Schrei nach Freiheit

Am 23. September 2013 geht es um fundamentale Menschenrechte und die volle Teilhabe an der Gesellschaft für eine Milliarde Menschen. Bericht von Gabriel Müller aus New York.

Rheka Kumari Rupert Roniger Henry Wanyoike Freiheitsstatue
Eden photography/Light for the World

Menschen mit Behinderungen, die größte Minderheitengruppe der Welt – bis heute stigmatisiert, versteckt oder verstoßen, nie im Zentrum, immer am Rande der Gesellschaft. Exkludiert statt inkludiert. „Nichts über uns ohne uns!“ rufen NGO-Vertreter aller Kontinente nach dem Ende der Barrieren, darunter eine Kinderdelegation aus Indien.

Mit einem weißen Stock tappt Mike Godino vom Brooklyn Center for the Independence of the Disabled (BCID) in das verglaste und hell erleuchtete Konferenzzimmer der Ständigen Vertretung Österreichs bei den Vereinten Nationen in New York. Es ist ein gutes Gefühl, im einundreißigsten Stock einer diplomatischen Vertretung sein fundamentales Anliegen in höheren Sphären zu sehen.

Wann, wenn nicht jetzt

Eine einzigartige Mission, die er dieser Tage gemeinsam mit Brüdern und Schwestern mit Behinderungen von allen fünf Kontinenten verfolgt. „Wann, wenn nicht jetzt. In den USA haben uns im vergangenen Jahr nur fünf Stimmen im Senat gefehlt, um die UN Konvention zu den Rechten von Menschen mit Behinderungen zu ratifizieren. Heuer müssen wir das hinkriegen, schließlich geht es um Rechte für die verletzlichsten Mitglieder unserer Gesellschaft!“

Dann kommt Rheka Kumari ans Wort, mit kräftigen Handbewegungen rollt das Mädchen aus Nordost-Indien ihren kleinen Rollstuhl vor das Podium der Pressekonferenz der internationalen Fachorganisation ‚Light for the World‘, ihr Herz ist voll, ihre Stimme stark: „Bei Regenwetter schaffe ich aus eigener Kraft den Weg in meine Schule nicht rechtzeitig. Dann wird mir vorgeworfen, dass ich mich nicht an die Regeln halte. Wenn ich ins Krankenhaus muss, bin ich die letzte in der Warteschlange und werde als letzte oder manchmal gar nicht behandelt. Wir Kinder mit Behinderungen haben Rechte, wann wird die Welt das verstehen?“

Der blinde Weltrekordhalter im Marathon, Henry Wanyoike aus Kenia, schlägt mit seinem Statement in dieselbe Kerbe: „Kein Mensch hat an mich geglaubt, als ich nach meiner Erblindung Weltrekorde brechen wollte, manchmal auch ich selber nicht mehr. Aber: „Wir sind sehr ent-hindert, wenn wir entsprechende Entfaltungsmöglichkeiten haben. Behinderung ist nicht dasselbe wie Unfähigkeit …“

Die Stimmen der SelbstvertreterInnen, Junge und Alte, von allen Teilen dieser Erde, klingen durch die Straßen von New York. Nun sind die Staatsoberhäupter am Wort, kommenden Montag 23. September im UNO Hauptquartier: „Sie sollen Taten setzen, damit alle Kinder mit Behinderungen eine Schule besuchen können. Damit die Entwicklungszusammenarbeit barrierefrei wird. Und damit die Bemühungen zur Armutsverringerung auch behinderte Menschen erreichen“, so Rupert Roniger, Geschäftsführer der österreichischen Fachorganisation ‚Licht für die Welt‘.

Es gehe schließlich um nicht weniger als das Leben und die Entfaltungsmöglichkeiten jedes siebenten Menschen auf unserer Erde.

Professor Stephen Hawking schreibt in seinem Vorwort zum ‚Weltbericht zu Behinderung‘: „Die Regierungen dieser Welt können nicht länger die Millionen Menschen mit Behinderungen übersehen, denen Zugang zu Gesundheit, Rehabilitation, Unterstützung, Bildung und Arbeit versagt wird, und die niemals eine Chance bekommen, zu erstrahlen.“

Aus diesem Anlass erblindete schon diesen Freitag in New York das weltweite Wahrzeichen für Freiheit, durch die Hände von Menschen mit Behinderungen vieler Kontinente. Das New Yorker Wahrzeichen wurde für diese entscheidende Zeit zu Justitia. Und die Welt hält den Atem an.

Die Freiheitsstatue ist dadurch die wachsame Hüterin der Gerechtigkeit, die so vielen Menschen mit Behinderungen verwehrt ist. Doch nicht das Richtschwert hält sie in der rechten Hand, sondern die Fackel der Hoffnung, das Feuer der Freiheit.

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