Sonderschule statt Inklusion: Menschenrechtsverletzung im Bereich Bildung durch das neue Regierungsprogramm der Steiermark

Kinder mit Behinderungen werden aus Regelschulen verbannt, statt Bedingungen für Inklusion zu verbessern.

Tafel mit dem Aufdruck Steiermark
BilderBox.com

Der Unabhängige Monitoringausschuss und der Steiermärkische Monitoringausschuss zeigen sich zutiefst besorgt über das neue Regierungsprogramm der Steiermark. Sonderschulen oder Sonderschulklassen sind darin als ausschließliche Orte der Beschulung von Kindern mit Behinderungen vorgesehen.

So wird als Ziel ausgegeben: „Kinder mit einem sonderpädagogischen Förderbedarf absolvieren die allgemeine Schulpflicht entweder in einer für sie geeigneten Sonderschule oder einer Sonderschulklasse“.

Diese Formulierung bedeutet die faktische Abschaffung von inklusiver Bildung und ist damit eine eklatante Menschenrechtsverletzung. Dies stellt einen klaren Bruch mit den Vorschriften der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) dar, die in Österreich bindendes Völkerrecht ist.

Für die neuen Regelungen werden die folgenden Argumente hervorgebracht:

  • Das steirische Regierungsprogramm erklärt, „je nach Art der Behinderung ist der Bedarf an Betreuung und Pflege höher als der an Beschulung“. Damit wird Kindern mit bestimmten Behinderungen pauschal das Recht auf Bildung abgesprochen. Zudem wird damit behauptet, dass auch in Sonderschulen keine Bildung erfolgt.
  • Es wird behauptet, Kinder „leiden in diesem System mehr, als dass sie davon profitieren“. Anstatt die Bedingungen für Kinder mit Behinderungen in Regelschulen zu verbessern, werden sie aus diesen verbannt.

Prof. Dr. Tobias Buchner vom Vorsitzteam des Unabhängigen Monitoringausschuss des Bundes dazu:

Im Regierungsprogramm wird so getan, als ob das Unterrichten von Schüler*innen mit Behinderungen in Regelschulklassen per se unmöglich sei. Die angeblich notwendige Umstellung auf Segregation widerspricht nicht nur den Menschenrechten, sondern auch der gelebten Praxis an den meisten Schulen der Steiermark.

Es gibt sicherlich Probleme im Bereich Inklusion an Schulen – diese sind aber nicht naturwüchsig, sondern das Ergebnis einer systematischen Unterfinanzierung. Denn die notwendigen Ressourcen für gelingende Inklusion werden nicht bereitgestellt. Die dadurch verursachten Probleme werden absurderweise als Beweis für die Notwendigkeit von Segregation missbraucht.

Zudem wird das im Regierungsprogramm betonte Elternwahlrecht ausgehöhlt bzw. auf die Wahl zwischen einer Sonderschule oder einer segregierten Sonderschulklasse eingeschrumpft. Denn bisher bedeutete dieses Wahlrecht, dass Eltern wählen können, ob ihr Kind in einer inklusiven Klasse gemeinsam mit Kindern ohne Behinderungen unterrichtet werden soll oder in einer Sonderschule.

Widerspruch zur UN-BRK

Österreich hat sich mit der Ratifizierung der UN-BRK völkerrechtlich dazu verpflichtet, diese auch umzusetzen. In Artikel 24 steht das Recht auf inklusive Bildung für alle Kinder festgeschrieben. Bei der Staatenprüfung 2023 hat der UN-Fachausschuss Österreich für das Festhalten am Sonderschulwesen und den mangelnden Ausbau von Inklusion scharf kritisiert.

Laut den Vereinten Nationen muss Österreich die notwendigen Ressourcen für den Ausbau von Inklusion aufbringen – und nach und nach Sonderschulen reduzieren. Mit dem Bekenntnis zu Sonderschulen macht die Steiermark genau das Gegenteil. Sie kommt ihren völkerrechtlichen Verpflichtungen nicht nach und positioniert sich sogar aktiv gegen die Grundsätze der UN Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen.

