Sozialausschuss stimmt Änderung des Bundesbehindertengesetzes zu

Behindertenbeirat wird erweitert, "Assistenz- und Therapiehund" gesetzlich definiert

Parlament
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Der Sozialausschuss des Nationalrats hat heute der von der Regierung vorgeschlagenen Novelle zum Bundesbehindertengesetz seine Zustimmung erteilt. Die Vertreter aller Fraktionen stimmten unter Berücksichtigung eines SPÖ-ÖVP-Abänderungsantrags für den Gesetzentwurf, mit dem unter anderem die Begriffe „Assistenz- und Therapiehund“ gesetzlich definiert wurden und der Bundesbehindertenbeirat erweitert wird.
Außerdem ist vorgesehen, dem Behindertenpass ausdrücklich Bescheidcharakter zuzuerkennen, um behinderten Menschen, die mit der Einschätzung ihres Behinderungsgrades nicht einverstanden sind, zu ermöglichen, unmittelbar beim Bundesverwaltungsgericht Beschwerde zu erheben. Einstimmig angenommen wurde zudem noch ein S-V-Antrag, der in einem thematischen Zusammenhang zur Novelle stand. Darin wird sichergestellt, dass behinderte Menschen, die in Tageswerkstätten tätig sind, auch nach einem gescheiterten Arbeitsversuch, den Anspruch auf Waisenrente nicht verlieren. Im Rahmen der Behandlung der ersten Themenblocks befassten sich die Abgeordneten noch mit sechs Anträgen der Opposition betreffend die Pflege, die Gebärdensprache, die Ausgleichstaxe, die teils vertagt und teils abgelehnt wurden. Angenommen wurden eine Initiative des Team Stronach auf Ratifizierung des „Vertrags von Marrakesch“, der Erleichterungen für sehbehinderte Menschen bringt.

Zahlreiche Verbesserungen für behinderte Menschen einstimmig beschlossen

Abgeordnete Ulrike Königsberger-Ludwig erläuterte die Inhalte des vorliegenden „Behindertenpakets“, das einige wesentliche Verbesserungen bringe. So werde etwa im Zusammenhang mit der Bestellung des Behindertenanwalts klargestellt, dass diese Funktion sowohl vor der erstmaligen Bestellung als auch vor einer allfälligen Wiederbestellung öffentlich auszuschreiben ist. Gleichzeitig soll ein öffentliches Hearing mehr Transparenz in das Vergabeverfahren bringen. Von einer neuen zentralen Kontaktdatenbank beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen, in der unter anderem Menschen mit Behinderung, DienstgeberInnen und Betreuungskräfte im Rahmen der 24-Stunden-Betreuung erfasst werden, erwarte man eine wesentliche Verwaltungsvereinfachung.
Was den Bundesbehindertenbeirat betrifft, sollen diesem in Hinkunft acht – statt wie bisher sieben – BehindertenvertreterInnen angehören. Damit wolle man dem langjährigen Wunsch von Menschen mit Lernbeeinträchtigung Rechnung tragen. Zudem werde der Beirat um den Vorsitzenden bzw. die Vorsitzende des Monitoringausschusses zur Überwachung der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderung erweitert.

Auch Abgeordneter Franz-Joseph Huainigg (V) zeigte sich erfreut über die Fortschritte im Bereich der Gesetzgebung für behinderte Menschen. Im besonderen hob er die größere Transparenz bei der Ausschreibung des Behindertenanwalts, die Erweiterung des Bundesbehindertenbeirats, den Bescheidcharakter des Behindertenpasses sowie die verbesserte Durchlässigkeit der Arbeitsmärkte hervor.

Abgeordnete Helene Jarmer (G) begrüßte ausdrücklich die Verbesserungen im Bundesbehindertengesetz, äußerte jedoch noch zusätzliche Wünsche. Ihrer Meinung nach hätte man etwa dem Behindertenanwalt ein Klagsrecht einräumen sollen. Zudem trat sie – in Form von zwei im Laufe der Sitzung eingebrachten – Anträgen – für eine Reform des Bundesbehindertenbeirates ein, die u.a. eine zahlenmäßige Erweiterung dieses Gremiums um noch mehr Menschen mit Behinderungen sowie eine Beratungstätigkeit für alle Ministerien beinhaltete.

Abgeordnete Dagmar Belakowitsch-Jenewein (F) schloss sich ebenso wie NEOS-Vertreter Gerald Loacker generell den positiven Kommentaren zum Gesetz an. Loacker regte noch an, gerade bei diesem Gesetz aus Gründen der Vorbildwirkung einen möglichst barrierefreien Zugang zu ermöglichen, zumal Rechtsmaterien auch für den Normalbürger verständlich sein sollten. Weiters wiesen er und Waltraud Dietrich vom Team Stronach darauf hin, dass der Datenschutzbeirat Bedenken bezüglich der Kontaktdatenbank angemeldet habe; es gebe z.B. keine Kriterien für das Löschen von Informationen.

