In einer Sitzung des Monitoring Ausschusses am 27. April 2021 wurde die Situation von Menschen mit Behinderungen während der COVID-19 Pandemie besprochen.
COVID-19 bestimmt unser aller Alltag, aber insbesondere den Alltag von Menschen mit Behinderungen. Deshalb beschäftigte sich die öffentliche Sitzung des Monitoring Ausschusses am 27. April 2021 mit der Situation von Menschen mit Behinderungen während der COVID-19 Krise.
Die Vorträge zum Thema wurden aufgrund der aktuellen Situation in einem Video-Livestream festgehalten. Sie beleuchten verschiedene Aspekte der Pandemie. Ein besonderes Augenmerk lag dabei auf der Situation von Menschen mit Behinderungen, die in Einrichtungen leben.
Einschränkungen verstärkt
Menschen mit Behinderungen seien in ihrer Lebenssituation oft ohnehin schon eingeschränkt. Dies habe sich während der Pandemie noch verstärkt, sagt Christine Steger in den einleitenden Worten zu den Vorträgen.
Erich Wahl vom VertretungsNetz -Bewohnervertretung stellt fest, dass manche Einrichtungen mit der Umsetzung der Corona-Regelungen weit über das Ziel hinausschossen. Auch wurden die Verbote nicht gelockert, selbst wenn dies im Rest der Gesellschaft schon geschah.
Sehr viele Einrichtungen hätten verboten, die Einrichtung zu verlassen, obwohl dies gesamtgesellschaftlich schon möglich war, so Wahl. Es gab nicht nur Beschwerden über die Ausgangsverbote, sondern auch über strikten Isolierungsmaßnahmen nach der Rückkehr von Krankenhausaufenthalten und über Besuchsregelungen.
Die massiven Ausgangsbeschränkungen und strengen Regelungen in Einrichtungen hätten dazu geführt, dass sich der Gesundheitszustand von Bewohnerinnen und Bewohnern auch unabhängig von Corona ganz massiv verschlechtert hat, so Wahl.
Ein Grund für die strikte Auslegung der Regelungen könnte sein, dass allgemein eine Verwirrung darüber herrschte, welche Regelungen jetzt wie umzusetzen sind. Erich Wahl spricht angesichts der ganzen Entwicklungen sogar von der Gefahr zur Rückkehr zu einer totalen Institution. Für Erich Wahl zeigt die Corona Krise klar, dass die klassische Institution einfach nicht mehr zeitgemäß ist.
Auch Reinhard Klaushofer, Leiter vom Institut für Menschenrechte und sowie einer Kommission der Volksanwaltschaft, berichtet über die problematische Situation in Einrichtungen. Er spricht von einer Zurückdrängung der Selbstbestimmung zugunsten einer Übermacht der Sicherheit.
Es würde nicht versucht, die Menschen in Entscheidungen, die Pandemie betreffend, einzubinden. Während der COVID-19-Krise würden die personellen Engpässe in Heimen noch stärker zum Tragen kommen. Klaushofer meint, dass auch auf die Notwendigkeit von psycho-sozialer Betreuung vergessen wurde.
Erschwerend käme noch hinzu, dass externe Betreuungsangebote während der Pandemie nicht mehr zur Verfügung standen. Auch er sieht in den sich ständig ändernden gesetzlichen Bestimmungen ein Problem.
Diese würden zu Missverständnissen führen und dazu, dass die Regelungen in Einrichtungen strenger umgesetzt werden. Bei gesetzlichen Regelungen sollte dem Heimaufenthaltsgesetz der Vorzug gegeben werden.
Zum Abschluss seines Vortrages stellt Klaushofer noch eines dar: die Coronakrise sei ein gesamtgesellschaftliches psycho-soziales Problem. Man müsse mehr auf die Menschen und ihre individuellen Sorgen eingehen. Man muss miteinbeziehen, was die aktuelle Situation für Menschen mit Behinderungen in Einrichtungen bedeutet.
Klaushofer weist darauf hin, dass die Coronakrise und das damit verbundene und ständig betonte social distancing nicht zur sozialen Spaltung führen dürfe und dazu, dass die Menschen, die ohnehin schon am Rand der Gesellschaft sind, noch weiter an den Rand gedrängt werden.
UN-Konvention verletzt
Daniel Pateisky von der Wiener Monitoringstelle geht in seinem Vortrag auf die wichtigsten Inhalte des Corona-Wahrnehmungsberichts der Wiener Monitoringstelle ein. Pateisky legt dar, dass viele Rechte der Menschen mit Behinderungen nicht ausreichend gesichert wurden. So seien gleich mehrere Artikel der UN-Behindertenrechtskonvention verletzt worden.
