Sozialhilfe: Nationalrat zieht Grundsatzgesetz ein paar „Giftzähne“

Länder erhalten mehr Spielraum zur Vermeidung von Härtefällen

Logo Parlament Republik Österreich
Parlament

Dem unter der türkis-blauen Regierung beschlossenen Sozialhilfe-Grundsatzgesetz werden ein paar „Giftzähne“ gezogen. ÖVP, Grüne und NEOS stimmten heute im Nationalrat für eine von den Koalitionsparteien beantragte Gesetzesnovelle, die insbesondere den Ländern mehr Spielraum bei der Gewährung von Sozialhilfeleistungen bringt.

Ziel ist es, Härtefälle zu vermeiden, etwa was Menschen mit Behinderungen oder Flüchtlinge mit humanitärem Bleiberecht betrifft. Die SPÖ vermisst allerdings konkrete Vorgaben für die Länder, es bleibe ihnen vorbehalten, ob es zu tatsächlichen Verbesserungen komme. 

Sozialminister Johannes Rauch wies darauf hin, dass sich die vorliegenden Änderungen aus Erfahrungen in der Praxis ergeben hätten und nicht zuletzt auch von den Ländern eingemahnt wurden. Vor allem von der neuen Härtefallregel erwartet er sich Verbesserungen. Damit werde es den Ländern wieder ermöglicht, im Einzelfall abzuschätzen, ob und in welcher Höhe Hilfe gewährt werden könne.

Allgemein bekräftigte Rauch, als Sozialminister wolle er eine starke Stimme für jene sein, die am Rand stehen. Er könne „das Gerede von der sozialen Hängematte“ nicht mehr hören, meinte er, niemand lege sich freiwillig in eine solche.

Keine Mehrheit fand ein im Zuge der Debatte von der SPÖ eingebrachter Entschließungsantrag. Er zielte auf eine vorgezogene Valorisierung des Pflegegeldes mit 1. Juli 2022 in Höhe von zumindest 5% ab.

Pflegegeld ist nicht mehr als Einkommen zu werten

Mit der Novelle zum Sozialhilfe-Grundsatzgesetz werden die Länder unter anderem in die Lage versetzt, Personen mit humanitärem Bleiberecht wieder Sozialhilfe zu gewähren. Zudem obliegt es künftig in ihrem Ermessen, ob sie Menschen mit Behinderung, Obdachlosen oder Frauen, die in betreuten Wohneinrichtungen leben, weiterhin die Sozialhilfe kürzen.

Auch in Bezug auf die Anrechnung des 13. und 14. Monatsgehalts gibt es einen erweiterten Spielraum. Das betrifft etwa teilzeitbeschäftigte Alleinererzieher:innen oder Lehrlinge, die aufgrund ihres niedrigen Gehalts zusätzlich Sozialhilfe beziehen.

Erhält eine Person Pflegegeld, ist das künftig auch für andere im Haushalt lebende Personen nicht mehr als Einkommen zu werten.

Begründet wurde die Novelle von Bettina Zopf (ÖVP) damit, dass die letzten drei Jahre gezeigt hätten, dass die Länder mehr Spielraum bei der Gewährung von Sozialhilfe bräuchten. Der Bund lege mit dem Grundsatzgesetz nur den Rahmen fest, dieser werde nun verbessert.

Vor allem auf die geplanten Verbesserungen für Menschen mit Behinderung machte ihre Parteikollegin Kira Grünberg aufmerksam, wobei sie sich kritisch dazu äußerte, dass Menschen mit Behinderung nicht von den zuletzt positiven Entwicklungen am Arbeitsmarkt profitieren würden.

Für Markus Koza (Grüne) und seine Fraktionskollegin Meri Disoski ist klar, dass der „Sozialhilfe Neu“ mit der vorliegenden Novelle „ein paar Giftzähne gezogen werden“. Die Änderungen werden für tausende Menschen eine Verbesserung ihrer Lage bringen, ist Koza überzeugt.

So würden wieder Gruppen in die Sozialhilfe hineingeholt, die durch die türkis-blaue Sozialhilfe-Reform hinausgefallen seien. Koza räumte aber ein, dass nicht alle Probleme gelöst würden. Dass die vorgesehenen Verbesserungen Menschen dazu animieren könnten, Sozialhilfe zu beziehen, statt Arbeit zu suchen, glaubt Koza nicht: Die meisten Menschen, die Sozialhilfe beziehen, stünden dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung, etwa weil sie zu alt oder zu krank seien, machte er geltend.

Seitens der SPÖ gaben die SPÖ-Abgeordneten Gabriele Heinisch-Hosek und Verena Nussbaum zu bedenken, dass es weitgehend im Ermessen der Länder liegen werde, ob es tatsächlich zu Verbesserungen kommen wird und sie den ihnen eingeräumten Spielraum nutzen.

Heinisch-Hosek sprach daher von einem „Etikettenschwindel“, man könne die „Miniänderungen“ nicht schönreden. Wer Sozialhilfe brauche, habe ein besonders hartes Leben, sagte die Abgeordnete, knapp 300.000 Erwachsene und Kinder würden diese Unterstützung brauchen. Laut Nussbaum haben ÖVP und Grüne es verabsäumt, die Sozialhilfe so zu reformieren, dass Armut vermieden wird.

Hier beginnt der Werbebereich Hier endet der Werbebereich
Hier beginnt der Werbebereich Hier endet der Werbebereich