Sind Österreichs Bahnhöfe wirklich schon „zum größten Teil barrierefrei“, Herr Minister?

Eine Analyse der parlamentarischen Anfrage von Abgeordneten Ralph Schallmeiner (GRÜNE) und der Antwort von Verkehrsminister Peter Hanke (SPÖ).

Verkehrsminister Peter Hanke kürzt Mittel für Barrierefreiheit bei ÖBB-Bahnhöfen
BIZEPS / ChatGPT

„Österreichs öffentlicher Verkehr ist bereits zum größten Teil barrierefrei zugänglich“, erklärte Bundesminister Peter Hanke (SPÖ) im Sommer 2025. Eine Aussage, die der Nationalratsabgeordnete Ralph Schallmeiner (GRÜNE) kritisch hinterfragte.

In einer umfassenden parlamentarischen Anfrage (2751/J) wollte Abgeordneter Schallmeiner wissen, wie es tatsächlich um die Barrierefreiheit der Bahnhöfe steht – und erhielt im September 2025 eine detaillierte Antwort des Ministers (2367/AB).

490 barrierefreie Bahnhöfe – nur rund 40 Prozent

Laut der Beantwortung stehen aktuell 490 barrierefreie Stationen im Netz der ÖBB-Infrastruktur AG zur Verfügung. Das entspricht – bezogen auf rund 1 200 Bahnhöfe und Haltestellen mit Personenverkehr – nur etwa 40 Prozent des Gesamtnetzes.

Hanke verweist jedoch darauf, dass 89 Prozent der täglichen Fahrgäste bereits barrierefreie Stationen nutzen können. Das bedeutet: Vor allem große Bahnhöfe und Knotenpunkte sind heute gut ausgebaut, während viele kleinere Stationen, insbesondere im ländlichen Raum, weiterhin Defizite aufweisen. Der Minister schreibt in seiner Antwort:

Österreich verfügt im internationalen Vergleich über einen sehr hohen Standard bei der Barrierefreiheit von Verkehrsstationen, der dennoch laufend vorangetrieben wird.

Finanzierung: Mehr Gesamtbudget, aber weniger Spielraum

Kritisch betrachtet wird der neue ÖBB-Rahmenplan 2025–2030, in dem die Mittel für Barrierefreiheit nominell von ursprünglich 300 Mio. € auf 261,4 Mio. € sinken. Hanke betont zwar, dass die Gesamtsumme aller Maßnahmen – also inklusive anderer Projekte mit barrierefreien Komponenten – auf 795 Mio. € ansteigt, räumt aber ein, dass es „Beiträge zur Budgetkonsolidierung“ und „zeitliche Streckungen einzelner Projekte“ gebe.

Abgeordneter Schallmeiner sieht darin eine bedenkliche Prioritätensetzung: Gerade beim Thema Barrierefreiheit seien Einsparungen besonders spürbar, weil viele Umbauten jahrelange Planungs- und Genehmigungsphasen benötigen.

Welche Bahnhöfe sind gesetzeswidrig noch immer nicht barrierefrei?

Nach dem Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz (BGStG) und seinen Erläuterungen besteht für Bahnhöfe mit hohem Verkehrsaufkommen, in Landeshauptstädten, im Bezirkshauptstädten oder auf Hochleistungsstrecken – eine klare gesetzliche Verpflichtung, barrierefrei ausgestaltet zu sein.

Für kleinere Stationen und Haltestellen gelten dagegen Ausnahmen, wenn ein Umbau wirtschaftlich unverhältnismäßig oder technisch unzumutbar wäre.

Gerade deshalb ist die folgende Liste (im Anhang der Anfragebeantwortung) bemerkenswert: Sie zeigt, dass selbst an zentralen Bahnhöfen, die längst barrierefrei sein müssten, noch immer gravierende Defizite bestehen; was auch immer wieder zu Problemen führt.

Der Minister nennt in seiner Antwort:

  • 20 Bahnhöfe in Landeshauptstädten, darunter beispielsweise Wien Erzherzog Karl-Straße und Wien Speisung, Bregenz Hafen, Innsbruck Westbahnhof, Linz Urfahr, Eisenstadt Schule.
  • 24 Bahnhöfe in Bezirkshauptstädten, darunter beispielsweise Dornbirn Haselstauden, Kitzbühel Hahnenkamm, Ried im Innkreis, Wels Messe, Villach Warmbad.
  • 3 wichtige Umsteigeknoten auf Hochleistungsstrecken: Ried im Innkreis, St. Michael, Selzthal.
  • 13 Bahnhöfe mit über 2.000 Reisenden pro Tag sind betroffen, etwa beispielsweise Bad Ischl, Frastanz oder Ötztal.

Barrierefreiheit ist mehr als Rampen und Aufzüge

Die Anfragebeantwortung zeigt, wie vielschichtig der Begriff „barrierefrei“ ist. Die ÖBB bewerten Bahnhöfe anhand von über 150 Merkmalen. Die Bewertung unterscheidet drei Stufen – von „barrierefrei nutzbar“ über „bedingt barrierefrei“ bis „nicht barrierefrei“.

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