Folgende zentrale Fragen waren im Bericht ausschlaggebend:
- Gibt es Ereignisse, die dem Sinn der UN-Behindertenrechtskonvention widersprechen?
- Was könnte man in Zukunft in so einer Krise besser machen?
Die Antwort auf diese Fragen wird anhand von Beispielen aus vier Bereichen gegeben: Gesundheit, barrierefreie Informationen, Einrichtungen und Aufmerksamkeit.
Aufgrund der Corona-Pandemie wurden zum Beispiel im Gesundheitsbereich wichtige laufende Therapien eingestellt. Auch dies führte zur Verschlechterung der Gesundheit der betroffenen Personen.
In Wiener Spitälern gab es massive Einschränkungen bei Besuchen und zu frühe Entlassungen von Patientinnen und Patienten. Ein weiteres Problem war der Mangel an Schutzausrüstung. Diese sei während der Pandemie vor allem in der Anfangszeit, nicht in richtigem Maße zur Verfügung gestellt gewesen.
Pateisky bemängelt auch, dass es kaum barrierefreie Informationen über die Pandemie gegeben habe. Zu den Einrichtungen äußerte sich Pateisky wie schon seine Kollegen in den vorherigen Vorträgen dahingehend, dass Bewohnerinnen und Bewohner durch die massiven Beschränkungen isoliert wurden.
Menschen mit Behinderungen, das habe die Coronakrise gezeigt, haben ein besonderes Risiko von der Teilhabe ausgeschlossen zu sein. Für Pateisky bleibt ein Fazit, dass die konsequente Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention auch eine wichtige Präventionsmaßnahme in Zeiten der Pandemie sei.
Individuelle Probleme in der Krise
Monika Mück-Egg vom Tiroler Monitoringausschuss und Petra Derler von der IdEE Wien gingen in ihren Vorträgen auf die Situation von gehörlosen Menschen und Menschen mit psychosozialen Behinderungen ein.
Monika Mück-Egg gibt einen Rückblick auf die Situation von gehörlosen Menschen in Tirol während der Coronakrise. Dabei ging sie vor allem auf das Recht auf Information in österreichischer Gebärdensprache ein. Mück-Egg betont das Recht von gehörlosen Menschen auf Informationen, die sofort verstehbar sind.
Etwas im Nachhinein im Internet nachlesen zu müssen, sei nicht ausreichend. Außerdem betont sie, dass Informationen in Muttersprache, nicht nur in Schriftsprache vorliegen müssen. Auch Textinformationen im Internet müssen als Gebärdensprachvideos vorliegen, so Mück-Egg. Problematisch sei auch das Coronatelefon. Eine Telefonnummer alleine sei für gehörlose Personen nicht nutzbar und damit nicht barrierefrei. Zuletzt betont Mück-Egg, dass es bedauerlich ist, dass sehr viele Gehörlosenvereine ein Jahr lang nicht arbeiten konnten. Dadurch fehlen wichtige Gespräche aber auch Spendengelder.
Für Derler ist die Corona-Pandemie nicht nur eine Krise, sondern auch eine neue Chance, denn durch die Pandemie könne man lernen, einander besser zu verstehen. Es braucht Achtsamkeit, so Derler. Man müsse die Herausforderungen, die sich für unterschiedliche Menschen in der Pandemie ergeben, beachten und berücksichtigen.
Nicht alle Menschen mit psychischen Erkrankungen nehmen die Pandemie gleich war, erklärt Derler. Manche erleben die Einschränkung von sozialen Kontakten als Belastung, für andere wiederum sei gerade das aber eine Entlastung. Derler plädiert zum Abschluss ihres Vortrages dafür, dass positive Entwicklungen, die durch die Pandemie in Gang gesetzt wurden, weitergeführt werden.
Als Beispiel nennt sie strengere Hygienemaßnahmen, weniger Menschenansammlungen bei öffentlichen Ämtern und die Möglichkeiten, Amtswege auch telefonisch zu erledigen. Sie spricht sich dafür aus, die Möglichkeit der online-Gespräche und Telefonate auch weiterhin nutzen zu können. Auch wenn die Digitalisierung einige Erleichterung gebracht hat, darf der persönliche Kontakt nicht vergessen werden, sagt Derler.
Alle Informationen und die Video-Aufzeichnung zur Sitzung finden Sie auf der Internetseite des Monitoring Ausschusses. Die Diskussionsrunde zu dieser Sitzung wird am 11. Mai 2021 ab 13 Uhr ausgestrahlt.