Sozialminister Rudolf Hundstorfer ging auf die Eckpunkte der Regierungsvorlage detailliert ein und informierte u.a. darüber, dass nach dem Begutachtungsverfahren Gespräche mit dem Datenschutzbeirat geführt wurden, wobei „höchstmögliche Übereinstimmung“ erzielt wurde. – Die beiden G-Anträge blieben bei der Abstimmung in der Minderheit.

Assistenz- und Therapiehunde in das Bundesbehindertengesetz aufgenommen

Geregelt wird im Bundesbehindertengesetz künftig auch, was ein Assistenzhund ist und welche Kriterien er erfüllen muss, um aus öffentlichen Mitteln gefördert zu werden. Durch einen S-V-Abänderungsantrag wurden auch die so genannten Therapiehunde in das Gesetz aufgenommen, um sicherzustellen, dass auch in diesem Bereich Maßnahmen zur Qualitätssicherung getroffen werden.
Bisher gab es nur für Blindenführhunde eine klare Definition. Unter den Begriff Assistenzhund fallen demnach auch Service- und Signalhunde, also alle speziell geschulten Hunde, die Menschen mit Behinderung im Bereich der Mobilität unterstützen oder für besondere Hilfeleistungen – etwa Warnungen bei Epilepsieanfällen – ausgebildet sind. Voraussetzung für die Bezeichnung „Assistenzhund“ oder „Therapiehund“ ist die positive Beurteilung durch ein Gutachten von Sachverständigen. Details sollen vom Sozialministerium bis Ende dieses Jahres in Form von Richtlinien festgelegt werden.

Abgeordneter Dietmar Keck (S) zeigte sich sehr erfreut über die Lösung in Bezug auf Assistenz- und Therapiehunde; er habe sich dafür seit vielen Jahren eingesetzt. Abgeordnete Helene Jarmer (G) gab in diesem Zusammenhang zu bedenken, dass die Finanzierung den Ländern überlassen wurde; eine Fortsetzung der „Hundegeschichte“ sei daher wahrscheinlich.

Oppositionsanträge zum Thema Pflege fanden keine Mehrheit

Zum Thema Pflege lagen dem Ausschuss ein Antrag der FPÖ und zwei Anträge der Grünen vor. So hat die FPÖ einen neuen Anlauf für die Einführung einer drei- bzw. vierjährigen Pflegelehre gestartet, die nach dem ersten Abschnitt zur Berufsausübung als PflegehelferIn berechtigen soll (267/A[E]). Im vierten Lehrjahr soll nach Vorschlag von Abgeordnetem Norbert Hofer eine Spezialisierung auf ein Krankengebiet möglich sein. Grundsätzlich sollte nämlich ein möglichst niederschwelliger Zugang zu diesem Beruf ermöglicht werden, argumentierte FPÖ-Mandatarin Dagmar Belakowitsch-Jenewein (F), die auf das Beispiel Schweiz verwies. – Dieser Antrag wurde nur von der FPÖ und dem Team Stronach unterstützt und blieb somit in der Minderheit.

Ebenso abgelehnt wurden die Initiativen der Grünen, die u.a. einen Rechtsanspruch auf die Finanzierung von Ersatzpflege forderten, um pflegende Angehörige temporär zu entlasten (243/A). Zudem sollen ArbeitnehmerInnen nach Meinung von Abgeordneter Judith Schwentner auch ohne Zustimmung des Dienstgebers grundsätzlich das Recht haben, Pflegekarenz bzw. Pflegeteilzeit in Anspruch zu nehmen (392/A[E]).
Sie werde weiterhin an dem Thema dran bleiben, kündigte die Grün-Mandatarin an, da pflegende Angehörige in Österreich ihrer Ansicht nach im Stich gelassen werden. Gerade wenn sich Familien in solchen Krisensituationen befinden, sollten sie nicht zu Bittstellern degradiert werden, betonte sie.

Abgeordneter Michael Hammer (V) hielt es – ebenso wie sein Fraktionskollege August Wöginger – grundsätzlich für legitim, über die Einführung eines Lehrberufs Pflege zu diskutieren; die Altersgrenze von 15 Jahren sei aber sicher viel zu niedrig. Mit einer solch verantwortungsvollen Aufgabe, nämlich die Betreuung von schwerstkranken oder sogar sterbenden Personen, wären die jungen Menschen sicherlich überfordert, meinten beide Mandatare. Ablehnend standen sie auch den beiden Anträgen der Grünen gegenüber, da es gut funktionierende Zuschusssysteme gebe; die Information der Bevölkerung über die einzelnen Instrumente könnte sicher noch verbessert werden.

Abgeordnete Sabine Oberhauser (S) sprach sich für einen modularen Zugang zum Pflegeberuf aus; entsprechende Vorarbeiten zu einem Vorschlag in diese Richtung laufen bereits im Gesundheitsressort.

