Verwehrung der Mitgliedschaft in Turnverein

  • SchlichtungswerberIn: David Klein
  • Unterstützt von: Behindertenanwalt Dr. Hansjörg Hofer
  • Schlichtungspartner: TSV Jedlesee 1891
  • Zeitraum: 8. Dezember 2018 bis 31. Jänner 2019
  • Bundesland: Wien
  • Gesetzesgrundlage: BGStG
  • Einigung: Ja
  • Klage: Nein

Schlichtungsantrag

Mir wird, aufgrund meiner Behinderung, die Teilnahme bzw. Inanspruchnahme des Trainings (Dienstleistung) des öffentlichen Angebotes des Breitensportvereins TSV Jedlesee 1891 verwehrt.

Am 23.04.2018 nahm ich die Schnupperstunde des Jugend- Erwachsenenturnens (Geräteturnen) des Breitensportvereins TSV Jedlesee in Anspruch, da dieser sich in meiner Wohnortnähe befindet und ein öffentlich zugängliches Freizeitangebot darstellt, in deren Anschluss ich gefragt wurde, ob ich das Training regelmäßig besuchen wolle, was ich bejahte. Am 01.05.2018 bezahlte ich € 30,00 (lt. Frau Moser Kosten der Vollmitgliedschaft, bei Beitritt im letzten Quartal des Vereinsjahres, welche zur Nutzung des Sportangebotes berechtigt) auf das Vereinskonto ein und besuchte fortan die Trainingseinheiten. Anders als später vom Verein behauptet, war niemals die Rede von einer Probezeit.

Kontaktversuche in der trainingsfreien Zeit (Juli/August 2018), um organisatorische Fragen zu beispielsweise der bereits vom Verein zugesagten Teilnahme am Turn10-Wettbewerb zu klären, wurden von der Trainerin, Frau Angelika Moser, größtenteils ignoriert, später räumte sie ein, sie habe Anweisung vom Obmann gehabt, nicht mit mir zu kommunizieren. (Der Obmann des Vereines äußerte am 23.06.2018, dass der Verein beschließen könne, keine behinderten Mitglieder aufzunehmen, dann müsse man keinerlei Maßnahmen zur Herstellung von Barrierefreiheit treffen.)

Mir wurde am 12.09.2018 durch Frau Moser telefonisch eröffnet, dass es im Vorstand eine Diskussion gab, wonach es nicht möglich sei, dass eine Person, die blind ist, ohne Zustimmung des Vorstandes das Angebot des Vereines in Anspruch nehme, deshalb wurde in einem Vorstandsbeschluss festgehalten, dass blinde Personen oder Rollstuhlfahrer vom gemeinnützigen Angebot ausgeschlossen seien.

Die Trainingsqualität wäre gesunken, seit ich ebenfalls das Angebot in Anspruch nehme, da man mir Übungen nicht vorzeigen könne, sondern gesondert erklären müsse, was eine Zumutung gegenüber den anderen Teilnehmern sei. In diesem Zusammenhang wurde mir erklärt, dass ich meinen Mitgliedsbeitrag für dieses Jahr nicht einzahlen dürfe, da ich das Angebot nicht mehr nutzen dürfe. Außerdem habe kein Trainer eine gesonderte Ausbildung für Behinderte, eine solche ist jedoch nicht notwendig. Der Turnsport stellt für mich eine barrierefreie Sportart dar, auch die Benutzung der Turngeräte ist grundsätzlich selbstständig und ohne erhöhtes Verletzungsrisiko möglich. Auch bei anderen Sportarten, welche ich alleine ausführe, besteht kein erhöhtes Verletzungsrisiko.

Hervorzuheben ist, dass man vor dem Sommer keinerlei Probleme sah, sondern mir sogar die Teilnahme am Turn10-Wettbewerb zusagte und ab dem Sommer die Kommunikation mit mir verweigerte.

Meiner Aufforderung, mir diesen Beschluss und die Statuten des Vereins schriftlich zu übermitteln, stimmte Frau Moser zunächst zu, erklärte jedoch später (via WhatsApp-Chat), sie habe die Angelegenheit an den Vorstand übergeben (diesem gehört sie jedoch selbst an) und der Vorstand solle die Übermittlung durchführen, dies ist jedoch nicht erfolgt, dies stellt ebenfalls eine Diskriminierung dar, da mir die ausgehängten Statuten nicht zugänglich sind und eine Übermittlung verweigert wird. Dies stellt nicht nur einen Verstoß gegen das Vereinsgesetz dar, sondern verunmöglicht mir auch die Beeinspruchung meines Ausschlusses, mit den vom Verein vorgesehenen Mitteln, da ich niemals über meine Rechte aufgeklärt wurde.

In einer Stellungnahme gegenüber der Behindertenanwaltschaft wurde durch den Verein in Abrede gestellt, dass ich je Mitglied gewesen sei – gemäß der Homepage ist jedoch eine Vollmitgliedschaft notwendig um das Sportangebot zu nutzen – und die Forderung erhoben, dass mir nur dann eine weitere Teilnahme gestattet sei, wenn ich eine Begleitperson, die für mich die Verantwortung trüge, mitbringen würde. Ich werde somit, aufgrund meiner Behinderung, mit einer minderjährigen Person gleichgesetzt, der man kein selbstverantwortliches Handeln zubilligt. Diese despektierliche Haltung gegenüber einer erwachsenen Person zeigt sich auch darin, dass man über die scheinbaren Probleme nicht, gemeinsam mit mir, nach einer Lösung suchte, sondern lediglich die Kommunikation verweigerte und stattdessen über mich kommunizierte.

