SPÖ-Behindertenenquete: Gleichstellungsgesetz soll Diskriminierungen behinderter Menschen beseitigen

Einen Vorentwurf zu einem Behindertengleichstellungsgesetz präsentierten heute zwei Experten des Sozialministeriums, Max Rubitsch und Hansjörg Hofer, im Rahmen einer vom SPÖ-Parlamentsklub zu dieser Thematik veranstalteten Enquete.

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Petra Spiola

Ziel des Gesetzes ist es, die Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen zu beseitigen und zu verhindern sowie die gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit Behinderungen in der Gesellschaft zu gewährleisten und ihnen eine selbstbestimmte Lebensführung zu gewährleisten. Der Geltungsbereich dieses Gesetzes umfasst Diskriminierungen von Menschen mit Behinderungen mit Ausnahme des im Paragraph 7 des Behinderteneinstellungsgesetzes geregelten Schutzes vor Diskriminierung in der Arbeitswelt.

Geregelt ist in dem Vorentwurf zum Gesetz, welcher Personenkreis konkret umfasst wird. Ein zentraler Punkt ist der Schutz vor Diskriminierung sowie die Rechtsfolgen bei Verletzung des Diskriminierungsverbots. Niemand darf unmittelbar oder mittelbar auf Grund einer Behinderung diskriminiert werden.

Für den Präsidenten der Österreichischen Arbeitsgemeinschaft für Rehabilitation (ÖAR), Klaus Voget, geht der Vorentwurf zum Behindertengleichstellungsgesetz in die richtige Richtung. Vorbild für ein Behindertengleichstellungsgesetz in Österreich sei ebenso wie in anderen europäischen Ländern das in den USA im Jahr 1991 verabschiedete ADA (Americans with Disabilities Act), erläuterte Voget. Aus seiner Sicht müsse das österreichische Gleichstellungsgesetze das können, was das ADA kann.

„Barrierefreiheit muss in allen Lebenslagen Platz greifen“, so eine wesentliche Forderung des ÖAR-Präsidenten. Ganz wichtig sei auch, dass die Betroffenen selbst ihr Schicksal „in die Hand nehmen können“, das heißt, Klage gegen einen ihnen zugefügte Diskriminierung ein reichen können. Wer gegen die gesetzlich vorgegebenen Kriterien verstößt, muss mit der Einforderung von Schadenersatzansprüchen durch den Betroffenen rechnen. In dem Zusammenhang müsse auch ermöglicht werden, Verbandsklagen einzureichen.

Dem Thema „Integration behinderter Menschen in der Arbeitswelt“ widmete sich Manuela Blum von der Arbeiterkammer Wien. Blum sprach sich dabei für ein „Bündnis von Arbeitgebern und Belegschaft“ aus. Eine diesbezügliche Vereinbarung sollte nach Ansicht der AK-Expertin zwischen Arbeitgerbern, Betriebsrat und Behindertenvertrauensperson geschlossen werden. Ziel dieser Vereinbarung soll die Schaffung von Arbeitsplätzen (Senkung der Arbeitslosenrate) sowie die Sicherung und Förderung der Beschäftigung sein. Beinhalten soll die Vereinbarung unter anderem Personalplanung, Qualifizierung, Arbeitsorganisation und -gestaltung, Arbeitsumfeld und Arbeitszeit.

Mit den Erfahrungen des Behindertengleichstellungsgesetzes in Deutschland beschäftigte sich der Behindertenbeauftragte der Deutschen Bundesregierung, Karl Hermann Haack, am Mittwoch auf einer Enquete der SPÖ-Parlamentsfraktion mit dem Titel „Gleiche Rechte – Gleiche Chancen“.

Martin Ladstätter vom „Forum Gleichstellung“ setzte sich mit der Frage, was ein gutes Behindertengleichstellungsgesetz beinhalten müsse, auseinander. Angesichts der Diskussionsbeiträge zeigte sich die SPÖ-Behindertensprecherin Christine Lapp sehr zuversichtlich, dass ein gutes Gesetz zustande kommen werde, mahnte aber ein: „Wir werden noch viel Kondition für ein wirksames Gleichstellungsgesetz brauchen.“

Am 1. Mai 2002 ist in der BRD das Behindertengleichstellungsgesetz in Kraft getreten, das die Ergänzung des Grundgesetzes – „Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden“ – umsetzt. „Dieses Gesetz und die Diskussion in Österreich sind in einem internationalen Kontext zu sehen“, wie Haack festhielt. Das Gesetz habe in Deutschland einen fundamentalen Bruch mit dem Fürsorgegedanken mit sich gebracht.