Sozialminister Rudolf Hundstorfer informierte darüber, dass per Ende Mai insgesamt 593 Personen die Pflegekarenz im klassischen Sinn und auch im Rahmen von Sterbehilfe in Anspruch genommen haben; 6 % davon betrafen Teilzeitmodelle. Bedenken müsse man auch die Tatsache, dass von den insgesamt 450.000 Menschen, die Pflegegeld beziehen, nur 194.000 von ihren Angehörigen, die oft selbst nicht mehr im erwerbsfähigen Alter sind, betreut werden. In den anderen Fällen werde etwa auf 24-Stunden-Hilfe, mobile Dienste oder alternative Wohnformen zurückgegriffen. Der Ressortchef war überzeugt davon, dass mit den angesprochenen Instrumenten ein sehr großer Fortschritt erreicht wurde. Da sie aber noch nicht so lange in Kraft sind, sollte man zunächst einmal beobachten, wie sie angenommen werden. Schließlich gab er noch zu bedenken, dass man sich das Schweizer Modell bezüglich Pflegelehre genauer ansehen müsste. Denn es komme nicht nur darauf an, wie viele Personen diesen Beruf ergreifen, sondern auch darauf wie viele letztendlich in diesem Beruf verbleiben.

Grüne: Verwendung der Gebärdensprache im Alltag noch nicht ausreichend gewährleistet

Ein Plädoyer für die Verankerung der Gebärdensprache, die mittlerweile sogar als UNESCO-Weltkulturerbe eingestuft wurde, legte Abgeordnete Helene Jarmer ab. Die Österreichische Gebärdensprache sei zwar seit dem Jahr 2005 verfassungsrechtlich anerkannt, seitdem wurden aber keine weiteren Umsetzungsschritte gemacht. Nur bei Gerichtsverhandlungen sei sichergestellt, dass Gebärdendolmetscher eingesetzt werden müssen, wenn es dafür Bedarf gibt.
Sie forderte daher die Regierung auf, sämtliche gesetzliche Normen, insbesondere in den Bereichen Verwaltung, Bildung und Medien, zu durchforsten und dem Nationalrat ein Sammelnovelle vorzulegen, die den Bedürfnissen der Betroffenen Rechnung trägt (344/A[E]). – Ihr Ansinnen wurde im Ausschuss nur von den Oppositionsparteien unterstützt und fand somit keine Mehrheit.

Bundesminister Rudolf Hundstorfer gab gegenüber der Antragstellerin zu bedenken, dass sein Ressort 1 Mio. € pro Jahr für die Bereitstellung von Gebärdendolmetschern für all jene Menschen, die das brauchen, zur Verfügung stelle.

Grüne setzen sich für Erhöhung der Ausgleichstaxe ein

Vom Sozialausschuss vertagt wurde ein Antrag der Grünen, in dem sich Abgeordnete Helene Jarmer dafür ausspricht, die Ausgleichstaxe für Unternehmen bei Nichterfüllung der Einstellungspflicht behinderter Menschen auf ein branchenübliches Durchschnittsgehalt zu erhöhen (238/A[E]). Sie hofft damit der zuletzt rasant gestiegenen Arbeitslosigkeit behinderter Menschen entgegenwirken zu können. Bisher gesetzte Schritte, etwa die moderate Erhöhung der Ausgleichstaxe im Jahr 2010 und die Lockerung des Kündigungsschutzes, haben ihr zufolge keinen Erfolg gebracht.

In dieser Frage laufe noch ein Evaluierungsprozess, erklärte Bundesminister Rudolf Hundstorfer, ein endgültiges Ergebnis werde etwa Mitte August vorliegen. Derzeit werden 140 Mio. € an Ausgleichstaxe eingenommen, die direkt in Maßnahmen zur Unterstützung der beruflichen Integration von behinderten Menschen fließen.

Team Stronach: „Vertrag von Marrakesch“ bringt Erleichterungen für Sehbehinderte

Die Zustimmung aller Fraktionen fand schließlich ein Antrag des Team Stronach auf Ratifizierung des „Vertrags von Marrakesch“. Weltweit leiden Blinde und sehbehinderte Menschen unter einer wahren Büchernot, da nur ein sehr geringer Prozentsatz der veröffentlichten Literatur in einer ihnen zugänglichen Form – also in Braille-Schrift, Großdruck oder als Hörbuch – verfügbar ist, gibt Antragsteller Marcus Franz (T) zu bedenken (399/A[E]). Hauptgrund dafür sei ein veraltetes und restriktives Urheberrecht, das verhindere, dass barrierefreie Kopien von Büchern angefertigt werden. Da durch den im Juni 2013 abgeschlossenen „Vertrag von Marrakesch“ derartige rechtliche Hindernisse aus dem Weg geräumt würden und er zudem zusätzliche Ausnahmeregelungen für blinde Menschen enthält, sollte sich die Bundesregierung dafür einsetzen, dass er von mindestens 20 Staaten ratifziert wird.

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