Die Steiermark ist Vorreiterin für inklusive Bildung. Schließlich hat gerade die Steiermark als Bundesland, wie viele Studien zeigen, die Umsetzung von Inklusion vorangetrieben und stellt sogar international ein Best-Practice Modell für die Umsetzung des Menschenrechts auf Inklusive Bildung dar. Die Rückkehr zu einer verstärkten Segregation ist ein deutlicher Rückschritt und widerspricht nicht nur den Grundsätzen der UN-BRK, sondern auch den positiven Erfahrungen vieler steirischer Schulen.

„Es geht um die Zukunft der Kinder mit Behinderungen in der Steiermark. Sie haben ein Recht auf Inklusive Bildung. Ich bin zutiefst betroffen, wie die zukünftige Landesregierung soviel gewonnene Expertise außer Acht lässt und das Menschenrecht auf Inklusive Bildung ignoriert.“ Matthias Grasser, Vorsitzender des Steiermärkischen Monitoringausschuss

Daran anknüpfend bilanziert Tobias Buchner: „Das neue Regierungsprogramm der Steiermark ist eine eklatante Menschenrechtsverletzung im Bereich Bildung, durch die Kinder mit Behinderungen gewaltvoll in das Sonderschulsystem der 1970er Jahre zurück katapultiert werden.“

Siehe auch: BIZEPS, Österreichischer Behindertenrat, ORF, Kleine Zeitung, Die Presse

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5 Kommentare

  • Das erinnert ganz grauslich an die Diktion um 1940! Wann wird die Menschheit endlich soweit sein, JEDEN MENSCHEN als wertvolles und liebenswertes, gleichwertiges Mitglied der Gesellschaft anzuerkennen, zu behandeln und wertzuschätzen?!

  • Früher gab es zumindest eine gewisse Inklusion. Was hat sich nach der Wahl geändert? Bingo! Die Zusammensetzung der Koalition. Was kommt als nächstes? Lebensunwertes Leben? Das Schlimme ist, dass die ÖVP auch mitmacht. War die nicht einmal christlich-sozial?

  • Empfehlungen für jene steirischen Regierungspolitiker:innen, die das Kapitel Bildung zu verantworten haben:
    1) Lesen Sie das Schulgesetz. Auch in Sonderschulen steht eine höchstmögliche Bildung und nicht Pflege und Betreuung im Mittelpunkt.
    2) Lesen Sie die Ergebnisse der wissenschaftlichen Evaluation zur inklusiven Bildung in der Steiermark. Seit Jahrzehnten wird dort vorgelebt, dass Schüler:innen in Volks- und Mittelschulen, ja sogar in einigen Gymnasien, nicht leiden müssen.
    3) Insbesondere für ÖVP-Politiker:innen: Lesen Sie nach, was Ihr damaliger Landesschulratspräsident Schilcher bereits in den 1990er-Jahren zum gemeinsamen Unterricht behinderter und nichtbehinderter Schüler:innen gesagt und getan hat.
    4) Erkundigen Sie sich bei Juristen: die vom österreichischen Nationalrat ratifizierte UN-Behindertenrechtskonvention ist auch für die Länder verpflichtend.
    5) Wenn Sie das alles gemacht haben, wird sicherlich die Erkenntnis gereift sein, das Regierungsprogramm so schnell wie möglich zu überarbeiten.

  • Das passiert, wenn man die FPÖ in eine Machtposition versetzt!
    Furchtbar!

  • Das neue Regierungsprogramm der Steiermark ist eine eklatante Menschenrechtsverletzung im Bereich Bildung, durch die Kinder mit Behinderungen gewaltvoll in das Sonderschulsystem der 1970er Jahre zurück katapultiert werden.“

    WO IST HIR DAS GROßE Wort „Inllusion“

    Mfg
    Klemmer