Sozialamt Linz streicht Pflegeheim-Bewohnerin Sozialhilfe und Krankenversicherung

VertretungsNetz: Unterhaltsklagen verfestigen Armut und verstoßen gegen die UN-Behindertenrechtskonvention

Tafel mit dem Aufdruck Linz
BilderBox.com

Frau Zauner (Name geändert) ist 81 Jahre alt und wohnt in einem Linzer Pflegeheim. Ein Schlaganfall schon in sehr jungen Jahren hatte körperliche Beeinträchtigungen zur Folge, in den letzten Jahren hat sich außerdem eine demenzielle Erkrankung entwickelt, die rasch fortschreitet.

Fr. Zauner bezieht seit vielen Jahren Sozialhilfe, weil sie aufgrund ihrer Behinderung nie erwerbstätig war. Aus dem Sozialhilfe- und Pflegegeldbezug bleibt ihr ein Taschengeld von ca. 160 Euro pro Monat, wovon sie z.B. Hygieneprodukte, Kleidung und Friseurbesuche bezahlt.

Bis jetzt. Denn der Magistrat Linz hat die Sozialhilfe mit Anfang Jänner 2024 zur Gänze eingestellt, damit ist Fr. Zauner seither auch nicht mehr krankenversichert.

Was ist passiert?

Die Stadt Linz vollzieht das Sozialhilfegesetz seit einiger Zeit äußerst restriktiv. Die Behörde verlangte im Rahmen der „Mitwirkungspflichten“, dass Fr. Zauner ihren Sohn auf finanziellen Unterhalt verklagt. Fr. Zauner hat jedoch seit über 25 Jahren keinen Kontakt mehr zu ihrem Sohn. Auf keinen Fall möchte sie ihm jetzt zur finanziellen Belastung werden. Das Sozialamt besteht jedoch auf der Klage.

„Wir sind bestürzt, dass alten, pflegebedürftigen Menschen eiskalt die letzten 100 Euro gestrichen werden und damit auch in Kauf genommen wird, dass die für sie so wichtige Krankenversicherung entfällt“, ist Thomas Berghammer, Bereichsleiter Erwachsenenvertretung für OÖ bei VertretungsNetz, entsetzt.

Im Auftrag des Gerichts erhob der Erwachsenenschutzverein im Rahmen eines „Clearings“, ob Fr. Zauner eine gerichtliche Erwachsenenvertretung braucht oder ob es Alternativen dazu gäbe, die mehr Selbstbestimmung zulassen.

Diese Alternative hat es bislang eigentlich gegeben. Eine langjährige und enge Freundin war in den letzten Jahren als gewählte Erwachsenenvertretung für Fr. Zauner tätig. Sie stellte z.B. die behördlichen Anträge für die Sozialhilfe und erledigte Besorgungen.

Eine Unterhaltsklage gegen den Willen ihrer Freundin konnte sie jedoch mit ihrem Gewissen nicht vereinbaren. Aufgrund der Einschüchterung und Drohungen durch das Magistrat Linz hat sie die gewählte Erwachsenenvertretung zurückgelegt.

Die Beschämung hat System

Auch Herr Martins (Name geändert) wird eine gerichtliche Erwachsenenvertretung bekommen, die es ohne den Zwang zu einer Unterhaltsklage vielleicht nicht gegeben hätte. Der Linzer ist Ende 30 und hat eine Borderline-Störung, immer wieder quälen ihn Panikattacken und Depressionen sowie Suizidgedanken.

Herr Martins kann aufgrund seiner Erkrankung derzeit nicht arbeiten, er ist auf Sozialleistungen angewiesen. Mit Unterstützung von Sozialberatungsstellen, z.B. bei behördlichen Anträgen, hat es Herr Martins jedoch trotzdem geschafft, bisher ohne Erwachsenenvertretung zurechtzukommen.

Doch plötzlich forderte das Sozialamt, dass Herr Martins eine Unterhaltsklage gegen seine Mutter einbringen muss. Beim Gerichtstermin bricht er vor der Rechtspflegerin in Tränen aus, weil ihn die Klage emotional so belastet und überfordert. Daraufhin wird mit seiner Zustimmung von Amts wegen eine gerichtliche Erwachsenenvertretung angeregt. Auch Herrn Martins hat VertretungsNetz im Rahmen eines Clearings kennengelernt.

„Die Beschämung durch die Behörde ist systematisch. Menschen, die auf Unterstützung angewiesen sind, wird der finanzielle Boden unter den Füßen weggezogen, bestehende Familienbeziehungen werden massiv belastet. Doch nicht nur das: Durch den Zwang zu Unterhaltsklagen braucht es gerichtliche Erwachsenenvertretungen, die ansonsten gar nicht nötig wären. Damit verstößt die Stadt Linz, ebenso wie andere Sozialbehörden in Österreich, die auf Unterhaltsklagen beharren, gegen die UN-Behindertenrechts­konvention und unterläuft die Zielsetzungen des Erwachsenenschutzgesetzes“, kritisiert Thomas Berghammer.

