Staub seid Ihr und Staub schluckt Ihr

Der Standard: Stadtgeschichten von Thomas Rottenberg

Demonstration Kulturstadt Wien für alle
BIZEPS

Im „Der Standard“ erschienen:
Busfahrer, das ist was. Eine Respektsperson. Allein die Vorstellung, wie die Stadt aussähe, wenn es keine öffentlichen Verkehrsmittel gäbe, müßte genügen, jeden Fahrgast mit einem devoten „Danke“ einsteigen zu lassen. Doch die Welt ist undankbar. Gewohnheit macht Besonderes niedrig. Drum ist es verständlich, wenn sich ein Busfahrer hin und wieder Respekt verschafft. Wozu sonst verfügt ein Bus über Disziplinierungswerkzeuge?

Rollstuhlrampen etwa. Wie das geht, zeigt man gern. Etwa jener Fahrer, der am ersten Samstag im April gegen Mittag mit dem Wagen 8948 auf der Linie 66a die Station Sibeliusgasse anfuhr. Peripherie des zehnten Bezirkes. Nicht ausschließlich von wohlhabenden Leuten bewohnt.

Die Rampe kracht …
Genaugenommen sind Rollstuhlrampen nicht Rampen, sondern Klappen. Moderne Niederflurbusse haben diese Dinger: Viereckige Bodenplatten bei der Mitteltür. Sie können bei Bedarf händisch ausgeklappt werden. Feine Sache. Freilich: Zum Klappen muß der Fahrer aufstehen. Und aussteigen. Und dann mit einem Schürhaken die Klappe umlegen.

Und weil das nicht ins Regelprogramm gehört, setzt man dabei dem Menschen im Rollstuhl gegenüber ganz gerne ein Gesicht auf, das zeigt, welche Mühe er macht. Schließlich haben Behinderte dankbar zu sein, wie Menschen behandelt zu werden. Nicht „als“, sondern „wie“. Dass man sich auch noch bückt, ist einem Bediensteten der Wiener Linien nicht zuzumuten: Rumms, knallt die Rampe aus einem dreiviertel Meter Höhe vor dem Rollstuhl zu Boden. Macht Klasse Krach und staubt echt super.

… der Rolli röchelt
Und weil es so lustig ausschaut, wenn der Mann im Rolli kurz nach Atem ringt, fällt die Stahlplatte hinter ihm gleich noch einmal mit vollem Karacho zu Boden. In den Bus. Den Staub, der da aufgewirbelt wird, dürfen alle einatmen. Behinderte wie Nichtbehinderte.

Alle? Nicht alle: Der Lenker wartet mit dem Einsteigen, bis der Staub sich legt. Und weil es ein erhebendes Gefühl sein muß, einer ganzen Ladung Fahrgäste mit einem einzigen Handgriff gezeigt zu haben, wer das Sagen hat, spielt ein zufriedenes Lächeln auf seinen Lippen. Das „Danke“-sagen könnten die Beförderungsfälle aber noch lernen. Bis zur nächsten Schicht.

Hier beginnt der Werbebereich Hier endet der Werbebereich
Hier beginnt der Werbebereich Hier endet der Werbebereich