Soundform: Symposium in Hamburg zum Thema inklusive Musikinstrumente

Von 21. bis 22. März 2019 fand in Hamburg das Symposium „Soundform - Instrumente für alle“ statt. An zwei Halbtagen wurden neu entwickelte Musikinstrumente vorgestellt, die es Menschen mit verschiedensten Behinderungen ermöglichen, zu musizieren und dadurch einen Beitrag zu Inklusion in der Musik leisten können.

Musik ist ein wichtiger Bestandteil im Leben vieler Menschen. So auch in meinem. Sie ist künstlerisches Kommunikations- und Ausdrucksmittel. Emotionen können vermittelt, Erinnerungen hervorgerufen werden. Sowohl alleine, aber besonders mit anderen gemeinsam kann musizieren enorm viel Freude und Energie erzeugen.

Aufgrund der Bauart der meisten herkömmlichen Musikinstrumente, angepasst an den „normalen Körper“, werden viele Menschen mit Behinderungen davon abgehalten, sich musikalisch kreativ zu entfalten.

Aufgrund meiner starken körperlichen Einschränkung trifft das auch auf mich zu. Da bei mir immer der Drang zu musizieren bestand, beschäftigte ich mich mit Musikprogrammen für den Computer.

Da mit Tastatur und Maus für mich kein wirklicher „Flow“ entstand, entdeckte ich, dass dieses Hindernis mithilfe eines externen Controllers zur Steuerung des Musikprogramms überwunden werden kann. Vergleichbar mit einem Joystick, der das Spielen von Videospielen erleichtert.

Vor drei Monaten stieß ich auf EUCREA, den Dachverband zur Vertretung der Interessen von Künstlerinnen und Künstlern mit Beeinträchtigungen im deutschsprachigen Raum. Auf dessen Webseite fand ich die Einladung zum öffentlichen Symposium „Soundform – Instrumente für alle“ nach Hamburg.

Musikerinnen und Musiker, Künstlerinnen und Künstler, Designerinnen und Designer und Forschungsgruppen aus ganz Europa waren eingeladen, um ihre aktuellen Entwicklungen im Bereich inklusiver Musikinstrumente zu präsentieren. Des weiteren wurde der Frage nachgegangen, welche Veränderungen in der Musikvermittlung und der Musikwirtschaft notwendig wären, um Inklusion im Bereich der Musik voran zu bringen.

Ich war begeistert und sofort entschlossen, daran teilzunehmen, um zu erfahren, welche weiteren Möglichkeiten es gibt, Menschen mit Behinderungen das Musikmachen zu ermöglichen und so meldete ich mich an.

Mit der Unterstützung einer meiner persönlichen Assistenten reiste ich mit dem Nachtzug der ÖBB nach Hamburg, was aufgrund des barrierefreien, recht geräumigen Abteils problemlos möglich war. Um auch ein wenig die Stadt kennenzulernen, plante ich ein paar zusätzliche Tage ein.

Adaption traditioneller und Entwicklung neuer elektronischer bzw. digitaler Musikinstrumente

Der erste Schwerpunkt des Symposiums war die Präsentation der Entwicklungen. In Kurzvorträgen wurden diese vorgestellt und größtenteils auch live demonstriert. Den kleineren Anteil stellten adaptierte oder umgebaute traditionelle Instrumente dar. Mehrheitlich wurden aber neu entwickelte elektronische Instrumente präsentiert.

Zu ersteren zählten unter anderem:

  • Der „Kellycaster“, eine elektrische Gitarre, die in Verbindung mit einem Computer, bei eingeschränkter Beweglichkeit der Hände bedient werden kann.
  • Die „Magic Flute“, eine elektronische Flöte, die durch den Atem und die Bewegung des Kopfes gesteuert wird.
  • „OHMI Trust“, eine Organisation, die die Entwicklung und die Anpassung von traditionellen Musikinstrumenten für Menschen mit körperlichen Behinderungen unterstützt. Beispielsweise Blechblasinstrumente, die durch eine spezielle Vorrichtung mit einer Hand gespielt werden können.

Auf dem Gebiet der elektronischen Instrumente offenbarte sich ein Feld unzähliger Entwicklungen, die es Menschen mit körperlichen und/oder geistigen Behinderungen ermöglichen, zu musizieren.

