Werbekampagne schreckt mit Behinderung ab

  • SchlichtungswerberIn: Anonym
  • Unterstützt von: Martin Ladstätter
  • Schlichtungspartner: ÖBB-Infrastruktur AG
  • Zeitraum: 28. Oktober 2019 bis 5. Dezember 2019
  • Bundesland: Wien
  • Gesetzesgrundlage: BGStG
  • Einigung: Ja
  • Klage: Nein

Schlichtungsantrag

Die Kampagne „#passaufdichauf!“, die im Internet und im Stadtgebiet von Wien auf Plakaten durchgeführt wurde, benutzt das Bild einer Frau mit Prothese, um vermeintlich auf Gefahren hinzuweisen. Die Bildsprache suggeriert, dass die Konsequenz aus dem Übertritt eines Verbots eine Behinderung ist, was ich als zutiefst diskriminierend empfinde! Die (vermeintliche) Behinderung ist die Strafe für das unerlaubte Überqueren der Gleise.

Es wird in dieser Kampagne eine Verknüpfung aus Verbotsübertritt und Behinderung als Konsequenz daraus hergestellt, was den Eindruck vermittelt, dass Menschen, die auf die Benützung einer Prothese angewiesen sind, selbst Schuld an ihrem Zustand wären und weiter, dass dieser „Zustand“ (mit einer Behinderung zu leben) absolut vermieden werden muss, weil Behinderung etwas absolut Negatives ist und um jeden Preis verhindert gehört.

Durch diese Darstellung wird meine Lebensrealität, mit einer Oberschenkelamputation zu leben, völlig negativ besetzt. Meine Lebensrealität ist ein Zustand, der um jeden Preis verhindert gehört.

Ich möchte, dass diese Kampagne sofort gestoppt wird und ich verlange eine Entschuldigung. Ich erwarte mir von der ÖBB Infrastruktur AG als staatsnaher Betrieb, dass die Rechte von Menschen mit Behinderungen geachtet werden und die Lebensrealität von Menschen mit Behinderung nicht als bedauernswert und unwürdig geframed wird. Daher ist es notwendig, dass die ÖBB Infrastruktur AG dafür Sorge trägt, dass die zuständige Marketingabteilung (oder wer auch immer sich für diese misslungene Kampagne verantwortlich zeichnet) eine Schulung in Sachen Rechte von Menschen mit Behinderungen durchführt und eine neue Kampagne auf der Höhe der Zeit und im Einklang mit den geltenden Menschenrechten ausarbeitet und lanciert. Dafür ist es notwendig, Expertinnen und Experten aus dem Behindertenbereich einzubinden.

Eien schwarze Frau mit kurzen Hosen. Ein Bein ist eine Prothese. Sie steht an einem Bahnsteig, hinter ihr die Gleise. Darunter der Text: Abkürzungen über Bahngleise sind lebensgefährlich
ÖBB

Schlichtungsvereinbarung

  • Spätestens am 24.12. wird das letzte Plakat der in Rede stehenden Kampagne entfernt sein.
  • Mit diesen Sujets wird keine kommerzielle Werbung mehr geführt werden.
  • Im Zuge der Presseaussendung für die neue Kampagne soll jedenfalls eine Erklärung für den Stopp der alten, verbunden mit dem Ausdruck des Bedauerns enthalten sein. Die Vertreter der ÖBB Infrastruktur werden bis spätestens 13. Dezember 2019 eine diesbezügliche Rückmeldung an die Verhandlungsleiterin senden.
  • In den Schulen werden die Sicherheitspräsentationen ab 13. Dezember 2019 mit den neuen anstatt der alten Sujets abgehalten.
  • Das Ersuchen der Schlichtungswerber:in im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit einen fachlichen Austausch zum Thema Behinderung mit betroffenen Expert:innen abzuhalten, wird weitergeleitet und intern abgesprochen, eine diesbezügliche Rückmeldung erfolgt bis spätestens 13. Dezember 2019 an die Verhandlungsleiterin.

Bewertung durch Anonym

Die Schlichtung habe ich herausfordernd gefunden, da im Rahmen des Gesprächs klar eine Reduktion von diskriminierenden Handlungen als persönliches „Empfinden“ stattgefunden hat. Zunächst musste dem Unverständnis seitens der geschlichteten Partei Platz eingeräumt werden, bevor über die diskriminierende Darstellung von Menschen mit Behinderungen gesprochen werden konnte.Diese Erfahrung habe ich auch in anderen Schlichtungskontexten gemacht, dass es einfach kein Verständnis für den Schlichtungsprozess gibt und es gemeinhin als „Zumutung“ empfunden wird.

Am Ende blieb ein schaler Nachgeschmack: Eine der beiden anwesenden Personen der geschlichteten Partei schien bis zum Schluss im Widerstand und konnte nicht nachvollziehen, was an der Kampagne problematisch und diskriminierend war. Es wurde zwar eingelenkt und die Kampagne in dieser Form eingestellt, eine Entschuldigung gab es nicht (nur eine mündlich ausgesprochene beim Schlichtungsgespräch und natürlich mit der Formulierung „Es tut uns leid, wenn SIE sich diskriminiert gefühlt haben.“).

Mein Ziel, diese Kampagne zu stoppen, konnte mit der Schlichtung erreicht werden. Ob es nachhaltig zu einer Veränderung im Unternehmen führt, würde ich eher anzweifeln. Leider konnte die Forderung nicht durchgesetzt werden, dass das Unternehmen eine Schulung dazu macht.

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