Die Darstellung des Vereins, dass ich eine „fast lückenlose Betreuung durch die Trainerin“ benötigte ist schlichtweg falsch. Die Trainerin erklärte beim Telefonat am 12.09.2018, dass sie sich nicht traue, mich alleine üben zu lassen, da sich bereits ein Kind in Ihrer Trainingsstunde verletzt habe, was ebenfalls die Gleichsetzung mit einem Kind impliziert. Bei mehreren Gelegenheiten habe ich die Turngeräte mit anderen Teilnehmern und alleine genutzt, zu Problemen kam es dabei nicht.

Orientierungstechnisch besteht keine Gefahr durch Veränderungen in der Turnhalle, da ich mich auch, ohne Verletzungen davonzutragen, selbstständig in fremder Umgebung orientiere, in der Turnhalle kann es sich maximal um die Positionsveränderung von Turngeräten handeln, womit ich rechne und meine Orientierung anpassen kann, es handelt sich somit um eine überschaubare Anzahl an Permutationen. Die Trainerin zeigte mir lediglich einmal wo sich die anderen Räumlichkeiten befinden, die Toilette oder eine Wasserflasche habe ich jedoch niemals aufgesucht. Anscheinend ist man sich beim TSV Jedlesee 1891 über die Art und Weise meiner Orientierung nicht gegenwärtig.

Schlichtungsvereinbarung

Einmalzahlung eines Betrags von € 500,00 an Herrn David Klein.

Anmerkungen / Bewertung

Bewertung durch David Klein

Bei der Schlichtungsverhandlung waren neben dem Schlichtungsreferenten, Behindertenanwalt Dr. Hansjörg Hofer und ich anwesend, der TSV Jedlesee 1891 wurde durch den Obmann, Herrn Peter Kubista und einer Anwältin vertreten, diese eröffnete, dass man bereit wäre € 500,00 zu begleichen, bestand jedoch darauf, dass dies nicht als Eingeständnis einer Schuld zu verstehen sei, sondern der Verein Gerichtskosten vermeiden wolle, da man Schwierigkeiten habe, die Position des Vereins zu belegen. Man stellte zugleich drei Bedingungen:

  1. Rücknahme sämtlicher Eingaben bei öffentlichen Stellen
  2. Stillschweigen über die Vorkommnisse, welche zum Schlichtungsverfahren führten, also der Diskriminierung
  3. Verpflichtung, keine Mitgliedschaft im Verein mehr anzustreben.

Diese Forderungen des TSV Jedlesee 1891, welche die Diskriminierung prolongiert und nicht beseitigt hätten, waren selbstverständlich unannehmbar; der Verein versuchte durch ein derartiges Vorgehen anscheinend die Diskriminierung zu vertuschen.

Der Vereinsobmann erklärte im Laufe des Schlichtungsverfahrens, dass ich nicht mehr im Turn- und Sportverein Jedlesee 1891 willkommen sei, die Anstrengung des Schlichtungsverfahrens sei Grund genug, eine zukünftige Mitgliedschaft zu verweigern, man werde sich aber nicht mehr auf die Behinderung berufen, sondern Ausreden bemühen.

Herr Kubista äußerte außerdem Unverständnis darüber, dass man mir eine Entscheidungsmöglichkeit einräumt, dem Verein jedoch nicht. Herr Dr. Hofer versuchte diese Wissenslücke zu schließen und erklärte, dass der Gesetzgeber Schutzbestimmungen für bestimmte Minderheiten vorsehe, dies schließe Menschen mit Behinderung ein – besondere Schutzbestimmungen für Obmänner seien hingegen nicht vorgesehen. Die Reaktion von Herrn Kubista auf diese Erklärung war bedauerlicherweise sehr herablassend, denn er sprach mir kurzerhand die Qualifikation ab, die man benötigen würde, um dem Verein beizutreten. Hier zeigt sich ein Menschenbild, welches davon ausgeht, dass Menschen mit einer Behinderung nicht als gleichwertig betrachtet werden und beispielsweise mangelndes Sehvermögen mit fehlender Qualifikation gleichgesetzt wird.

Dass eine derartige Auffassung für das positive Image eines Breitensportvereins, der nach eigenen Angaben Menschen gegenüber offen eingestellt ist, nicht zuträglich ist, spricht durch und durch wohl für sich selbst und so kann die beharrlich vorgebrachte Forderung nach Stillschweigen letztlich nur hieraus abgeleitet werden. Nachdenklich stimmt, dass im Turn- und Sportverein Jedlesee 1891 Kinder und Jugendliche trainieren und Fragen, welche Werte diesen vermittelt werden, bleiben am Ende unbeantwortet.

Der Schlichtungsvergleich beinhaltet, bedingt durch die divergierenden Positionen, lediglich die Einmalzahlung eines Betrags von € 500,00, der meine entstandenen Mehrkosten pauschal abdeckt und welcher an mich überwiesen wurde, so wurde eine weitere juristische Eskalation vermieden.

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