Staatenprüfung Österreich: Die Prüfliste ist da

Die Prüfliste ist sieben Seiten lang und bezieht sich auf Artikel 1 bis 33 der UN Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen.

Saal der Menschenrechte der Vereinten Nationen in Genf
Marianne Schulze

Anfang September 2013 wird die Staatenprüfung Österreichs durch die Vereinten Nationen stattfinden – und zwar durch das Committee on the Rights of Persons with Disabilities, das die Umsetzung der UN Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen überwacht.

In seiner 9. Sitzung (15. bis 19. April 2013 in Genf) wurde unter anderem Österreich besprochen und eine so genannte Prüfliste erstellt – (BIZEPS berichtete).

Diese Prüfliste, die wesentlicher Bestandteil der Staatenprüfung Österreichs ist, ist nun in der englischsprachigen Version auf der Website abrufbar.

Die Prüfliste ist sieben Seiten lang und bezieht sich auf Artikel 1 bis 33 der UN Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen.

Wichtige Aspekte der Prüfliste

Hier sollen kurz einige wichtige Aspekte der langen Prüfliste angesprochen werden:

  1. Struktur österreichischer Politik (Bund – Länder – Gemeinden):
    Das Committee on the Rights of Persons with Disabilities fragt unter anderem im Kontext des Nationalen Aktionsplans Behinderung 2012 – 2020 nach, wie es denn nun mit der Umsetzung desselben wie auch der UN Konvention als solcher auf unterschiedlichen Ebenen österreichischer Politik beschaffen ist.
  2. Medizinisch-individuelles Modell von Behinderung:
    Kritisch wird hervorgehoben, dass in österreichischen Gesetzen immer noch das medizinische Modell von Behinderung angewendet wird. Das Committee fragt nach, wie in diesen Definitionen von Behinderung Menschen mit Lernschwierigkeiten und Menschen mit Psychiatrieerfahrung verortet sind.
  3. Gebärdensprache:
    Das Committee fragt nach, wie es mit der konkreten Umsetzung des Rechts auf Gebärdensprache aussieht und welche Maßnahmen ergriffen wurden und werden, damit der Gebrauch Österreichischer Gebärdensprache ermöglicht wird.
  4. Teilhabe und Partizipation:
    Das Committee fragt nach, wie es mit der konkreten Einbeziehung von Organisationen von Menschen mit Behinderungen in österreichische Politikgestaltung aussieht.
  5. Übersetzungs’fehler’ in der deutschsprachigen Version der UN Konvention:
    In Bezug auf die deutschsprachige Übersetzung wird darauf hingewiesen, dass zum Beispiel der Begriff Inclusion auf Deutsch als Integration übersetzt wurde – Konzepte, die grundsätzlich Unterschiedliches bedeuten.
  6. Datenmaterial:
    Das Committee fordert in Bezug auf Diskriminierung genaue Daten und Zahlen zu Diskriminierungen in Österreich (Bundes- wie auch Länderebene; Schlichtungen wie auch Gerichtsfällen). Ebensolche Zahlen fordert das Committee in Bezug auf Unterstützungsleistungen für Selbstbestimmtes Leben im Vergleich zu Ausgaben für Einrichtungen. Weiters wird unter anderem Datenmaterial gefordert, das aufzeigt, wie viele Kinder mit Behinderungen welchen Schultyp besuchen und wie sich die Zahlen in den letzten Jahren verändert haben. Zahlen werden auch bezüglich der Arbeitssituation von Menschen mit Behinderungen gefordert. Das Committee will unter anderem auch wissen, warum die Zahl der Menschen in Werkstätten zugenommen hat. Gefragt wird weiters nach der Anzahl der Firmen, die das Zahlen einer Ausgleichstaxe einer Anstellung eines Menschen mit Behinderungen vorziehen.
  7. Bewusstseinsbildung:
    Das Committee fragt nach, welche bewusstseinsbildenden Programme in den letzten vier Jahren durchgeführt wurden und was unternommen wurde, um Menschen mit Behinderungen positiv darzustellen.
  8. Barrierefreiheit:
    In Bezug auf Barrierefreiheit werden unter anderem die langen Übergangsfristen ebenso kritisiert wie auch hinterfragt, wie es mit der barrierefreien Gestaltung von Arbeitsplätzen aussieht und inwieweit österreichisches Radio und Fernsehen barrierefrei angeboten wird.
  9. Unterstützte Entscheidungsfindung:
    In der Prüfliste wird gefragt, inwieweit in Österreich das Konzept unterstützter Entscheidungsfindung umgesetzt wird.
  10. Zwangsmaßnahmen:
    Kritisch wird hinterfragt, wie Österreich mit dem Bericht des European Committee for the Prevention of Torture and Inhuman or Degrading Treatment or Punishment vom Februar 2009 umgegangen ist und was sich in Bezug auf Zwangsmaßnahmen in Einrichtungen verändert hat.
  11. Gewalt und Missbrauch:
    Ebenso kritisch betrachtet das Committee die Situation in Bezug auf Gewalt gegen und Missbrauch von Menschen mit Behinderungen und fragt nach, was dagegen konkret unternommen wird. Zugleich fragt das Committee nach, wie es mit medizinischen Eingriffen ohne die Zustimmung der betroffenen Person steht. Besonders kritisch und deutlich ist die Prüfliste hier in Bezug auf Sterilisationen.
  12. Selbstbestimmt Leben:
    Das Committee fragt nach, wie es um das Erweitern der Gruppe derer steht, die Persönliche Assistenz in Anspruch nehmen. Es wird nachgefragt, wie Österreich vorgeht, damit Persönliche Assistenz für alle Menschen mit Behinderungen für alle Bereiche des Lebens angeboten wird. Und das Committee fragt kritisch nach, was unternommen wird, damit der Grad der Institutionalisierung in Österreich abnimmt.
  13. Bildung und Ausbildung:
    Gefragt wird, inwieweit die Umsetzung inklusiver Bildung und Ausbildung vorangetrieben wird und welche konkreten individuellen Unterstützungsmaßnahmen existieren oder ausgebaut werden.

Baustellen österreichischer Behindertenpolitik

Zusammengefasst lässt sich sagen, dass die Prüfliste sehr kritisch die großen Baustellen österreichischer Behindertenpolitik auf den Punkt bringt. Die Prüfliste weist deutlich darauf hin, dass österreichische Behindertenpolitik nicht ausreichend auf die UN Konvention eingeht und daher ein Wandel der Politikgestaltung nicht ausreichend feststellbar ist.

Viel ist noch zu tun in Österreich, um den Ansprüchen und Grundideen der UN Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen gerecht zu werden.

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