Schlechte Infrastruktur trotz Versprechungen zur Besserung

  • SchlichtungswerberIn: Dr. Erwin Riess
  • Unterstützt von: Martin Ladstätter
  • Schlichtungspartner: Volkstheater Ges.m.b.H.
  • Zeitraum: 18. Februar 2008 bis 20. Juni 2008
  • Bundesland: Wien
  • Gesetzesgrundlage: BGStG
  • Einigung: Ja

Schlichtungsantrag

Seit vielen Jahren kämpft die Behindertenbewegung darum, dass das Volkstheater auch für behinderte Besucherinnen und Besucher barrierefrei erreichbar wird.

Trotz zahlreicher Beschwerden behinderter Besucherinnen und Besucher und Versprechungen von seiten der Direktion wurden die diskriminierenden Punkte jedoch nicht abgestellt.

Diese Punkte umfassen:

  • Die Sitzplätze für Menschen im Rollstuhl sind unter der Balustrade, ganz hinten, wo man sehr schlecht sieht und hört. Man steht hinter allen anderen Besuchern quasi auf einer „Eselsbank“. Es ist unmöglich, neben einem Begleiter/einer Begleiterin zu sitzen. „Sitzplätze“ aus der Steinzeit. Dadurch fühle ich mich beim Besuch diskriminiert.
  • Die „Rote Bar“ und alle übrigen Räume im ersten Stock sind für behinderte Besucherinnen und Besucher mit Rollstuhl nicht erreichbar. Ich selbst wollte mehrfach schon an Veranstaltungen teilnehmen. Eine dringend notwendige Hebeplattform wird unter fadenscheinigen Ausreden (kein Geld, keine Genehmigung etc.) nicht angeschafft. Dadurch ist ein wichtiger Teil des Programmes für behinderte Besucherinnen und Besucher mit Rollstuhl NICHT erreichbar.
  • Auf der Behindertentoilette sind Spiegel und Handtrockner so hoch angebracht (für stehende Besucher), dass Menschen im Rollstuhl – wie ich – sie nicht benützen können. Jahrelange und immer wieder vorgebrachte Bitten und Beschwerden führten zu keinem Erfolg. Ich empfinde dies jedes Mal demütigend.
  • Die Behindertenparkplätze sind ungenügend beschildert. Die beiden Parkplätze sind außerdem viel zu weit vom Theater entfernt und sind daher bei Schlechtwetter, Schnee und Eis nicht benutzbar, worüber ich mich jedes Mal ärgere.

Aus diesen Gründen fühle ich mich diskriminiert. Mein Begehren ist es, das Volkstheater zur Beseitigung des diskriminierenden Verhaltens zu zwingen. Außerdem begehre ich Schadenersatz für zugefügte Diskriminierung.

Volkstheater in Wien
BIZEPS

Schlichtungsvereinbarung

  1. Das Volkstheater wird bis 5. September 2008 zusätzliche Rollstuhlsitzplätze im Parterre in den Reihen 10 und 11 links und rechts, Sitze 11 und 12 einrichten. Die bestehenden Rollstuhlplätze bleiben erhalten.
  2. Hinsichtlich der barrierefreien Erreichbarkeit der Roten Bar und des Weißen Salons werden vom Volkstheater noch weitere Angebote eingeholt. Weiters werden noch Finanzierungs- und Zuschussmöglichkeiten geprüft. Bei positivem Prüfergebnis werden bis September 2009 (Saisonstart 2009) die Rote Bar und der Weiße Salon mittels Hebeplattform über das Foyer rechts erreichbar sein.
  3. Die Toilette ist bereits nach ÖNORM B 1600 umgebaut, in den nächsten Tagen wird noch verfliest und der Spiegel angebracht.
  4. Behindertenparkplätze in der Museumsstraße wurden vom Volkstheater bei der MA 46 beantragt. Das Volkstheater hat der MA 46 bereits mehrfach geforderte Unterlagen nachgereicht und wird sich auch in Hinkunft bemühen, die beantragten Parkplätze genehmigt zu bekommen. BIZEPS wird sich ebenfalls um die erfolgreiche Genehmigung kümmern.
Sitzplan des Volkstheaters
Volkstheater

Anmerkungen/Bewertung

Zwischen den Schlichtungspartnern wird am 28. März 2008 folgende Vorgehensweise beschlossen:

  1. Das Volkstheater bietet an, die Sitzplätze im Parterre Reihe 1 links und rechts Nr. 12 zu Rollstuhlplätzen umzufunktionieren. Herr Riess wünscht den Umbau der 7. du 8. Reihe Parkett Sitz Nr. 12 und 11 links und rechts zu Rollstuhlplätzen. Das Volkstheater wird in einem weiteren Schlichtungsgespräch bekanntgeben, ob und in welchem Zeitraum diesem Wunsch nachgekommen werden kann.
  2. Ebenfalls wird das Volkstheater bekanntgeben, ob und in welcher Form die barrierefreie Erreichbarkeit der Roten Bar und des Weißen Salons ermöglicht wird.
  3. Bis zum 15. Mai 2008 wird auf der Toilette wie folgt umgebaut werden: Handtuchtrockner, Spiegel und Toilette werden gemäß ÖNORM B 1600 herabgesetzt werden.
  4. Die Verlegung von 2 Behindertenparkplätzen von der Neustiftgasse in die Museumsstraße wird seitens des Volkstheaters bei der MA 46 beantragt werden. Bei der nächsten Schlichtungsverhandlung wird das Volkstheater über den Antragsverlauf berichten.

Am 20. Juni 2008 wurde eine Vereinbarung getroffen, die sich von dem oben stehenden Text in Details unterscheidet.

Die MA 46 verweigerte über Monate die Errichtung der benötigten Behindertenparkplätze mit immer neuen und detaillieren Rückfragen und hat bisher noch keine Entscheidung getroffen.

Bewertung durch Dr. Erwin Riess

Ich habe die Schlichtung überraschend positiv erlebt. Zum einen war ich von der raschen und kundigen Abwicklung der Schlichtung von seiten der Mitarbeiterin des Bundessozialamtes beeindruckt. Schon während der Sitzungen wurden Protokolle erstellt, die alle verhandelten Details enthielten.

Sehr hilfreich war des weiteren die Expertise von Martin Ladstätter, der mit dem Procedere besonders gut vertraut ist und immer eine sachlich genaue Lösung anstrebt. Inhaltlich zeigte sich bei der zweiten Schlichtungsverhandlung, die zu einer nahezu vollständigen Aufhebung der Diskriminierung führte, dass das Gesetz – das bedeutende Schwächen hinsichtlich des Umfangs und der Durchsetzbarkeit aufweist – besonders bei Institutionen, die in der Öffentlichkeit stehen, doch zu einem raschen Umdenken führen kann.

Eine Klagsdrohung kann eine taugliche Waffe sein. Dennoch erscheint eine umfangreiche juristische und inhaltliche „Nachrüstung“ des Gesetzes geboten.

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