Wieder Vorwürfe wegen Misshandlungen in einem Heim. Die neuesten Vorwürfe betreffen ein Pflegeheim in Schwanberg / Steiermark.

Kürzlich wurden Misshandlungen von behinderten Menschen in einem Tiroler Heim in Axams öffentlich, nun berichten zahlreiche Medien über diesbezügliche Ereignisse im Sonderpflegeheim Schwanberg (Steiermark), in dem 164 Personen untergebracht sind.
„Die Vorwürfe richten sich gegen den Pflegedirektor und einen Teil seines Führungspersonals. Der Chef selbst soll während des Nachtdienstes einen geistig behinderten Pflegling niedergerungen und auf ihn eingeschlagen haben. Ein anderer psychisch kranker Heiminsasse musste zur Strafe splitternackt im Schnee stehen. Erst nach zehn Minuten durfte er wieder in sein Zimmer zurückkehren“, berichtet die Kleine Zeitung am 22. September 2010.
Warnungen ohne Konsequenzen?
„Es wurde sogar das Bundeskanzleramt eingeschaltet. Der Beschwerdebrief ging zurück an die zuständige Landesrätin und von dort an die Krankenanstaltengesellschaft (KaGes)“, ist dem Artikel in der Kleinen Zeitung zu entnehmen. Weiters erfährt man: „Dort kam man zu der Ansicht, dass keine Verfehlungen vorliegen. Der Fall wurde ad acta gelegt. Nach dem Verfasser des Beschwerdebriefes wird aber noch immer gesucht.“
Auch von Fußtritten und einer gebrochenen Nase berichten die Medien. „Wie es aus dem Büro von Spitalslandesrätin Bettina Vollath (SPÖ) hieß, habe die Zentralbehindertenvertrauensperson über Gerüchte berichtet“, zeigt die Kleine auf.
Vorfälle erwartbar
Wie bei solchen Vorfällen üblich, wird auf Überprüfungen der Einrichtungen in der Vergangenheit verwiesen, die in der Regel immer ergebnislos sind.
Laut Standard wurden von der Staatsanwaltschaft Graz Ermittlungen eingeleitet. „Die Anstaltsleitung soll die Misshandlungen verschleiert haben“, erfuhren die Oberösterreichischen Nachrichten.
In der Diskussion bisher noch kaum angesprochen wurde der Umstand, dass solche Strukturen wie Heime grundsätzlich eine Form der strukturellen Gewalt sind und daher fast zwangsläufig zu solchen Vorfällen neigen.
Gerhard Lichtenauer,
04.02.2012, 20:59
Weiterhin verdächtige Stille um den Pflegeheimskandal Schwanberg. Wegen Verjährung und mangels Schuldbeweis wurden einige Strafverfahren eingestellt: http://www.kleinezeitung.at/steiermark/graz/graz/2711845/pflegeheim-schwanberg-zwei-sechs-verfahren-eingestellt.story
Hingegen gibt’s Verleumdungsvorwürfe, es wurden „Betriebsrat und der Behindertenvertrauensvertreter angezeigt“ und es „stehen die internen Ermittlungen der Kages zu Schwanberg vor dem Abschluss.“ (Stand Nov. 2011) http://www.kleinezeitung.at/steiermark/deutschlandsberg/2874102/fall-schwanberg-nun-tobt-schlammschlacht.story Seit drei Monaten herrscht nun wieder Funkstille.
Gerhard Lichtenauer,
20.11.2011, 19:32
Verdächtige Stille dringt aus der ‚grünen Mark‘. Liegt der Strafakt betreffend des systematischen Quälens und Misshandelns Pflegebefohlener im Landespflegeheim Schwanberg noch immer (inzwischen seit neun Monaten) bei der Oberstaatsanwaltschaft oder in der BMJ-Weisungsabteilung zwecks verjährlichender Begünstigung ermittlungsresistenter hierarchischer und/oder hoheitlicher Bestimmungs- und Beitragstäterschaft herum oder wurde der Akt eh schon in der Rundablage der weisungsabhängigen Staatsanwaltschaft entsorgt, weil das organisierte Systemgebrechen keine Kategorie des Strafgesetzbuches ist?
Gerhard Lichtenauer,
23.09.2010, 16:34
Liebe Frau Hoffmann, Sie haben das sehr treffend beschrieben.
maria hoffmann,
23.09.2010, 11:25
Ich denke, dass die Verantwortlichen bei diesem Heim und bei anderen seit Jahren wissen, dass die Strukturen solcher Heime kombiniert mit Personalmangel den Humus für Missstände und Übergriffe darstellen. Erst wenn jemand couragiert an die Öffentlichkeit geht, etwas durch Zufall aufkommt oder Menschen zu schaden gekommen sind, dann kommen die immer gleichen Erklärungen. Niemand konnte etwas wissen, niemand hat Verantwortung, man werde alles lückenlos aufklären und alles tun, damit das in der Zukunft nicht mehr passiert.
