Selbstbestimmt leben durch persönliche Assistenz

Bericht aus Salzburg

Tafel mit dem Aufdruck Salzburg
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Was verstehe ich unter „selbstbestimmt leben“?

Selbstbestimmt leben bedeutet für mich in erster Hinsicht frei entscheiden zu können, wo und unter welchen Bedingungen ich leben möchte, aber auch frei entscheiden zu können, von wem und vor allem wie ich mir helfen lasse.
Das heißt, ich muß die Möglichkeit haben, mir meine AssistentInnen selbst aussuchen, einschulen und auch selbst bezahlen zu können. Ich will für mich und mein Leben Verantwortung übernehmen und mich nicht von Personen, Organisationen oder Vereinen verwalten, „betreuen“ und bevormunden lassen.

Ich will meine täglichen Bedürfnisse selbst organisieren und koordinieren und will ganz einfach MEIN LEBEN selbst in die Hand nehmen und nach meinen Wünschen und Vorstellungen gestalten können.

Wie sieht nun diese persönliche Assistenz bei mir aus?

Ich bin 28 Jahre, habe einen Beruf (bin diplomierte Sozialarbeiterin), bin halbtags in einem Büro beschäftigt und lebe seit zehn (10) Jahren in einer eigenen, von mir geführten Mietwohnung. Ich bin seit Geburt an „klassischbehindert“ und daher ständig auf meinen Elektro-Rollstuhl und andere Personen angewiesen. Ohne fremde Hilfe (Assistenz) ist es mir nur für ein paar Stunden möglich, alleine zu sein.

Ich benötige persönliche Assistenz

beim Aufstehen, Baden, auf die Toilette gehen, beim An- und Ausziehen, zum Frisieren und auch nachts zum mehrmaligen Lagewechsel. Aber auch für meine Wohnung und den Haushalt, sowie für meinen ausgebildeten Partnerhund, das heißt:
Einkaufen, Kochen, Staubsaugen, Geschirr abwaschen, Aufräumen, Putzen, Blumen gießen, Nähen, Wäsche waschen, Hund füttern und kurz ausführen etc. ….

Weiters Begleitung bei diversen Erledigungen (z. B. Friseur, Bank, Post, Ämter, Arzt etc. …) und auch für meine persönlichen Interessen (Besuche, Schwimmen gehen, Theater, Kino, Konzert, Veranstaltungen, Seminare, Kurse, Tagungen, Kongresse, Ausstellungen, Urlaub und sonstige Aktivitäten). Auch für die tägliche Fahrt von und zur Arbeit brauche ich persönliche Assistenz.

Dies alles zusammengefaßt ergibt einen großen und teilweise sehr intimen und persönlichen Arbeitsbereich. Daher kann es auch nicht möglich sein, diese „Arbeit“ von irgendwelchen Personen machen zu lassen.

Sehr wichtig dabei ist

das Vertrauen und die persönliche Beziehung zum/zur Assistent/In. Ich muß mir also die Personen sehr genau ansehen, befragen und aussuchen und muß mir dann überlegen, ob ich mir ein so intensives Arbeitsverhältnis nun vorstellen kann oder nicht. Ich muß auch das Recht haben, „NEIN“ sagen zu können, ohne ein schlechtes Gewissen zu haben, genauso wie ich dies auch dem/der Assistent/In zuspreche.

Weitere Voraussetzungen für ein derartiges Arbeitsverhältnis sind vor allem für mich die folgenden drei Punkte:

  • gegenseitiges Vertrauen und Offenheit, Ehrlichkeit
  • Pünktlichkeit und
  • Verläßlichkeit, das heißt: vereinbarte Termine sind 100% einzuhalten, wenn sie nicht nach Vereinbarung verschoben oder anders besetzt werden

Ich erwarte mir von meinen AssistentInnen, die Dinge für mich so zu erledigen, wie ich es selbst tun würde, wenn ich es könnte. Dazu ist natürlich ein enormes Verständnis, Geduld und die gegenseitige Akzeptanz notwendig.

Derzeit arbeiten für mich sechs Assistentinnen. Sie sind auch für Ersatzdienste, Vertretungen, Krankenstände und Urlaubsvertretungen zuständig.

Wichtigstes Prinzip

und Voraussetzung für eine gute Zusammenarbeit ist es, vereinbarte Termine unbedingt einzuhalten. Weiters wird der Dienstplan dann von mir geschrieben, kopiert und an die Assistentinnen verteilt.

Der Frühdienst beginnt um 6.45 Uhr und dauert in der Regel 2,5 bis 3,5 Stunden. Der Mittagsdienst beginnt um 12.30 und dauert ca. 2 Stunden, der Abenddienst beginnt zwischen 18.00 und 19.00 Uhr und dauert ca. 1,5 Stunden. Der Nachtdienst beginnt generell um 22.00 Uhr und dauert maximal 12 Stunden. Zwischendurch kommen natürlich für sämtliche Aktivitäten und Erledigungen zusätzliche Stunden hinzu.

