- SchlichtungswerberIn: Mag. (FH) Marlies Neumüller
- Unterstützt von: Martin Ladstätter
- Schlichtungspartner: WIENER LINIEN GmbH & Co KG
- Zeitraum: 7. Februar 2008 bis 9. April 2008
- Bundesland: Wien
- Gesetzesgrundlage: BGStG
- Einigung: Nein
Schlichtungsantrag
Am 12. Jänner 2008 möchte ich zusammen mit einer Assistentin die Straßenbahnlinie 49 Richtung Dr. Karl-Renner-Ring benutzen und bei der Endstation Hütteldorf/Bujattigasse einsteigen. Ich benutze an diesem Tag meinen elektrischen Rollstuhl. Wenige Tage zuvor bin ich von einem Fahrer mit Nachdruck dazu aufgefordert worden, mit dem Rollstuhl immer den vordersten Einstieg zu benutzen und nicht, wie ich es manchmal zur Zeitersparnis mache, wenn es der Abstand zwischen Gehsteigkante und Straßenbahn zulässt, weiter hinten einzusteigen.
Ich will an besagtem Tag also pflichtgemäß vorne einsteigen. Bei der vordersten Tür ist aber der Abstand zwischen Gehsteigkante und Straßenbahn aufgrund einer leichten Krümmung des Gehsteigs beziehungsweise der Straßenbahnschienen zu groß, sodass ich mit dem Rollstuhl den Spalt allein nicht überwinden kann. Ich bitte also den Fahrer, mir die Rampe auszuklappen.
Dieser verweigert dies, mit der Begründung, der Rollstuhl sei zu schwer und außerdem bestehe bei Elektrorollstühlen immer die Gefahr, dass sie „blockieren“ und nicht mehr fahren würden. Ich weise ihn darauf hin, dass er verpflichtet ist, die Rampe auszuklappen. Darauf hin meint er, dass er mich mit dem E-Rollstuhl aufgrund neuer EU-Bestimmungen gar nicht mitnehmen dürfe. Grund dafür sei eben das Gewicht des Rollstuhls und das hohe Risiko einer plötzlichen Rollstuhlpanne. Falls ich ihm nicht glaube, könne ich ja in den Beförderungsbestimmungen nachlesen.
Er bietet mir jedoch an, hinten einzusteigen, falls mein Rollstuhl dies schaffe. Er hätte es dann eben nicht gesehen. Da ich es rechtzeitig zu einem Termin schaffen muss, tue ich dies auch, und mache hiermit genau das, was mir ein anderer Fahrer auf der selben Linie wenige Tage zuvor verboten hat, weil der Platz hinter der Fahrerkabine für Rollstühle gedacht sei und die hinteren Plätze für Kinderwägen. Außerdem würde sich sonst „die Haidlmayr wieder aufregen“, wenn Kinderwägen den Rollstuhlstellplatz und Rollstühle Kinderwägenstellplätze benutzten.
Anmerkungen/Bewertung
Für die Vertreterin der Wiener Linien stellt die Vorgangsweise gegenüber Frau Mag. Neumüller keine Diskriminierung dar, weil die behinderte Kundin mitgenommen wurde. Etwas anderes wäre es gewesen, wenn man ihr die Mitnahme verweigert hätte, hält sie fest. (Dies ist insoweit interessant, als genau dies in einem ähnlich gelagerten Fall passiert ist und man auch dort argumentierte, es läge keine Diskriminierung vor.)
Die Schlichtungswerberin berichtete, dass sie bei der zweiten Tür einstieg, weil es sich bei dieser Station ausging. Wir thematisierten, dass dies eigentlich nicht erlaubt sei, weil sich der genehmigte Rollstuhlplatz bei Tür 1 befindet, was die Vertreterin der Wiener Linien bestätigte.
Zum Vorfall (Fahrer legte die Rampe nicht aus und forderte Neumüller auf, hinten einzusteigen) berichtete die Vertreterin der Wiener Linien, dass sie diesbezüglich mit dem Fahrer gesprochen haben. Er habe den Bremspunkt nicht exakt getroffen und konnte von seinem endgültigen Standort die Rampe nicht mehr auflegen.
Die Vertreterin der Wiener Linien musste im Laufe des Gespräches zugeben, dass dies die Unwahrheit war, weil den Wiener Linien gar kein exakter Zeitpunkt des Vorfalls bekannt war. Sie gab zu, dass sie nicht mit dem Fahrer gesprochen, sondern sich die Station angesehen haben und sie vermuten, dass dies (verpasster Bremspunkt) der Grund gewesensein könnte.
Die Wiener Linien lehnten einen Schadenersatz ab und die Schlichtung ist gescheitert.
Bewertung durch Mag. (FH) Marlies Neumüller
Die Schlichtung mit den Wiener Linien ist gescheitert, das heißt es konnte keine Einigung erreicht werden. In der Praxis brachte sie also keine Verbesserung.
Die Gespräche mit der Vertreterin der Wiener Linien erwiesen sich als wenig kostruktiv, es kam kein vernünftiges Gespräch zu Stande. Dies scheiterte schon allein daran, dass von den Wiener der Tatbestand der Diskriminierung nicht akzeptiert wurde und man versuchte, sich mit teils widersprüchlichen Aussagen herauszureden, wodurch bei mir der Eindruck entstand, dass sich die Wiener Linien nicht mit Beschwerden behinderter Fahrgäste auseinandersetzen wollen.
Frei nach dem Motto: „Wir machen ja schon so viel, dafür sollten Sie dankbar sein!“ (Ja, es hat in den letzten Jahren Fortschritte gegeben, aber es gibt noch viel Raum für Verbesserungen.) Da liegt der Schluss nahe, dass Menschen mit Behinderungen bei den Wiener Linien noch immer eher als zu behandelndes Problem, denn als zahlende Kunden wahrgenommen werden. Vorschläge zu einer Verbesserung der Situation (Konkrete Vorgehensweise bei ähnlichen Vorfällen, Schulung des Personals) wurden nicht ernst genommen, was aus Sicht der Wiener Linien logisch ist, denn dann hätte man die Diskriminierung ja eingestehen müssen.
Ein Manko des Schlichtungsverfahrens in seiner derzeitigen Form ist es außerdem, dass keine Möglichkeit besteht, konkrete Verbesserungen zu verlangen, sondern formell nur Schadenersatz für die Diskriminierung eingefordert werden kann. Diese Forderung wird erstens, glaube ich, oft abgeschmettert und es bliebe dann nur ein Gang zu Gericht. Zweitens ändern 700 Euro Schadenersatz oftmals nichts an der Situation.
Während des Schlichtungsverfahrens hat mich Martin Ladstätter vom Verein BIZEPS begleitet, die Beratung empfand ich als sehr hilfreich und kompetent. Großes Lob an dieser Stelle. Ohne Unterstützung hätte ich mich nicht an das Verfahren herangewagt.
Obwohl das Verfahren in der jetzigen Form eher zahnlos ist, bietet es trotzdem die Möglichkeit Diskriminierungen aufzuzeigen. Dann muss sich zumindest ein Vertreter der diskriminierenden Organisation/Unternehmen damit auseinandersetzen. Dies kann zur Bewusstseinsbildung beitragen, vor allem dann, wenn sich diverse Firmen etc. oft mit Schlichtungsanträgen herumschlagen müssen.