Zu schön um wahr zu sein. Denn hackt es dann an der immer gleichen Thematik, am Geld. Höhere Pflegestandards, innovative Pflegekonzepte, individuelle Pfegemodelle oder gar andere Lebensformen für behinderte Menschen, kosten mehr Geld. Vor allem, nach ein paar Wochen wächst wieder Gras über die Sache und man ist dann wieder sehr überrascht, wenn wieder mal wo eine Eiterbeule platzt. Vor allem „Pfleglinge“ in einem solchem Heim sind keine Wähler, sind nicht lästig, weil sie sich nirgends beschweren und sie stehen in keinster Weise im Fokus der Aufmerksamkeit. Es sind nur alle froh, dass die eh wo untergebracht sind und da wirds denen schon gut gehen und so genau wollen wir das dann auch wieder nicht wissen.
Gerhard Lichtenauer,
23.09.2010, 09:44
@anonym (22.9. 15:08 Uhr), leider haben Sie recht: es gilt immer noch das Recht des Stärkeren, das Faustrecht. Benachteiligte Menschen sind auch heute noch „vogelfrey“ und vom Rechtsstaat sind wir weit entfernt. Die Durststrecke des nationalen Instanzenzugs als Voraussetzung, beim EUGH anklopfen zu können, ist Hindernis genug, 99,9% der unprivilegierten Rechtsdürstenden verdursten zu lassen. An der Unsichtbarkeit dermaßen zur Strecke gebrachter Opfer, nährt sich die hoheitliche Heuchelei der Rechtsstaatlichkeit.
Den letzten Abschnitt Ihrer Ausführungen teile ich weniger. Mit höherer Dotierung würde sich bei derzeitigen Gegebenheiten die Unrechtspflege nur noch mehr vertiefen. Es muss einen gravierenden Systemwechsel geben, der aus einer tiefen Erschütterung erwachsen könnte oder die österreichische Entrechtungs- und Diskriminierungskultur muss durch Zwang von außen aufgebrochen werden.
anonym,
22.09.2010, 15:08
@Lichtenauer: Mangelnde Rechtsdurchsetzung ist eben sehr häufig mit Armut gepaart! Allerdings warne ich davor zu glauben, dass das Rechtssystem da in allen Fällen Abhilfe schaffen könnte! Oftmals sind Menschen ja beim EMRK wesentlich besser aufgehoben, als bei österreichischen Gerichten. Das Sensorium für grundlegende Menschenrechte ist bei vielen Rechtsvertretern oft mangelhaft ausgebildet. Und vor allem auch eines, was nicht unberücksichtigt gelassen werden darf: Die Justiz gibt zwar vor absolut nur aufgrund der gesetzlichen Vorgaben zu urteilen. Nur Gesetze geben oft auch viel Auslegungsspielraum und da schlagen dann die gesellschaftlichen Haltungen der Menschen durch, die Recht sprechen. Erschwerend ist dann noch die Tatsache, dass gerade das Jusstudium (ähnlich wie Medizin) ein sozial recht selektives ist. Wer wird Richter, mit welches Lebensläufen, mit welchen gesellschaftspolitischen Erfahrungen, mit welchen eigenen Betroffenheiten. Der Faktor Mensch ist da also ein ganz entscheidender. Gute Gesetze, Kontrollen und finanziell schmerzhafte Sanktionen könnten die Situation vermutlich kurzfristig dramatisch besser entspannen. Nur das will die Politik nicht, weil das kostet viel Geld. Und letztlich wollen es die Menschen offensichtlich auch nicht, weil vor allem finanziell potente Menschen und Gruppen alles versuchen, um wenig Steuern zu bezahlen… Und da beginnt es dann schon bei jedem Einzelnen hier im Forum, wenn man fragt, wie es denn aussieht mit der Vorstellung von Grund-, Erbschaf-, und Vermögenssteuern für alle (natürlich nach Vermögen gestaffelt). Da schließt sich dann der Kreis wieder bei jedem Einzelnen.
Gerhard Lichtenauer,
22.09.2010, 12:34
Aussonderung und Segregation hilfebedürftiger Menschen nach eugenischen Grundsätzen in ökonomistische Sonderwelten der Scheinwohlfahrt ist an sich totalitäre Gewaltausübung. Totalitäre Strukturen setzen eine Spirale der Entrechtung, Entwürdigung und Gewalt in Gang.
Bei den österreichischen Staatsanwaltschaften und Gerichten sind solche Vorkommnisse aber nicht gut aufgehoben, weil menschenrechtswidrige Gegebenheiten der sogenannten öffentlichen „Wohlfahrt“ durch die ökonomistischen Vorgaben begünstigt und mitverursacht sind, also als politisch motivierte ‚Begehung durch Unterlassung‘ einzustufen sind.
Dieser Aspekt der hoheitlichen Mittäterschaft im Rahmen organisierter Amtspflichtverdrossenheit ist aber im österreichischen Strafrecht völlig ausgeblendet, es anerkennt keine systemischen und strukturellen Ursachen, sondern klammert sich gerne an Einzeltätertheorien. Es wird an der Zeit, diese Zusammenhänge durch Sonderkommissionen aufzuklären, der Schock von Lainz ist schon wieder vergessen und auch dort war die Sache mit der Inhaftierung der Mordpflegerinnen abgeschlossen und vergessen.