Geschafft keine Hublifte kaufen zu müssen

  • SchlichtungswerberIn: Martin Ladstätter
  • Unterstützt von: Mag. Volker Frey
  • Schlichtungspartner: AG der Wiener Lokalbahnen
  • Zeitraum: 13. Juni 2006 bis 10. Oktober 2006
  • Bundesland: Wien
  • Gesetzesgrundlage: BGStG
  • Einigung: Nein

Schlichtungsantrag

Ende Mai 2006 wurde ein neuer Triebwagen (410) der Badner Bahn in Betrieb genommen. Dieses Niederflurfahrzeug ist nicht barrierefrei im Einsatz, obwohl dies leicht möglich wäre.

„In allen Triebwägen sind die Verkabelungen für eine künftige Hubliftinstallation bereits vorgesehen“, teilte die damals zuständige Stadträtin, Mag. Brigitte Ederer (SPÖ), mit.

Die Inbetriebnahme des Fahrzeuges im Mai 2006 OHNE Hublift stellt für mich eine Unterlassung dar und ich fühle mich durch diese Vorgangsweise diskriminiert.

Meiner Meinung nach hätte ein im Jahre 2006 neu in Betrieb gehendes Fahrzeug verpflichtend mit einem Hublift ausgestattet werden müssen, da dies technisch möglich ist und in diesem speziellen Fall sogar vorbereitet wurde.

Befremdlich ist die Vorgehensweise insoweit auch, als das Unternehmen gleichzeitig Millionen Euro an der Beförderung von behinderten Menschen im Rahmen der Fahrtendienste im Auftrag der Stadt Wien verdient.

Eigentümer des Unternehmens ist die Stadt Wien. Ein Fahrzeug kostet 2,5 Millionen Euro.

nicht barrierefreie Einstiegssituation der neuen Badner Bahn
BIZEPS

Anmerkungen/Bewertung

In der Schlichtungsverhandlung vom 10. Oktober 2006 gab der Vertreter der Badner Bahn bekannt, dass es nicht nur um den 410er ging, sondern um die Wägen 407 bis 410, weil per Vertrag vom 12. Juli 2004 eben 4 Triebwagen gekauft wurden. Diese fahren erst testweise und am 22. Dezember 2005 – neun Tage vor Inkrafttreten des Behindertengleichstellungsgesetzes – gab es eine Baugenehmigung (GZ MA 64 – 699/2005) der Wiener Magistratsabteilung 64.

Im Schlichtungsgespräch, bei dem ein Vertreter des Klagsverbandes als Vertrauensperson anwesend war, wurde seitens der Badner Bahn bestätigt, dass der 22. Dezember 2005 kein Zufall war. “Uns ist das glücklicherweise gelungen”, wird seitens der Badner Bahn erläutert. Immerhin gehe es ja – so der Vertreter der Badner Bahn – um 700.000 Euro, die die Hublifte gekostet hätten.

Am 6. November 2006 wurde vom Schlichtungswerber bei der MA 64 ein “Antrag auf Parteienstellung im Betriebsbewilligungsverfahren” gestellt.

Dem stimmt die MA 64 nicht zu und begründet dies so: “Die Einräumung eines subjektiven Rechtes zur Geltendmachung einer möglichen oder tatsächlichen Diskriminierung und damit verbunden eine Parteistellung in diesen Verwaltungsverfahren ist im BGStG jedoch weder ausdrücklich vorgesehen noch ergibt sich aus den erläuternden Bemerkungen, dass durch das BGStG eine solche Parteistellung in den betroffenen Materiengesetzen beabsichtigt war.”

“Dieser Umstand, dass ein diskriminierter oder benachteiligter Mensch im Sinne des BGStG in hoheitlichen Verfahren oftmals nicht Partei ist und daher auch im Diskriminierungsfalle in diesen Verfahren keine Parteistellung hat und den Diskriminierungsschutz im Materienverfahren nicht geltend machen kann, sondern lediglich die nach § 9 ff BGStG vorgesehenen Ansprüche, war ja auch beispielsweise vom “Forum Gleichstellung” in der Stellungnahme vom 23.09.2004 kritisiert worden”, kann man dem Schreiben der MA 64 vom 17. November 2006 entnehmen.

Da auch dieser Versuch gescheitert ist, brachte der Verein BIZEPS am 29. November 2006 eine Sachverhaltsdarstellung bei der Staatsanwaltschaft Wien ein und bat um Prüfung. Konkret wird dargelegt, dass die Vorgangsweise “völlig ungewöhnlich war” und “im Rahmen einer Büroverhandlung durch mündlichen Bescheid” eine Baugenehmigung erteilt wurde. Die Staatsanwaltschaft teilt in einem Schreiben vom 20. Dezember 2006 mit, dass die Anzeige eingestellt wurde.

(Nachtrag Oktober 2010: Erfreulicherweise fand beim Unternehmen dann doch noch ein Umdenken statt und im Sommer 2010 wurden Hublifte in alle 14 Niederflurfahrzeuge eingebaut.)

Bewertung durch Martin Ladstätter

Mit diesen Bemühungen dürften alle Möglichkeiten erfolglos ausgeschöpft worden sein. Auch wenn es kaum zu glauben ist, aber es ist in Österreich anscheinend rechtlich möglich, neue Fahrzeuge in Betrieb zu bringen, die nicht barrierefrei zugänglich sind. Und das nach Beschlussfassung des Behindertengleichstellungsgesetzes.

Die Niederflurfahrzeuge werden für Rollstuhlfahrerinnen und Rollstuhlfahrer viele Jahre nicht zugänglich sein und vielleicht erst in ferner Zukunft umgebaut werden.

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