Dazu zählten unter anderem:

  • Der „Soundbeam“, eine Entwicklung, mit der man mittels Abstandssensor verschiedenste Instrumente auf einem dazugehörigen Computer spielen kann. Je näher man dem Sensor kommt, desto tiefer werden die Töne, je weiter man sich entfernt, desto höher. In welchem Maßstab dies stattfindet, kann individuell eingestellt werden. So können selbst kleinste Bewegungen ausreichen, um Tonabfolgen von ganz tiefen bis zu ganz hohen Tönen zu spielen.
  • Die „EyeHarp“ ermöglicht es durch die Bewegung der Augen oder des Kopfes Töne in einer Software zu erzeugen, die im Internet gratis erhältlich ist.
  • „Sound Control“, ebenfalls eine kostenlose Software, die an die individuellen Bedürfnisse angepasst werden kann: Mit verschiedensten externen Geräten – beispielsweise einer Webcam – können Instrumente in der Software gesteuert werden.
  • Diverse Apps für Tablets und Smartphones: Bebot, Thumbjam, PlayButton, Orphion, Yellofier, … Es gibt bereits ein riesiges Angebot an Apps, die in dieser Liste ebenfalls ihre Berechtigung hätten.

Gesellschaftspolitische Relevanz neuer Musikinstrumente und Erfahrungsberichte aus der inklusiven, künstlerischen Praxis

Der zweite Schwerpunkt des Symposiums beschäftigte sich mit der gesellschaftspolitischen Relevanz der Entwicklung neuer Musikinstrumente und die Chancen, die hier die Digitalisierung bietet. Menschen mit Behinderungen eröffnet sich dadurch die Möglichkeit, ihre Kreativität auszudrücken sowie auch als Musikerin oder Musiker zu arbeiten und aufzutreten.

Wie Inklusion in der künstlerischen Praxis funktionieren kann und bereits gelebt wird, wurde besonders durch die, an beiden Abenden stattfindenden, Konzerte deutlich.

Des Weiteren gaben Organisationen Einblick in ihre Arbeit:

  • Die Kulturorganisation ShareMusic & Performing Arts“ aus Schweden organisiert Projekte, bei denen Menschen mit und ohne Behinderung aufeinander treffen, um gemeinsam Musik, Tanz, Theater oder Kunst zu kreieren. Sie beschäftigt sich unter anderem damit, wie neue Technologien Menschen mit Behinderungen ermöglichen können, sich künstlerisch auszudrücken.
  • Die Forschungsgruppe „Performance without Barriers“ an der Queen‘s University Belfast befasst sich mit inklusiver Musiktechnologie.
  • Das „Drake Music Project Northern Ireland“ hat sich zum Ziel gesetzt, Menschen mit Behinderungen zu ermöglichen, ihr kreatives und musikalisches Potenzial zu entfalten. Es fördert die Entwicklung barrierefreier Musikinstrumente und die gleichwertige Teilhabe im Musikbetrieb.

Diskussion und Ausblick

Um Inklusion im Kulturbetrieb und in der Musikvermittlung zu forcieren, braucht es einen Perspektivenwechsel. Neue (digitale) Musikinstrumente müssen als gleichwertig zu traditionellen angesehen werden, da das Erlernen und Ausüben genauso künstlerisches Geschick und einen hohen Aufwand bis zur Professionalisierung erfordern. Dazu müssen sie aber auch Eingang im Musikunterricht finden und eine Bühne geboten bekommen.

Dies wurde als letzter Punkt auch in einer Gesprächsrunde diskutiert. Daran nahmen unter anderem auch ein Vertreter des deutschen Bundesverbandes für Musikunterricht und ein Vertreter der Elbphilharmonie teil. Verständnis und Wille waren erkennbar, konkrete Handlungsvorhaben blieben aber aus.

Das „Soundform – Instrumente für alle“ wird hoffentlich im kommenden Jahr wieder stattfinden, da es enormes Potenzial bietet, Inklusion in der Musik voranzubringen. Wünschenswert wäre einzig ein höherer Anteil an Teilnehmerinnen und Teilnehmern mit Behinderung.

Weitere Informationen zum Soundform, das vollständige Programm und eine Liste an Instrumenten, die laufend erweitert wird, findet sich unter: https://www.eucrea.de/index.php/soundform

Für weitere Fragen an mich: jakob_ferner@hotmail.com

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