Statements der Behindertensprecher der ÖVP, Dr. Franz-Jospeh Huainigg

Anlässlich der Sendung von Freak-Radio, aufgezeichnet am 5.2.2003 zum Thema Pflegescheck statt freie Wahl der Assistenz.

Franz-Joseph Huainigg
Christian Müller

Freak-Radio: Wird behinderungsbedingter Mehraufwand künftig überhaupt noch finanziert?

Franz-Joseph Huainigg: Wir von der ÖVP sind dafür, dass die Betroffenen selbst das Geld in die Hand bekommen, so wie es bisher ist: Dass sie selbst verwalten, dass sie selbst entscheiden können, welche Art von Betreuung, Assistenz, Pflege sie brauchen und haben möchte. Wenn man das jetzt umstellen würde, wie es die SPÖ vorgeschlagen hat, in ein Sachleistungssystem, in ein Pflegeschecksystem, würde das heißen, dass man selbst bestimmtes Leben verhindern würde: Dass die Leute nicht mehr selbst entscheiden können, wer sie betreut, wann sie betreut werden und auch wie sie betreut werden.

Das Modell der persönlichen Assistenz ist etwas, das sich sehr bewährt hat, das für viele Leute ein ganz toller Weg ist, wo sie selbst bestimmt leben können, wo sie auch alles machen können, den Alltag bewältigen können in allen Facetten – mit Hilfeleistungen. Und davon soll natürlich nicht abgerückt werden, sondern eher ausgebaut werden: Es gibt beim Pflegegeld schon Reformbedarf, das sehe ich vor allem in den oberen Stufen. Das Pflegegeld ist teilweise nicht bedarfsgerecht. Es ist noch immer so, dass einige Leute mit hohem Pflegebedarf nicht die Wahlmöglichkeit haben, selbst bestimmt leben zu können, dass sie, weil es zu wenig Geld gibt, trotzdem in ein Pflegeheim müssen.

Freak-Radio: Soll das Pflegegeld evaluiert werden?

Franz-Joseph Huainigg: Es sollte evaluiert werden, das wäre wichtig!

Freak-Radio: Trennung zwischen behinderten und alten Menschen?

Franz-Joseph Huainigg: Das Pflegegeld ist schon ein Problem: Dadurch dass die Bevölkerung immer älter wird und es sehr viele Menschen gibt, die das Pflegegeld bekommen, vor allem in den unteren Stufen, müsste man sich genauer anschauen, wie sinnvoll das wirklich ist, es so breit zu streuen. Es wird viel von Missbrauch geredet. Ich glaub nicht, dass großer Missbrauch beim Pflegegeld stattfindet – aber wenn, dann eher bei den unteren Stufen, dass dann jemand das Geld dem Enkerl gibt, weil er ohnehin weniger Pflege braucht und der hilft ihm dann auch oder auch nicht. Die enorme Kostenexplosion beim Pflegegeld findet eben dadurch statt, dass so viele ältere Menschen dazu kommen. Wie sinnvoll es ist zu trennen, muss man diskutieren. De facto ist es so, dass die behinderten Menschen, die es gefordert und gegründet haben, einen geringen Anteil der Bezieher ausmachen.

Freak-Radio: Einstufung und Vereinheitlichung

Franz-Joseph Huainigg: Eine Einstufung ist generell sehr schwierig. Es passiert über Amtsärzte, es gibt einen Fragebogen, einen Fragekatalog, der mit seinen Minutensätzen selbst sehr fragwürdig ist. Wie viel Zeit man hat, aufs Klo zu gehen … Trotzdem ist es so, dass die Einstufung teilweise sehr ungleichmäßig und auch teilweise sehr ungerecht passiert: Dass ein Amtsarzt es so einstuft und ein anderer es ganz anders einstufen würde. Auch das sollte man sich einmal anschauen und vereinheitlichen, um ein sinnvolleres System zu schaffen.

Vielleicht auch wirklich, dass man eine bedarfsgerechte Pflegestufe macht: Mir gefällt auch das Modell der persönlichen Assistenz von Schweden, wo man wirklich den Bedarf feststellt, dann gibt es ein Konto ? und jeden Monat wird der Bedarf abgerechnet. Man muss die Stunden nachweisen und bekommt dann das Geld dafür. Nicht verbrauchte Stunden werden für den nächsten Monat gut geschrieben. So etwas würde ich auch sehr sinnvoll finden.

Freak-Radio: Pflegegeld als arbeitspolitisches Instrument

Franz-Joseph Huainigg: Es ist auch in Diskussion, dass die Leute angestellt werden. Sie sollen versichert sein. Ich bin grundsätzlich auch dafür, dass es nicht am Schwarzmarkt passiert, dass pflegende Angehörige auch versichert sind und Soziallestungen bekommen, dass kann aber nur passieren, dass das Pflegegeld entsprechend angehoben wird. Man geht davon aus, dass das Pflgegegeld fünfmal höher sein müsste, damit die Leistung gleich bleibt. Das Pflegegeld in der derzeitigen Form ist eine reine Zuschussleistung und kann nicht als Arbeitsmarktinstrument eingesetzt werden.

Freak-Radio: Ist das überhaupt finanzierbar? Das wird wahrscheinlich schwierig sein in Sparzeiten?

Franz-Joseph Huainigg: Auf jeden Fall!

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