich von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie dem Unternehmen an sich diskriminiert.
Schlichtungsvereinbarung
Zwischen den Schlichtungspartnern wird folgende Vereinbarung getroffen:
- Von Passagieren, die seit Geburt, durch einen Unfall (nicht akut) oder durch chronische Krankheit in ihrer Mobilität eingeschränkt und auf einen Rollstuhl angewiesen sind, wird innerhalb der gesamten Austrian Airlines Gruppe kein INCAD-Formular verlangt. Diese Information findet sich ab Ende November auch im Internet.
- Passagiere mit eingeschränkter Mobilität haben innerhalb der gesamten Austrian Airlines Gruppe entsprechend den geltenden Sicherheitsbestimmungen eine freie Sitzplatzwahl mit Ausnahme der Exit-Reihen sowie anderen gesonderten Sitzreihen (z.B. hinter den “overwing-exits” bei kleineren Maschinen ohne Notrutschen). Passagiere mit eingeschränkter Mobilität dürfen sowohl Fenster- als auch Gangplätze verwenden. Diese Information findet sich ab Ende November auch im Internet.
- Anzeige der verfügbaren Sitzplätze mit beweglichen Armlehnen in der Maske für das Checkin-System an allen Flughäfen wurde bereits umgesetzt. Das Checkin-System ist für Passagiere nicht einsehbar und wird auch nicht publiziert.
- Das Formular für online-Buchungen zur Bekanntgabe von speziellen Bedürfnissen gibt es bereits. Es wird auch einen Verweis auf dieses Formular bei den allgemeinen Informationen zum barrierefreien Reisen ab Ende November geben.
- Ab Anfang 2009 wird es eine Datenbank geben (FREMEC), in der sich Passagiere mit speziellen Bedürfnissen registrieren lassen können. Für die Registrierung ist ein ausgefülltes INCAD-Formular notwendig.
Bewertung durch Max Muster
Das Schlichtungsverfahren war insgesamt eine positive Erfahrung. Ohne diesen Schritt war es mir nicht möglich, direkt mit Austrian Airlines ins Gespräch zu kommen, um Lösungen für die bestehenden Probleme zu finden. Während des Verfahrens hat sich Austrian Airlines als lösungsorientiert und bemüht herausgestellt, so dass wir einen vernünftigen Kompromiss finden konnten.
Ich bedanke mich auch für die hilfreiche Unterstützung vom Verein BIZEPS, der mir als Berater zur Verfügung standen.