Gebaut wie geplant: Visuelles Leitsystem am Flughafen Wien fällt bei Experten durch

Hier hat man fast alles falsch gemacht, was man falsch machen kann! Zu diesem ernüchternden Ergebnis kommt Dr. Elmar Fürst von der WU Wien, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der Hilfsgemeinschaft der Blinden und Sehschwachen Österreichs, nach der gestrigen Begehung des Check-in 3 am Flughafen Wien.
Jahrelang trafen sich Vertreter von Menschen mit Behinderung in einer Expertenrunde. Dort waren unter anderem die Hilfsgemeinschaft der Blinden und Sehschwachen Österreichs und die ÖAR, Österreichische Arbeitsgemeinschaft für Rehabilitation, vertreten, um ihren fachlichen Input hinsichtlich barrierefreier Gestaltung des neuen Check-in 3, vormals Skylink, anzubieten.
Teilnehmer bezeichnen diese Diskussionsrunden jedoch jetzt als Hinhalte-Treffen und Pro-forma-Meetings. Denn weder konnte Einsicht in die Pläne genommen werden, noch wurden die Anliegen der Betroffenen aufgegriffen.
Univ.-Prof. Dr. Sebastian Kummer, Vorstand des Instituts für Transportwirtschaft und Logistik der WU Wien: Solche Planungen müssen mit Betroffenen rechtzeitig abgestimmt werden. So ein visuelles Leitsystem darf nicht in der Eintönigkeit des Flughafens verschwinden. Anderswo, beispielsweise in München und Hamburg, wurden die Empfehlungen der Experten in eigener Sache durchaus ernst genommen und umgesetzt.
Anstatt das bisherige, optimal gestaltete, Leitsystem im neuen Flughafenteil zu übernehmen, wurde das neue, nicht nur für sehbehinderte Menschen unzumutbare, Leitsystem im ganzen Flughafen durchgezogen. Damit hat sich die Gesamtsituation massiv verschlechtert.
Auch Menschen ohne gravierende Sehbehinderung sind mit der derzeitigen Situation unzufrieden und ließen das die Experten bei der Begehung des Flughafens wissen. Offenbar wurde auch mehr Wert auf Design als auf Funktionalität gelegt, wie eine Passantin berichtet: Es hat immer geheißen, es muss elegant sein.
Dazu Mag. Irene Vogel, Geschäftsführerin der Hilfsgemeinschaft der Blinden und Sehschwachen Österreichs: Wenn der Flughafen bereits in der Planungsphase mit den Experten der verschiedenen Organisationen gesprochen und die mehrfach angebotene Unterstützung angenommen hätte, wären wir sicher zu einer Lösung gekommen, die sowohl sinnvoll und hilfreich als auch ästhetisch ansprechend geworden wäre. Von Anfang an hatten wir das Gefühl, dass die Verantwortlichen nicht wirklich an unserer Meinung und einer konstruktiven Zusammenarbeit interessiert waren. Die Begehung des neuen Terminals durch Repräsentanten von Menschen mit Behinderung war übrigens erst nach der offiziellen Eröffnung ermöglicht worden.
Elmar Fürst spricht für die Betroffenen, wenn er fordert: Das visuelle Leitsystem muss so rasch wie möglich in Absprache mit Experten deutlich erkennbar verbessert werden. Monitore müssen auch im Abflug- und Transitbereich auf Augenhöhe montiert werden. Damit wären die beiden augenfälligsten Mängel genannt, eine große Zahl weiterer Schwachstellen muss erst analysiert und passende Lösungen müssen überlegt werden. Die Experten der Hilfsgemeinschaft und der ÖAR stehen wie schon bisher für Gespräche und konkrete Lösungsvorschläge gerne zur Verfügung!
helga bachleitner,
21.06.2012, 13:47
bis jetzt gibt es keine offizielle Reaktion des FLughafens. Wenn eine kommt, wird es sicher irgendeine beschwichtigende Phrase sein, denn man ist sich keiner Schuld bewusst. Dabei ist mir noch in Erinnerung wie schon vor Jahren bei einem internationalen Meeting den Herren aus Österreich nicht klar zu machen war, dass Barrierefreiheit eine Verpflichtung ist und kein Almosen aus Barmherzigkeit, das man gibt, wenn man gut aufgelegt ist. Die Experten aus den verschiedenen Organisationen haben sinnvolle und machbare Lösungen angeboten, mehrfach. Aber die Verantwortlichen seitens des Flughafens waren schlicht nicht interessiert.
Gertrude Sladek,
21.06.2012, 13:21
@Kurt Prall Vollinhaltliche Zustimmung! Auf Ihre Frage: Und was sagt der Bauherr, die Flughafengesellschaft dazu? Wollten Sie wirklich eine ehrliche Stellungnahme hören? Die müsste in etwa wahrheitsgemäß so lauten: Jo mei, wir waren ja vom Anfang an mit allem schon so überfordert, bedenken Sie doch die Verdoppelung der ursprünglich veranlagten Kosten und das Design, bitte, das müssen Sie aber schon verstehen, das ist doch das Wichtigste, das zu berücksichtigen es auch trotz unserer wirtschaftlichen und strategischen Meisterleistungen zu beachten gilt. Der Schein zumindest muss und soll gewahrt bleiben.
Kurt Prall,
21.06.2012, 12:32
Folgender Satz müsste abgeändert werden:
Offenbar wurde auch mehr Wert auf Design als auf Funktionalität gelegt.
Offenkundig wurde hier nur Wert auf Design gelegt. Auf Funktionalität für blinde und sehbeeinträchtigte Menschen wurde zugunsten des Designs verzichtet!
Eine Missachtung des Behinderten-Gleichstellungsgesetzes!
Und was sagt der Bauherr, die Flughafengesellschaft dazu? Eine Stellungnahme wäre hier angebracht.