Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte fällte die Entscheidung in der Causa D.H. und andere gegen die Tschechische Republik.
Die Klage wurde vor 8 Jahren von 18 Roma-Kindern vertreten durch das European Roma Rights Center ERRC erfolglos beim zuständigen tschechischen Gericht eingebracht. Verlangt wurde die Abhilfe für eine Praktik Kinder von Angehörigen der Roma unabhängig von ihren tatsächlichen intellektuellen Fähigkeiten in spezielle Schulen für Kinder mit Lernbehinderung zu schicken. Untersuchungen hatten gezeigt, dass in der Stadt Ostrava trotz gleicher Begabung 27mal mehr Kinder aus Romafamilien als aus nicht-Romafamilien in diesen speziellen Schulen aufgenommen wurden.
Der Gerichtshof für Menschenrechte sprach jedem der Antragsteller einen immateriellen Schadenersatz in der Höhe von 4000 Euro sowie allen gemeinsam 10,000 Euro an Verfahrenskosten, zu.
Nachstehende Richtung weisende Punkte wurden vom Gerichtshof besonders hervorgehoben:
- Diskriminierungsmuster – der Gerichtshof legte Wert auf den Hinweis, dass nicht nur spezielle Akte von Diskriminierung von der Menschenrechtskonvention abgelehnt werden, sondern dass auch gewisse ständig wiederkehrende Praktiken ethnische Gruppen an der Ausübung ihrer Rechte hindern.
- Segregation – das Urteil stellt klar dass rassistische Segregation zu den Diskriminierungsgründen gemäß Art. 14 MRK zählt.
- Diskriminierungsfreier Zugang zur Bildung ist für Roma in Gesamteuropa ein bekanntes Problem.
- Übereinstimmung des Art. 14 MRK mit den Anti-Diskriminierungsgesetzen in der EU.
Der Gerichtshof für Menschenrechte stellte darüber hinaus folgende prinzipielle Fragen klar:
- Indirekte Diskriminierung ist auch dann gegeben, wenn angeblich neutrale Vorschriften auf Basis rassistischer Vorurteile erlassen werden.
- Eine Verletzung des Art. 14 MRK kann auch dann vorliegen, wenn hinter der Maßnahme oder Behandlung keine Absicht eine bestimmte Gruppe zu diskriminieren, steht.
- Dem Anschein nach neutrale Gesetze und Vorschriften, die in ungerechtfertigter Weise für Angehörige einer ethnischen Gruppe einen Nachteil bedeuten, sind auch dann diskriminierend, wenn der reine Wortlaut keine diskriminierenden Rückschlüsse zulässt.
- Statistiken sind keine unabdingbare Voraussetzung, um indirekte Diskriminierung festzustellen.
- Beweislastumkehr – um den effektiven Schutz von Gleichbehandlungsbestimmungen besser zu gewährleisten, soll eine Beweislasterleichterung für die Betroffenen gelten. Wenn Betroffene eine indirekte Diskriminierung behaupten, gilt solange die Annahme, dass eine Maßnahme diskriminierend ist, solange die verantwortliche Institution nicht nachweist, dass die unterschiedliche Behandlung nicht diskriminierend ist.
- Spezielle Situation der Roma -Bevölkerung – auf Grund der historischen Entwicklung zählen Roma zu einer besonders benachteiligten Minderheit, die eines besonderen Schutzes bedarf.
Zwei Aspekte unterschiedlicher Natur machen dieses Urteil über den zu Grunde liegenden Einzelfall hinaus bemerkenswert.
- Benachteiligung von Roma beim Zugang zur Bildung
Dem Urteil zu Grunde gelegt wurde eine Untersuchung des ERRC über die Situation im Schulwesen, die für die Stadt Otrava aber darüber hinaus für weitere Gebiete in der Tschechischen Republik und den angrenzenden Staaten feststellen, dass ein diskriminierender und segregierender Zugang zur Bildung für Roma-Kinder gegeben ist. Dies zeigt wiederum allgemein die Benachteiligung auf, die Angehörige einer bestimmten ethnischen Gruppe bei der Ausbildung durch bestehende Vorurteile erleiden. - Festlegung von Kriterien zur Feststellung von indirekter Diskriminierung
Rechtlich interessant ist die Festlegung der einzelnen Prinzipien, wann indirekte Diskriminierung vorliegt. Diese können nunmehr hilfreich bei der Interpretation und Umsetzung der entsprechenden Bestimmungen in den europäischen Gleichbehandlungsgesetzen herangezogen werden.
Den Wortlaut der gesamten Entscheidung findet man im Internet.