Eine Änderung auf politischer Ebene ist derzeit jedoch nicht in Sicht.

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8 Kommentare

  • Absoluter Tiefpunkt in Österreichs Geschichte!!

  • Sind das die neuen nazzi-methoden gegenüber unseren kranken Leuten. Sogar
    Werden die Familienangehörigen zuhause angerufen ob man e noch keinen steuerausgleich gemacht hat weil 80prozent denn Staat gehört..Schweinerei..wir machen eine öffentliche Wahrnehmung an alle keinen jahresausgleich machen und die lächerlichen 20prozent für Mama oder Papa ihnen aus eigener Tasche zukommen zu lassen..der Staat Hat die Leute ein ganzes Leben bestohlen leider oft gesetzlich .Privat wären das Diebe..

  • Die Frage darf nicht sein, ob die Behörde restriktiv vollzieht oder nicht. Die Frage ist, ob die Behörde das Gesetz korrekt vollzieht. Alles Andere wäre Willkür. Und das findet man sicher nicht heraus, indem man per Artikel die Behörde anheult wie ein Hund den Mond.

    • Ob eine Unterhaltsklage „zumutbar“ ist, entscheidet allein das zuständige Sozialamt. Ob das Vorgehen gesetzlich zulässig ist, müssen wir nicht herausfinden, das wissen wir schon, die Antwort ist „ja“ – leider. Auch deshalb setzt sich VertretungsNetz seit Jahren für eine Änderung des Sozialhilfe-Grundsatzgesetzes ein. Z.B. indem wir mit diesem Artikel darauf aufmerksam machen, welche negativen Konsequenzen das Gesetz im Vollzug für betroffene Menschen mit Behinderungen und ihre Familien hat.

    • Ich finde es in jeglicher Hinsicht inakzeptabel, erwachsene Menschen von ihren Eltern abhängig zu machen. Das vorweg. Aber der Gesetzgeber ist da leider anderer Meinung. Unzumutbarkeit sollte unter diesen Bedingungen jedenfalls nicht angenommen werden, sobald Tränen fließen. Mehr steht in dem Artikel nicht. Unangenehm ist der Rechtsweg gegen die eigenen Eltern vermutlich für jeden, weshalb zur Vermeidung von Bevorzugung objektive Hinderungsgründe herangezogen werden müssten. Ob die Behörde aus rechtssicherheitlichen Überlegungen heraus so handelt oder die Behinderungsfeindlichkeit fröhliche Urständ‘ feiert, weiß ich nicht.
      Wenn die Behörde rechtmäßig handelt, ob mild oder streng, ist das Problem nicht bei ihr zu suchen.

    • @Karina Lobosek: DIE Frage beantworten Sie selbst mit „ja“.

      Wie wäre es daher zu rechtfertigen, dass es für Angehörige v. behinderten Menschen eine SONDER-Regelung gibt?

      Die einzige Möglichkeit sähe ich darin, entscheiden zu lassen, dass die Unterhaltspflicht erlischt, wenn sie über den gewöhnlichen Durchschnitt hinausgeht. Gibt es dazu Zahlen?

    • @Jakob Putz: Eine Änderung der entsprechenden Bestimmung zum Unterhalt im Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch (ABGB) könnte dem sofort ein Ende setzen und ist seit Jahren von der Bundesregierung zugesagt, als Teil einer umfangreichen Unterhaltsreform, die jedoch leider ins Stocken geraten ist. Auch eine Änderung im Sozialhilfe-Grundsatzgesetz wäre möglich, z.B. die Begrenzung des „Kindesunterhalts“ bei jenen Menschen, die aufgrund von intellektueller Beeinträchtigung oder psychischer Erkrankung nicht selbsterhaltungsfähig werden, mit dem 25. Lebensjahr. Derzeit werden die Betroffenen benachteiligt und Angehörige bleiben ein Leben lang in der Pflicht, Unterhalt zu leisten. Hier der aktuelle Amnesty-Bericht zur Sozialhilfe für mehr Info: https://www.amnesty.at/media/11555/amnesty-report_als-wuerdest-du-zum-feind-gehen_huerden-im-zugang-zur-sozialhilfe-in-oesterreich_februar-2024.pdf

    • @ Jakob Putz: Es gibt in Ö meiner Meinung nach jetzt schon zu viele Sonderbestimmungen für Behinderte. Und, wie gesagt, für Nichtbehinderte ist es nicht weniger unangenehm, gegen die eigenen Eltern vorzugehen.
      Sonderlösungen bringen mehr Verwaltungskosten und mehr Menschen mit sich, die ihre Ansprüche nicht durchsetzen können.