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Schönwiese: „Mahnmal der Feindlichkeit“

Der Arbeitsbereich "Integrative Pädagogik" wird an der Uni Innsbruck radikal abgebaut - die Chronologie einer 15 Jahre langen Politik der Verhinderung.

Dieser Artikel von Andreas Hauser erschien in echo 05/2005; Abdruck mit freundlicher Genehmigung der echo-Redaktion.

Volker Schönwiese ist ein anerkannter Lehrer und Forscher. Ein Blick auf die Homepage des Innsbrucker Erziehungswissenschaftlers mit Schwerpunkt Behinderten- und Integrationspädagogik zeigt eine stattliche Anzahl an Publikationen und Vorträgen, gibt aber auch Einblick in seine Aktivität bei Projekten und Selbsthilfegruppen außerhalb der Universität. Der Einsatz könnte Schönwiese und seinem Arbeitsbereich nun zum Verhängnis werden. Denn werden die Pläne des Rektorats und der Fakultätsleitung umgesetzt, wird die „Integrative Pädagogik“ in Innsbruck zur One-Man-Show:

Die seit 1990 (!) zugesagte Professur wird institutsintern verschoben, eine weitere Planstelle wird dem Arbeitsbereich ebenfalls entzogen, da – so heißt es in einer Stellungnahme von Rektor Manfried Gantner – „die wissenschaftlich fundierte Begleitung behinderter Personen durch die Person des Fachmannes A.Prof. V. Schönwiese kompetent und ausreichend wahrgenommen“ wird.

Chronologie der Verhinderung.
„Das ist ein Mahnmal der Feindlichkeit“, findet Schönwiese, der im Alter von zehn Jahren an chronischer Polyarthritis (Gelenksrheumatismus) erkrankte und seitdem selbst behindert ist, harte Worte. Und in der Tat ist die Professorenstelle „Integrative Pädagogik“ kein Ruhmesblatt für die Geisteswissenschaftliche Fakultät und die Universität Innsbruck.

1990 erhielt das Innsbrucker Pädagogik-Institut nach einem Streik vom damaligen Wissenschaftsminister Erhard Busek die Zusage für diese Professur – unter der Voraussetzung, dass sie von der Fakultät an die dringlichste Stelle gereiht wird. Was allerdings – trotz eklatantestem Personalmangel an der Erziehungswissenschaft – niemals geschah. Als 1997 durch die Pensionierung von Ilsedore Wieser am Institut eine Professorenstelle frei wurde, beschlossen die Pädagogen einstimmig, den Posten für das Fach „Behindertenpädagogik – Integrative Pädagogik – Psychosoziale Arbeit“ neu auszuschreiben.

Die Geiwi akzeptierte, und nach weiteren Verzögerungen konnte sich im Jahr 2000 eine Berufungskommission konstituieren, die auch einen Besetzungsvorschlag erstellte. Allerdings stoppte das Ministerium im Mai 2001 die Arbeit der Kommission – die Zusammensetzung entsprach nicht der Geschäftsordnung der Uni Innsbruck. Peinlich war für die heimische Alma Mater, dass dieser Vorwurf auf mehrere Berufungskommissionen zutraf. In der Folge änderte die Uni ihre Geschäftsordnung derart, dass sich die Kommissionen in ihrer alten Zusammensetzung neu gründen und ihre schon gefassten Beschlüsse bestätigen konnten. Nicht aber die Pädagogik, die im Juli 2001 ein neues Verfahren starten musste und wieder einen Dreiervorschlag erstellte.

Im Jahr 2002 änderte der Senat allerdings die Bezeichnung der Lehrkanzel auf „Pädagogik der Integration“. Die Folge war die dritte Ausschreibung, im Dezember 2003 wurde der Besetzungsvorschlag an das Rektorat weitergeleitet – wo er verstaubte und nun wohl nach der Unterzeichnung der Zielvereinbarung zwischen Rektor Gantner und Heidi Möller, Dekanin der Bildungswissenschaftlichen Fakultät, im Reißwolf landen wird. Dass Schönwiese und sämtliche Mittelbauvertreter des Instituts erst im Nachhinein von der Aktion erfahren haben, passt ins Bild einer 15 Jahre langen Verhinderung.

„Rational ist das nicht nachvollziehbar, es zeigt vielmehr die Einstellung, dass die Uni diesen Arbeitsbereich nicht haben will“, kritisiert Schönwiese. Unterstützung in seinem Protest gegen diese „zerstörerische Entscheidung“ erhält er von Mitarbeitern des Instituts, aber auch von rund 300 Wissenschaftlern, Politikern und Institutionen aus dem In- und Ausland, die nicht nur Konsequenzen für die Studierenden befürchten, sondern vor allem für Fachkräfte, die mit behinderten Menschen arbeiten, da ihnen diese in Österreich einzigartige wissenschaftliche Basis entzogen wird.

Noch unverständlicher wird die Entscheidung der Uni im Hinblick auf die gesellschaftspolitische Relevanz dieses Arbeitsbereiches, die er im Laufe der Jahre in zahlreichen Projekten zur Integration behinderter Menschen bewiesen hat. Seine universitätspolitische Relevanz beweisen kann in dem Fall „Integrative Pädagogik“ noch der Universitätsrat – die Fakultätsentwicklungspläne müssen von ihm abgesegnet werden.

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