Onlinebanking nicht barrierefrei

  • SchlichtungswerberIn: David Klein
  • Unterstützt von: Martin Ladstätter
  • Schlichtungspartner: HYPO NOE Landesbank AG
  • Zeitraum: 16. Februar 2010 bis 17. April 2012
  • Bundesland: Wien
  • Gesetzesgrundlage: BGStG
  • Einigung: Ja

Schlichtungsantrag

Seit über einem Jahr bin ich Kunde bei der Niederösterreichischen Landesbank-Hypothekenbank Aktiengesellschaft.

Da ich blind bin, nutze ich einen Screenreader (ein Computerprogramm, welches mir den Bildschirminhalt in Brailleschrift auf einer Braillezeile und in synthetischer Sprache ausgibt), diese Technologie ist essenziell für mich, um viele Bereiche meines alltäglichen Lebens zu organisieren, zu diesen Bereichen zählt auch die Abwicklung meiner Bankgeschäfte, welche ich durch Onlinebanking erledige.

Kurz nach der Kontoeröffnung stellte ich fest, dass das Interface, über welches das Onlinebanking abgewickelt wird, nicht barrierefrei gestaltet ist.

In zwei speziellen Bereichen werde ich einer sehenden Person gegenüber stark benachteiligt:

# Die Niederösterreichische Landesbank-Hypothekenbank nutzt ein iTAN Verfahren. Dies bedeutet, dass man, um eine Überweisung durchzuführen, einen bestimmten TAN eingeben muss, welcher TAN dies ist, wird am Bildschirm angezeigt, die gewählte Anzeigeform kann aber mit einem Screenreader nicht ausgelesen werden. Daher ist es mir nicht möglich, meine Bankgeschäfte selbstständig durchzuführen.
# Um eine verbindliche Übersicht über meine Kontobewegungen zu erhalten, bin ich auf elektronische Kontoauszüge angewiesen. Die Niederösterreichische Landesbank Hypothekenbank verwendet allerdings für diese digitalen Auszüge eine Codierung, welche nicht barrierefrei ist. Die Folge ist, dass ich keinerlei verbindliche Informationen über meinen Kontostand oder die Kontobewegungen erhalte.

Auf meine zahlreichen Aufforderungen, diesen diskriminierenden Zustand zu beseitigen, wurde nur ablehnend reagiert.

Schlichtungsvereinbarung

  1. Herr Klein hat ein Musterfile (barrierefreien Kontoauszug) erhalten – dieses ist nach seiner Meinung für ihn in Ordnung, am 18. März 2012 wird lt. Bank dies installiert – etwa 2-4 Tage später ist der barrierefreie Kontoauszug für Herrn Klein nutzbar.
  2. Sollte Herr Klein über das Interface best. Bereiche nicht nutzen können (z.B. Auslandsüberweisungen, Anlage, Änderung und Löschung von Daueraufträgen) sollen keine Schaltergebühren anfallen. Dieser Punkt wird seitens Hypo NÖ noch abgeklärt
  3. Wenn beide Punkte (1 und 2) erfüllt werden, sieht der Schlichtungswerber die Schlichtung als geeinigt an, wenn nur ein Punkt nicht erfüllt wird, gilt die Schlichtung als nicht geeinigt.

Bewertung durch David Klein

Zu Beginn des Wintersemesters 2008 eröffnete ich bei der Hypo Niederösterreich ein Studentenkonto und da ich blind bin und meine Bankgeschäfte natürlich selbst durchführen möchte, war für mich von Anfang an klar, dass ich das Online-Banking-Service nutzen werde. Leider stellte sich dies als schwieriger heraus als gedacht, so war es nicht barrierefrei möglich, Überweisungen durchzuführen, die Nummer des entsprechenden TAN-Codes wurde nur als Bild angezeigt und die Kontoauszüge und die Umsatzliste, welche man als PDF-Dateien herunterladen kann, waren nicht lesbar. Daraufhin kontaktierte ich meine Kundenbetreuerin, welche meine Probleme sehr ernst nahm und sofort die zuständigen Verantwortlichen der Bank kontaktierte. Diese ignorierten aber die wiederkehrenden Kontaktversuche sowohl von mir als auch von meiner Kundenbetreuerin beharrlich. Die Entscheidungsträger der Bank beriefen sich schließlich auf deren IT-Provider und erklärten mir, man könne selbst keine Umstellung vornehmen. Der IT-Dienstleister, ARZ, erklärte schließlich, man könne nicht den „First Level Kundensupport oder den Support externer Software“ übernehmen, mittlerweile hatten wir schon Jänner 2009.

Da aber die Bank und nicht das Rechenzentrum mein Vertragspartner ist, beschloss ich lediglich mit der Bank weiterhin zu kommunizieren.

Am 16.03.2009 erhielt ich vom Leiter der IT Abteilung der Hypo Niederösterreich die Versicherung, dass man sämtliche meiner Vorschläge an den Provider weitergegeben habe, sich das zuständige Spartenteam dort aber erst damit befassen würde. In dieser Form ging es bis Februar 2010 weiter.

