Vom 22 -24. 4. 1994 veranstaltete die EAMDA (Europäischer Dachverband der Gesellschaft für muskelkranke Menschen) in Kopenhagen/Dänemark ein Workshop zum Thema: "Selbstbestimmtes Leben und Rechte für behinderte Menschen" Bericht für "muskel aktiiv".
Als Vertreter von Österreich freut mich dies besonders, da die EAMDA bisher primär nur die wissenschaftliche Seite hervorhob. Seit der Präsidentschaft von Evald Krog (aus Dänemark) hat sich dies aber grundlegend geändert.
Diese Arbeitsgruppe
ist der Beginn einer europaweiten Zusammenarbeit behinderter Menschen. Ziel ist die Vernetzung, der Erfahrungsaustausch und die gegenseitige Unterstützung. Da aber Selbstbestimmt Leben nichts mit einer Art der Behinderung zu tun hat, sind die Initiativen der EAMDA grundsätzlich behinderungsunabhängig. Teilnehmer aus 8 Staaten fanden sich zu diesem Treffen ein um ihre persönlichen Erfahrungen auszutauschen.
Besondere Beachtung
fand die Pflegevorsorge in Dänemark. Dieses System erlaubt es auch schwerstbehinderten Menschen rund um die Uhr Assistenz zu suchen und diese auch anzustellen. Zusätzlich wird von den Behinderten noch eine kleine Organisation geleitet, die als Pool fungiert, falls AssistentInnen krank geworden sind oder aus anderen Gründen kurzfristig kein Ersatz gefunden werden konnte.
Seit 1. Jänner 1994 gibt
es auch in Schweden ein neues „Assistenzgesetz“ welches – ähnlich wie in Dänemark – behinderte Menschen unabhängig macht. Erfahrungen mit diesem noch sehr jungen Gesetz werden bei einem der nächsten Treffen mitgeteilt.
In Dublin (Irland) wurde mit Hilfe der irischen Muskelgesellschaft ein Selbstbestimmt Leben Zentrum gegründet. (Teilweise subventioniert die EG dieses Zentrum)
Dieses Zentrum hat im Moment zwei Programme laufen. Eines beschäftigt sich mit dem vermitteln von Grundwissen und Praxiserfahrung im Umgang mit persönlicher Assistenz. Das andere Programm ist für schwerbehinderte Menschen im Heim. Diesen wird geholfen, sich die nötige Infrastruktur für ein selbstbestimmtes Leben in den eigenen vier Wänden zu organisieren.
Die anderen vertretenen Länder (leider war diesmal kein Vertreter aus Deutschland und Frankreich anwesend) berichteten von einzelnen Ansätzen.
Ich konnte mitteilen, daß wir in Österreich soeben das erste Zentrum für Selbstbestimmtes Leben gegründet haben. Doch hier endete schon die Freude. Österreich wird in Europa als behindertenfreundlich und wirtschaftlich potentes Land angesehen.
Um so größer war das Erstaunen, als ich von den vielen gesetzlichen Diskriminierungen in Österreich erzählte. Die neue österreichische Pflegevorsorge fand solange Interesse, bis ich mitteilte, daß schwerbehinderte Menschen durchschnittlich S 35,pro Stunde für Assistenz bekommen.
Antidiskriminierung
Der zweite Punkt des Workshop handelte von Antidiskriminerung und Recht für behinderte Menschen. Keines der Teilnehmerländer hat ein Antidiskriminierungsgesetz (= Gleichstellungsgesetz). Es wurde diskutiert, ob die einzelnen Länder überhaupt ein Antidiskriminierungsgesetz wollen. Die Mehrheit der Teilnehmer sprach sich dafür aus.
An Beispielen wurden das USA-Gesetz und die Regelung in Australien besprochen. Weiters berichteten die VertreterInnen aus Großbritannien, daß in ihrem Land die Vorbereitung sehr weit fortgeschritten ist. (Auch Deutschland hat schon sehr konkrete Vorschläge.)
UNO-Resolution
Weiters wurde auf die Bedeutung der UNO-Resolution eingegangen. Besonders sei hier die Menschenrechtskonferenz in Wien erwähnt, aber auch die „Standard rules on the equalization of opportunities for persons with disabilities“. Die UNO wird ab 1995 auch ein Sekretariat einrichten, daß Diskriminierungen behinderter Menschen aufzeigt.
Abschließend wurde vereinbart, daß diese Workshops regelmäßig abgehalten werden. Alle Initiativen zum Thema Selbstbestimmtes Leben in Europa müssen vernetzt werden, um ein möglichst effizientes Arbeiten zu ermöglichen.
Martin Ladstätter