Rollstuhl zu schwer zum Fliegen?

  • SchlichtungswerberIn: Karin Ofenbeck
  • Unterstützt von: Martin Ladstätter
  • Schlichtungspartner: Hapag Lloyd Express GmbH
  • Zeitraum: 5. Oktober 2006 bis 1. Dezember 2006
  • Bundesland: Wien
  • Gesetzesgrundlage: BGStG
  • Einigung: Nein

Schlichtungsantrag

Ich habe für mich und meine Assistentin einen Flug für 9. November 2006 von Klagenfurt nach Berlin-Tegel bei Hapag Lloyd Express GmbH (HLX) gebucht. Per E-Mail erhielt ich folgende Auskunft: „Guten Tag Frau Ofenbeck, es tut uns sehr Leid, Ihnen mitteilen zu müssen, dass wir nur zusammenklappbare Rollstühle befördern können, die insgesamt nicht schwerer als 30 kg sind. Wir bieten Ihnen in diesem Fall eine kostenlose Stornierung an. Bitte kontaktieren Sie tel. unser Callcenter, damit eine Erstattung vorgenommen werden kann. Wir bedauern sehr, die Beförderung nicht ermöglichen zu können.“

(Da ich in Erfahrung bringen konnte dass auf diesem Flug eine Boeing 737-700 eingesetzt wird, die über rund 150 Sitzplätze verfügt und eine durchschnittlich große Maschine ist, fällt auch das Argument, dass die Maschine zu klein wäre, weg).

Mein Rollstuhl wiegt 60 kg und ist damit nicht gerade ein Schwergewicht. Der Rollstuhl ist ein Teil von mir, ohne den ich mich keinen Meter bewegen kann. Für mich ist eine Festlegung einer 30 kg Gepäcksobergrenze eine Benachteiligung gegenüber anderen Flugpassagieren und etwa damit vergleichbar, dass man Flugpassagiere nur bis zu einem Körpergewicht von 30 kg an Board nimmt.

Ausschnitt aus HLX Beförderungsbedingungen
BIZEPS

Schlichtungsvereinbarung

E-Mail von HLX am 12. Oktober 2006: “Wir freuen uns sehr, Ihnen nun doch noch die Mitnahme Ihres el. Rollstuhles bestätigen zu können. Unsere Kollegen aus dem operativen Bereich konnten bei den Flughäfen Klagenfurt und Berlin sicherstellen, dass ein entsprechender Hebekran für die Beladung im Frachtraum zur Verfügung steht.”

Mail von HLX mit Bestätigung der Mitnahme
BIZEPS

Anmerkungen/Bewertung

Hapag Lloyd Express GmbH hat seinen Firmensitz in Deutschland.

HLX erklärt sich nach dem Einbringen des Schlichtungsantrages und vor der Schlichtungsverhandlung doch bereit, den Rollstuhl mitzubefördern. Das Bundessozialamt teilte darauf hin mit, “dass aus der Sicht des Bundessozialamtes bereits eine Einigung stattgefunden hat …”. Die Schlichtungswerberin widersprach und erläuterte, dass es ihr um die Änderung der Allgemeinen Beförderungsbedingungen gehe.

HLX ist zur Schlichtung nicht erschienen.

Bewertung durch Karin Ofenbeck

Mir war die Einreichung der Schlichtung sehr wichtig, da es für mich absolut nicht nachvollziehbar war, wie man mir aufgrund meines 60 kg schweren, zusammenklappbaren Rollstuhls den Flug nach Berlin verwehren konnte.

Dass sogar in den Allgemeinen Beförderungsbedingungen festgeschrieben war, dass Rollstühle nur bis zu einem Maximalgewicht von 30 kg befördert werden, stellte für mich eine Diskriminierung dar.

Erfolgreich war die Schlichtung für mich, weil ich meinen Flug von Klagenfurt nach Berlin dann doch antreten konnte. Wenig erfreut war ich allerdings darüber, dass die Allgemeinen Beförderungsbedingungen nicht geändert wurden und die Hapag-Lloyd Express GmbH nicht zum Schlichtungstermin erschienen ist.

Juristische Bewertung:

Die Allgemeinen Beförderungsbedingungen von HLX enthalten folgenden Satz: „Die Freigepäckgrenze für aufgegebenes Gepäck ist 30 kg. Ein einzelnes Gepäckstück darf nicht über 30 kg wiegen. Die Freigepäckgrenze für Handgepäck ist 5 kg, (Maße: 45 cm x 35 cm x 20 cm). Zulässig ist ein Stück Handgepäck.“

Die Gültigkeit dieser Bestimmung der Allgemeinen Beförderungsbedingungen ist unter mehreren Gesichtspunkten zweifelhaft:

  • Bei einem Rollstuhl handelt es sich nicht um ein Gepäckstück, sondern um ein notwendiges Fortbewegungsmittel. Deshalb sind die Bestimmungen über Gepäckstücke überhaupt nicht anwendbar.
  • Selbst wenn ein Rollstuhl als Gepäckstück einzustufen wäre (was nicht der Fall ist), wäre die willkürliche Festlegung einer 30-kg-Gepäckstück-Grenze ungewöhnlich und gröblich benachteiligend im Sinne des § 864a ABGB. Das ergibt sich daraus, da es mittlerweile bei den meisten Fluglinien üblich ist, RollstuhlfahrerInnen im Rahmen der technischen Möglichkeit zu befördern. Da nicht ausdrücklich auf diese Bestimmung hingewiesen wurde, ist sie wohl nicht Vertragsbestandteil geworden.
  • Eine solche Bestimmung ist sittenwidrig im Sinne des § 879 Abs 3 ABGB, da sie keine der beiderseitigen Hauptleistungen festlegt und Frau Ofenbeck faktisch von der Beförderung ausschließt, was eine gröbliche Benachteiligung darstellt.
  • Die genannte Bestimmung stellt schließlich eine mittelbare Diskriminierung im Sinne des § 5 Abs 2 Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz (BGStG) dar, da Menschen, die auf Fortbewegungshilfen angewiesen sind, in der Inanspruchnahme des Flugzeuges gegenüber anderen benachteiligt bzw überhaupt ausgeschlossen werden. Es handelt sich bei Benutzung eines 60 kg schweren Rollstuhles auch nicht um eine unverhältnismäßige Ausnahme im Sinne des § 6 BGStG, da die Beseitigung dieser – in der willkürlichen Aufstellung von ABB bestehenden – Barriere nicht rechtswidrig oder wegen unverhältnismäßiger Belastungen unzumutbar wäre. Das ergibt sich schon daraus, dass die technische Mitnahme eines solchen Rollstuhles möglich und bei vielen anderen Luftfahrtunternehmen auch üblich ist.

    Schließlich ist noch auf § 12 BGStG hinzuweisen, der besagt, dass eine betroffene Person lediglich die Umstände, die ihrer Meinung für eine Diskriminierung sprechen, glaubhaft zu machen hat, während es „der beklagten Partei obliegt … zu beweisen, dass es bei Abwägung aller Umstände wahrscheinlicher ist, dass ein anderes von ihr glaubhaft gemachtes Motiv für die unterschiedliche Behandlung ausschlaggebend war“.

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