„Es geht um einen Paradigmenwechsel. Wir wollen von der Fürsorge zur Selbstbestimmung“, so Haack. Als Vorboten des Behindertengleichstellungsgesetzes wurden in der BRD zwei Gesetze erlassen, die besonders auf die Rolle behinderter Menschen im Arbeitsmarkt, sowie die soziale Situation Behinderter abzielen. „Es hat sich gezeigt, dass die soziale Flankierung der bürgerlichen Rechte notwendig ist. Die bürgerlichen Rechte können nur im Kontext sozialer Rechte wirksam werden“, erläuterte Haack.

In der Phase der Entstehung sei besonders die Problematik der unterschiedlichen Zuständigkeiten verschiedener Ministerien aufgetaucht. Durch eine enge Zusammenarbeit mit betroffenen Gruppen sei es aber gelungen, „statt einer Kabinettspolitik des 19. Jahrhunderts, modernes Regieren umzusetzen“, wie Haack feststellte.

Haack hob bei den Zielen den emanzipatorischen Ansatz hervor, neben dem Bestehen sozialrechtlicher Ansprüche auch die Bürgerrechte behinderter Menschen zu sichern. Das Gesetz verankere weiters die Gleichstellung und Barrierefreiheit im öffentlich-rechtlichen Bereich. Wichtig war bereits in der Entstehungsphase des Gesetzes die Problematik der verschiedenen Zuständigkeiten zwischen Bund und Ländern mit einzubeziehen, wie Haack ausführlich erläuterte. „Ein Dialog mit den Ländern war notwendig. Es ist aber gelungen, Begrifflichkeit und Kernstruktur des Behindertengleichstellungsgesetzes auf die Länderebene zu übertragen“, wie Haack argumentierte.

Als Kerninhalte des deutschen Gesetzes betonte Haack Barrierefreiheit, Zielvereinbarungen, das Verbandsklagerecht sowie die Gleichstellung der Gebärdensprache mit der Lautsprache. Auch habe das Gesetz zahlreiche Änderungen in anderen Gesetzen mit sich gebracht. „Man muss in der Diskussion auch immer wieder bedenken: Im Kontext einer alternden Gesellschaft geht es nicht nur um Behinderte, sondern um eine allgemeine Zugänglichkeit“, so Haack im Zusammenhang mit der Umsetzung des Gesetzes.

Mit der Erfahrung aus Deutschland hielt Haack fest, dass man im zivilrechtlichen Teil des Gesetzes ein Antidiskriminierungsgesetz nur für Behinderte schaffen solle, da eine Einbindung anderer Gruppen dazu führen würde, dass man zu keiner Lösung komme. „Ich habe das Gefühl, dass man in Österreich auf einem guten Weg ist“, so Haack abschließend.

Ladstätter: Was ein gutes Gesetz beinhalten muss
„Ein Gleichstellungsgesetz wird immer daran gemessen, was es im Alltag bringt“, so Ladstätter zur Gesetzesvorlage des Sozialministeriums. „Wichtig wird vor allem sein, welche materiellen Dinge im Gesetz festgeschrieben werden, das fehlt im Moment aber noch“, hielt der Vertreter des „Forums Gleichstellung“ fest, der zehn Punkte präsentierte, die ein gutes Gesetz beinhalten müsse.

Das Ziel des Gesetzes solle sein „den Behinderten ein wirklich gleichberechtigtes Leben zu ermöglichen“. Dafür müsse man aber deutlich weiter gehen, als dies die entsprechende EU-Richtlinie tue. „Das Gesetz muss auch auf Bundes- und Landesebene Wirkung zeigen und es muss Kompetenzen verändern“, so Ladstätter. Wichtig seien darüber hinaus klare Definitionen der Begriffe wie Zielgruppe, der weit gefasst werden müsse, was Diskriminierung sei und der Barrierefreiheit. „In Österreich ist Diskriminierung nach wie vor überwiegend sachlich gerechtfertigt“, kritisierte Ladstätter. Wenn man bei der sachlichen Rechtfertigung bleibe, dann zementiere man nur den Status quo.

Weitere wichtige Punkte seien die Durchsetzungsmöglichkeiten, die Option auf Sanktionen, die allerdings nur der letzte Schritt sein dürften, sowie eine exakte Definition der Gleichstellungsrechte. Die Bestimmungen müssen zumutbar und nachvollziehbar sein. „Es hilft nichts, wenn ein Recht festgeschrieben wird, das keiner versteht“, so Ladstätter. Auch Selbstbestimmung und Mitbestimmung müssten gefordert werden, und ein gutes Gesetz würde sich auch darüber Gedanken machen, mit welchen Instrumentarien es bekannt gemacht werde.

Angesichts der Tatsache, dass in Österreich mehr als 100 Gesetzesstellen Diskriminierungen enthalten, hielt Ladstätter fest: „Ein gutes Gesetz wird versuchen, möglichst viele dieser Gesetze zu novellieren.“ „Weil uns ein gutes Gesetz sehr wichtig ist, gilt für uns, dass Qualität vor Geschwindigkeit gehen muss“, so Ladstätter abschließend.

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