Ich bezahle pro Stunde S 93,–, zusätzlich für jede Anfahrt eine Pauschale (S 45,–) und für jeden Nachtdienst S 527,– für maximal 12 Stunden, Wochenend und Feiertagsnachtdienst S 780,–. Auch die Teambesprechung bezahle ich mit S 93,– pro Stunde (dies wird aber nur für maximal 2 Stunden von mir bezahlt, auch wenn das Team länger dauert).

Da ich es äußerst wichtig finde, regelmäßig über auftretende Schwierigkeiten, Konflikte, Fragen und Anregungen sprechen zu können, ist dieses Team ein notwendiger Bestandteil der persönlichen Assistenz. Die Teambesprechungen werden von mir vorbereitet und geleitet, in der Regel dauern sie ca. 3 Stunden.

Die Assistentinnen bekommen ihr Honorar monatlich von mir ausbezahlt, jeweils am Monatsanfang für das vergangene Monat. Alle Assistentinnen arbeiten auf Honorarbasis und sind auch selbst dafür verantwortlich, Steuern zu bezahlen.

Meine Assistentinnen arbeiten

im „Radldienst“, auch achte ich darauf, daß nicht immer die gleiche Assistentin z. B. am Wochenende eingeteilt wird.

Um meine Assistentinnen zumindest ein bißchen rechtlich abzusichern, habe ich für alle eine Unfall- und Haftpflichtversicherung abgeschlossen. Ich verstehe mich als Arbeitgeber und habe somit auch für die Interessen und Zufriedenheit meiner Assistentinnen zu sorgen. Mein Wunsch wäre es, meine AssistentInnen bei mir fix anzustellen, doch dafür sind meine finanziellen Mittel derzeit zu knapp.

Grundsätzlich erwarte ich mir von meinen Assistentinnen keine einschlägige Praxis oder Erfahrung, auch keine spezielle Ausbildung oder Schulung, sondern nur die Bereitschaft, die Geduld und das Verständnis aufzubringen.

  1. auf meine speziellen Bedürfnisse und Wünsche bezüglich meiner persönlichen Assistenz einzugehen …
  2. vertraulich mit persönlichen und intimen Informationen umzugehen …
  3. meinen privaten und persönlichen Bereich, sowie meinen Lebensstil zu akzeptieren und die erwähnten Voraussetzungen einzuhalten…

Seit 1. August 1989

habe ich es nun nach langem „kämpfen“, bitten und begründen geschafft, auch diesen Teil (Abrechnung und Bezahlung) selbst zu erledigen.

Selbstbestimmt und selbstgeführt leben zu können, bedeutet für mich, auch die finanziellen Belange meiner persönlichen Assistenz selbständig zu verwalten und diese Verantwortung zu übernehmen. Ich bekomme somit das notwendige Geld für meine persönliche Assistenz auf mein Konto (sprich „auf die Hand“) und kann damit meine AssistentInnen selber bezahlen.

Ich werde auch in Zukunft alles daransetzen, diese Form beibehalten zu können, da alle anderen Alternativen für mich nicht akzeptabel sind und für mich eine Heimunterbringung völlig indiskutabel und menschenunwürdig ist.

Ich lasse mich nicht mehr (habe Heimerfahrung hinter mir) ghettoisieren und aussondern und somit an den Rand der Gesellschaft drängen.

Ein Leben ohne persönliche AssistentInnen könnte ich mir nicht mehr vorstellen und sehe mit dieser Forderung auch mein Recht auf individuelle Lösungen, die für mich akzeptabel sind.

Jeder Mensch hat das Recht auf Individualität und das Recht, sein Leben so zu führen und zu gestalten, wie er es für richtig hält – ich nehme dieses Menschenrecht auch für mich in Anspruch.

Braucht jemand jedoch aufgrund seiner Behinderung persönliche Assistenz, um dies zu verwirklichen, so müssen die finanziellen Mittel zur Verfügung gestellt werden, um sich persönliche AssistentInnen bezahlen zu können. (Anmerkung: In Summe bekommt Andrea Mielke S 40.418,– für persönliche Assistenz.)

Es ist an der Zeit, endlich einmal nicht nur von Integration und Gleichberechtigung der „Behinderten“ zu sprechen, sondern auch danach zu handeln. Es ist Zeit, gängige und übliche Aussonderungsmethoden zu verändern. Behinderte Menschen wollen nicht mehr länger abgeschoben, verwaltet und bevormundet werden (wie es in Heimen und Sondereinrichtungen der Fall ist), sondern ein selbstbestimmtes und selbstgeführtes Leben in einer selbstgewählten Umgebung führen.

Es ist Pflicht von uns allen, dies positiv zu unterstützen und daran zu arbeiten, und es ist die Pflicht der Politiker und Behindertensprecher, die dafür notwendigen finanziellen Mittel bereitzustellen.

Spruch: Es gibt nur einen einzigen Grund, etwas zu verändern und nicht beim Alten zu lassen – du hältst es einfach nicht mehr aus!!

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