Am 09.02.2010 erhielt ich die Antwort der Bank, welche übrigens wieder eine Weiterleitung einer Stellungnahme des Rechenzentrums war und u.a. folgende Formulierungen enthielt: „Die Begriffe Onlinebanking und Barrierefreiheit liegen zwar thematisch nahe zusammen, aber Inhaltlich unterscheiden sich beide in einem wichtigen Punkt.
Die Sicherheitsmaßnahmen des Onlinebanking, welche von uns in erheblichem Umfang in unsere Anwendung eingebaut wurden, behindern leider gleichzeitig auch deren Barrierefreiheit.“, …

„Es ist uns daher derzeit nicht möglich einen vollkommen barrierefreien und gleichzeitig sicheren Zugang zum Onlinebanking anzubieten, sehen dies allerdings als eine allgemeinen Problemstellung im Onlinebanking.

Wir sind ständig bemüht unsere Anwendung an die Anforderungen und Bedürfnisse unserer Kunden den anzupassen, müssen aber einräumen im Abwägen zwischen Barrierefreiheit und Sicherheitsanforderungen Kompromisse in der Barrierefreiheit einzugehen“, inhaltlich falsche Stellungnahmen, die nicht den Stand der Technik repräsentieren.

Anschließend nahm ich Kontakt zu Herrn Martin Ladstätter (BIZEPS) auf, schilderte ihm die Situation und er erklärte sich umgehend bereit, als meine Vertrauensperson in einer Schlichtung zu fungieren.

Das erste Schlichtungsgespräch fand am 29.04.2010 statt. Neben der Schlichtungsreferentin, Herrn Ladstätter und mir, waren seitens der Bank ein Jurist (der offiziell für die Bank sprach), der Leiter der IT Abteilung der Bank und meine Kundenbetreuerin anwesend. Die Stimmung bei diesem Gespräch kann man als angespannt charakterisieren. Der Schlichtungspartner sah zu diesem Zeitpunkt noch keinen Bewegungsspielraum, deshalb vereinbarten wir mit der Bank eine Frist, in welcher noch eine Lösung gefunden werden konnte.

Kurz vor Ablauf der gesetzten Frist meldete sich die Bank und erklärte, man sei nach intensiven Abstimmungen mit dem Rechenzentrum bzw. anderen Banken der Buchungsgemeinschaft in der Lage, meinen Forderungen nachzukommen.

Es stellte sich heraus, dass zwar der TAN-Code barrierefrei zu nutzen war, der Kontoauszug aber noch nicht als barrierefreies PDF zur Verfügung stand. Nach mehrfachen Urgenzen von mir und Hilfestellung durch den Leiter der IT-Abteilung erhielt ich im Februar 2011 die Benachrichtigung, dass der Hersteller der Software des Rechenzentrums ab Mitte des Jahres 2011 barrierefreie PDF-Dokumente anbieten könne. Diese Zusage stellte sich als nicht zutreffend heraus, man offerierte stattdessen speziell an die Bedürfnisse blinder Nutzer angepasste „Plain Text“-Kontoauszüge. Einer derartigen Lösung stand ich offen gegenüber.

Die Buchungsgemeinschaft der Hypo Niederösterreich wandte sich in der Folge an das Bundes-Blindenerziehungsinstitut und erarbeitete zwei Prototypen von Auszügen, welche mir der Leiter der IT Abteilung der Hypo anschließend vorlegte. Kurze Zeit später setzte man mich darüber in Kenntnis, in welcher Form die Umsetzung stattfinden würde und bereits in das Produktivsystem implementiert wurde.

Unglücklicherweise wurde das Konzept der rechtlichen Verbindlichkeit bei der Planung der barrierefreien Kontoauszüge nicht antizipiert, was zur Folge hatte, dass das neue Konzept keinerlei Sicherheitsmerkmale enthielt und somit keineswegs fälschungssicher war oder gar rechtlich verbindliche Aussagekraft besaß. Gemeinsam mit dem Leiter der IT Abteilung erarbeitete ich ein Konzept, welches all diese Dimensionen berücksichtigt und vorsieht, dass zwei Dateien in einer ZIP-Datei bereitgestellt werden, nämlich der ursprüngliche PDF- und der neue TXT-Kontoauszug.

Bei einem zweiten Gespräch in den Räumlichkeiten des BASB am 19.01.2012 wurde diese finale Vorgangsweise fixiert und kurze Zeit später umgesetzt.

Ich bin sehr erfreut über den Sinneswandel der Hypo Niederösterreich. Die Geisteshaltung der Bank hat sich von Ablehnung in eine Vorreiterrolle bzgl. Barrierefreiheit gewandelt und setzt mittlerweile Maßstäbe bei der Bereitstellung barrierefreier Kontoauszüge für blinde Menschen, welche, da das Konzept auf Ebene des Bankenverbundes implementiert wurde, auch für andere Kunden nutzbar ist.

Es bleibt zu hoffen, dass Unternehmen erkennen, dass Barrierefreiheit eine Chance ist und keine lästige Pflicht!

Obwohl sich das Ergebnis im Rückblick als positiv darstellt, denke ich nicht, nochmals so lange auf eine Lösung zu warten.

Die Schlichtungsreferentin des BASB nahm ich als lösungsorientiert und neutral war, das Gespräch wurde von ihr kompetent geleitet.

Herr Martin Ladstätter (BIZEPS) war eine hilfreiche und äußerst fachkundige Vertrauensperson und ein Verbündeter, dem Barrierefreiheit ein persönliches Anliegen ist.

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