Raúl Krauthausen unterzieht sich in Sachen Spätabtreibung einer Hirnwäsche

Föten, bei denen eine Behinderung festgestellt wird, können in Deutschland noch nach der 12. Schwangerschaftswoche bis zur Geburt abgetrieben werden. Indikation dafür ist die gefährdete Gesundheit der schwangeren Frau. (Auch in Österreich ist Abtreibung in diesem Fall bis zur Geburt möglich.)
Das Thema Spätabtreibung lässt wohl niemanden unberührt, denn dabei geht es buchstäblich um das Leben selbst. Genauer gesagt geht es um das Leben von Menschen mit Behinderungen.
Raúl Krauthausen ist Behindertenaktivist in Deutschland und hat selbst eine Behinderung. Als eine Produktionsfirma mit der Frage an ihn herantrat, ob er ein Videoformat zum Thema Spätabtreibung machen wolle, sagte er zunächst ab, da er sich das Thema nicht zutraute. Dann willigte er schließlich doch ein.
Entstanden sind drei circa zehn minütige Videos zum Thema, die Raúl Krauthausen selbst eine Hirnwäsche nennt. Die Videos zeigen verschiedene Positionen zum Thema. Er führt Interviews mit einer Frau, die mit Trisomie 21 lebt, einem Experten für Pränataldiagnostik und einer Frau, die ein Kind aufgrund einer Behinderung abgetrieben hat.
Nach diesen Gesprächen versucht er diese Positionen im Gespräch mit Kirsten Achtelik einer Gegnerin der Spätabtreibung zu vertreten. „Es war mir wichtig, dass wir respektvoll mit beiden Seiten reden und mit Kirsten Achtelik als Expertin am Ende, eine Einordnung vornehmen.“
Die Videos regen zum Nachdenken an, auch Raúl Krauthausen selbst sieht im Laufe seiner Interviews einiges anders. BIZEPS hat nachgefragt, was der Aktivist aus seinen Interviews gelernt hat.
Verständnis anstatt Schwarz-Weiß-Denken
Das ist die Erkenntnis, die Krauthausen aus seinen Gesprächen zieht:
Das Thema ist so komplex, dass ich inzwischen Zweifel habe, ob eine Familie in der Lage ist hier „richtig“ zu entscheiden. Wir brauchen einen gesellschaftlichen Diskurs, der das Ziel hat, Paare in der Situation zu unterstützen und nicht zu verteufeln, weil sie sich für oder gegen eine Spätabtreibung entschieden haben.
Ein Thema, über das viel zu wenig gesprochen wird
Krautcausen hofft, dass seine Videos bewirken, dass man die eigene Position überdenkt und respektiert, wenn Schwangere sich anders entscheiden.
„Es darf keinen Automatismus für oder gegen eine Spätabtreibung geben.“ Betroffene brauchen psychologische und empowernde Unterstützung.
Wichtig ist für Krauthausen auch eine kritische Aufklärung über das Thema und er hält gegenüber BIZEPS fest: „Schockiert hat mich, wie wenig wir gesellschaftlich über die (medizinischen und psychologischen) Auswirkungen einer Spätabtreibung wissen. Denn letztendlich ist eine Spätabtreibung ein gravierender medizinischer Eingriff, der auch langfristige psychologische Folgen hat.“
Yasemin
16.02.2018, 22:41
Ich mag die Gefühlsduselei bei diesem Thema nicht. Natürlich darf es einen Automatismus geben,, wenn es um Leben oder Tod geht. Das Problem beginnt schon damit, dass selektiert wird, wer oder was spät abgetrieben werden darf. Das Geschlecht zB gehört da nicht dazu, obwohl für manche Mütter das falsche Geschlecht gesellschaftlich und im Privatleben nicht weniger folgenschwer ist als eine Behinderung. Wenn Mitgefühl entscheiden soll, muss Raul Krauthausen begründen, warum das in diesem Fall nicht sein darf. Und da kämen schnell unschöne Dinge zum Vorschein, nehme ich an.
Nach der Geburt eines unerkannt behinderten Kindes, das kurz zuvor eine Abtreibung gerechtfertigt hätte, bestehen dieselben Probleme weiter, plötzlich gibt es aber einen Automatismus, obwohl das Kind um keinen Deut entwickelter ist. Darauf haben schon mehrere Forscher hingewiesen:
https://www.focus.de/familie/geburt/forscher-rechtfertigen-toetung-neugeborener-legaler-kindsmord_id_2450059.html
Zwar muss ihre Position nicht gut geheißen werden, aber eine Ableitung aus bestehenden gesetzen ist nachvollziehbar und da sollte sich der Gesetzgeber an die Nase fassen.
Helly Wannerer
16.02.2018, 13:02
Das muss man erst wirken lassen. Ich kann nur gratulieren zu dieser einfühlsamen Art zu diesem Thema so einen Bericht zu machen. Bin emotional sehr aufgewühlt.