In den letzten Monaten haben sich einzelne Personen und Organisationen aus Österreich kritisch über Avatar-Systeme geäußert.
Gleichzeitig, und das ist wohl kein Zufall, kommt das derzeit bekannteste, erfolgreichste und am weitesten entwickelte Avatar-System SiMAX ebenfalls aus Österreich.
Wir betonen immer wieder, dass Avatar-Systeme menschliche Übersetzer und Dolmetscher nicht ersetzen können. Avatar-Systeme können Menschen bei der Übersetzung unterstützen – in einer Live-Situation in Echtzeit dolmetschen können Avatar-Systeme überhaupt nicht.
Dennoch macht sich offenbar Existenzangst bei bestehenden Unternehmen, die sich mit Gebärdensprach-Übersetzung beschäftigen, breit.
Unser Kritiker, der Österreichische Gehörlosenbund (ÖGLB), betreibt selbst das Übersetzungsunternehmen ServiceCenter ÖGS.barrierefrei und bietet Übersetzungen in Gebärdensprache an. Ohne Avatare. Auch der Österreichische Gebärdensprach-DolmetscherInnen- und ÜbersetzerInnen-Verband (ÖGSDV) sowie einzelne Mitglieder äußern sich kritisch über Avatare.
Vor allem deshalb weisen wir diese kritischen Stellungnahmen als interessensgeleitet und eigennützig zurück. Es ist sehr befremdlich, dass hier vermeintliche gemeinnützige Interessensvertretung vorgeschoben wird, um in unlauterer Weise den Mitbewerb in Frage zu stellen und damit die eigene Wettbewerbsposition zu verbessern.
Auch wir finden nicht immer alles gut, was unser Mitbewerb produziert. Wir machen das aber nicht zum Gegenstand öffentlicher Kampagnen. Wir lehnen diese Form von „Wettbewerb“ entschieden ab.
Zum Inhalt der Kritik:
Auch wenn Avatar-Systeme noch nicht perfekt sind, so haben sie doch ihre Berechtigung und auch Vorteile gegenüber anderen Formen der Übersetzung. Und nur durch den laufenden Einsatz solcher Systeme und der ständigen Auswertung von konstruktivem Feedback können solche Systeme auch kontinuierlich verbessert werden.
Das Ziel automatisierter Übersetzung ist es langfristig, den Massencontent, der sich über Jahre angesammelt hat und der täglich neu produziert wird, in Gebärdensprache zugänglich zu machen. Und dieses Ziel ist nur mit technischen Mitteln erreichbar.
Ohne technische Hilfsmittel wie Avatar-Systeme bleibt als Alternative, nur ausgewählte Inhalte (Texte, Websites, TV-Sendungen, Behörden-Informationen etc.) zu übersetzen. Und da es nun einmal nur eine sehr beschränkte Anzahl an ÜbersetzerInnen gibt, kann auch nur sehr wenig übersetzt werden. Daraus ergeben sich viele Fragen, die auch aus ethischer Sicht schwierig zu beantworten sind, wie zum Beispiel: Wer wählt diesen begrenzten Inhalt aus, der übersetzt werden soll?
Allein im deutschsprachigen Raum gibt es 126 TV-Sender, die meisten senden 24 Stunden pro Tag, 7 Tage die Woche Programm. Allein für eine Live-Dolmetschung rund um die Uhr wären 1.512 Dolmetscher erforderlich – und zwar für jede Gebärdensprache.
Und dann sind da noch all die Tageszeitungen, Websites, Gebrauchsanleitungen, Patienteninformationen, Verkehrsinformationen, Wetterinformationen usw. die auch noch zu übersetzen wären.
Die Frage ist also nicht: Übersetzung mittels Avatar ODER menschlichen ÜbersetzerInnen? Sondern: Computergestützte Übersetzung mittels Avatar oder nur sehr wenige, ausgewählte Inhalte übersetzen.
Denn die wenigen ÜbersetzerInnen können nur einen verschwindend geringen Bruchteil der täglich neu entstehenden Informationen in Gebärdensprache übersetzen. Und da sind noch die zahlreichen Anwendungen, die wirtschaftlich nur mit automatisierten Systemen funktionieren können. Dazu zählen etwa Unwetterwarnungen in Echtzeit oder Störungsmeldungen in öffentlichen Verkehrsmitteln.
Unser dringender Appell daher:
Die wenigen Unternehmen, die sich mit der Übersetzung in Gebärdensprache beschäftigen, sollten sich nicht gegenseitig in Frage stellen, sondern wir sollten gemeinsam an der Zugänglichkeit der digitalen Welt für alle Menschen arbeiten. Denn es gibt noch viel zu tun – für uns alle.
Der ÖGLB weist in seiner Stellungnahme auch auf eine Stellungnahme des Verbandes für angewandte Linguistik (verbal) hin, der in seiner Stellungnahme darauf aufmerksam macht, dass Avatare unzureichende sprachliche Vorbilder für Kinder seien.
Dem stimmen wir zu. Aber warum ist man deshalb gegen Avatare? Wenn Avatar-Systeme dazu eingesetzt werden, um Massenmedien für gehörlose Erwachsene zu übersetzen, dann werden doch die ohnehin zu knappen menschlichen Ressourcen frei, um zum Beispiel in der Pädagogik eingesetzt zu werden.
Das gleiche Argument kann man auf die Unterscheidung zwischen „wichtigen“ und „unwichtigen“ Inhalten anwenden, ein Punkt, den der ÖGLB in seiner Stellungnahme aufgreift: Ganz abgesehen von der Frage, wer entscheidet, was ein „wichtiger“ und was ein „unwichtiger“ Inhalt ist: Wenn Avatare für die vermeintlich unwichtigen Inhalte eingesetzt werden, dann bleiben doch die menschlichen Ressourcen für die Übersetzung der wichtigen.
Hier findet keine Verdrängung, sondern eine Ergänzung statt. Mit Avatar-Systemen ist es möglich, Inhalte zu übersetzen, für die es in der Vergangenheit keine Ressourcen gegeben hat. Wir lassen die Auftraggeber und die gehörlosen Endkunden entscheiden, was für sie wichtig ist.
Wir begrüßen jede konstruktive Kritik und nehmen Ratschläge gerne entgegen, die unsere Systeme und deren Einsatz verbessern. Und wir betreiben – entgegen anderslautender Behauptungen – sehr umfangreiche eigene Forschungsarbeiten, Akzeptanzstudien, Verständlichkeitsstudien und linguistische Grundlagenstudien.
Wir bringen uns auch in den internationalen fachlichen Diskurs über technologische und sprachwissenschaftliche Grundlagen der Gebärdensprach-Avatar-Entwicklung ein und wir verfolgen die Entwicklungen wichtiger Forschungseinrichtungen zur Avatar-Technologie wie jene der Universität Hamburg, der University of Rochester, der Gallaudet University, der DePaul University in Chicago usw.
Bei der kürzlich in Hamburg stattgefundenen Fachkonferenz für Gebärdensprach-Avatare (SLTAT) waren viele der erwähnten Forschungseinrichtungen anzutreffen. Nur von unseren Kritikern war niemand da.