Sterbehilfe in den Niederlanden: Etabliert und … entgleist!

Internationale Medienberichte über Praxis und Vorstöße der Niederlande auf dem Gebiet der „Sterbehilfe“ sind schon lange keine Seltenheit mehr.

Flagge Niederlande
Bandera de los Países Bajos von Elentir / CC BY-SA 2.0

Eine wissenschaftliche Analyse über die Zunahme der ärztlich unterstützten Todesfälle, die Warnungen aus kirchlichen Kreisen und vor allem die Petition und der Aufschrei eines ehemaligen Befürworters des „selbstbestimmten“ Lebensendes, des Psychiaters Boudewijn Chabot, belegen einmal mehr, dass die sogenannte „Slippery Slope“ (das „Argument der schiefen Ebene“) ihre volle Berechtigung haben.

Lange Tradition der Sterbehilfe in den Niederlanden

Die Diskussionen rund um das Thema „Sterbehilfe“ haben in den Niederlanden eine lange Tradition. Seit 15 Jahren ist sie gesetzlich geregelt und hat sich – so eine aktuelle Analyse in der Zeitschrift „The New England Journal of Medicine“ – fest etabliert. Die Studienautoren haben sich die Fallzahlen für den Zeitraum 1990 bis 2015 angeschaut und alle 5 Jahre Ärztebefragungen durchgeführt.

Kernaussagen der Studie können auch im deutschen Ärzteblatt nachgelesen werden. So ist zum Beispiel in dem genannten Zeitraum „der Anteil von ärztlich betreuten Todesfällen von 39 auf 58 Prozent gestiegen“.

Eine weitere Erkenntnis: „Ein ärztlich assistierter Suizid, bei dem der Arzt das tödliche Mittel verschreibt, der Patient es aber selber einnimmt, ist in den Niederlanden selten geblieben.“ Gängige Praxis ist vielmehr, dass der Arzt dem „expliziten Wunsch des Patienten“ entsprechend ein Medikament verabreicht, mit dem Ziel, den Tod des Patienten herbeizuführen. Gestiegen ist auch die Zahl von „dauerhaften tiefen Sedierungen“ bei Sterbenden (von 8,2 auf 18,3 Prozent).

In jüngster Zeit haben die Euthanasie- und assistierten Suizidfälle bei Psychiatrie- und Demenzpatienten (bei diesen Zielgruppen ist die „Sterbehilfe“ seit 2014 gesetzlich erlaubt) stark zugenommen. Von 12 Fällen im Jahr 2009 auf 141 Fällen im Jahr 2016 (Artikel in kathpress.at).

Gesetzliche Schutzmaßnahmen brechen

Sogar der Pionier des holländischen Euthanasiegesetzes, der Psychiater Boudewijn Chabot, äußert sich angesichts dieser Zahlen mittlerweile besorgt. Er hat zusammen mit 200 niederländischen Ärzten Anfang des Jahres eine Petition vorgelegt und darauf hingewiesen, dass „gesetzliche Schutzmaßnahmen ‚langsam‘ brechen“. Menschen werden getötet „ohne tatsächlicher mündlicher Zustimmung“.

Mit äußerst drastischen Worten hat sich Chabot im „Niederländischen Handelsblatt“ an die Öffentlichkeit gewandt, spricht von einer „Entgleisung“ und beschuldigt die offizielle Euthanasiekommission, „dass behinderte Menschen heimlich getötet wurden“ und „dass ‚Hinrichtungen‘ jetzt vorkämen“.

Der niederländische Kardinal Willem Eijk übt scharfe Kritik an den immer liberaler werdenden Gesetzen. Er fordert vielmehr: „Wenn Menschen unerträglich und ohne Perspektive an Einsamkeit leiden – was ein häufiges Problem in der heutigen hyperindividuellen Kultur ist -, sollten wir versuchen, diese Kultur zu ändern, anstatt Selbstmord für gesunde Menschen zu bieten.“

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2 Kommentare

  • Und was bei uns so in Psychiatrien, Gerontolagern und Pflegeheimen passiert? Ach, ein katholisches Land hat ja den heiligenschein und kann somit nach belieben scheinheilig operieren.

    Die richtige Antwort auf diese Entgleisungen kann nur sein, fakten zu sammeln und Missbrauch möglichst zu verhindern. ganz schaffen wird man es nicht können, aber die Freiheit einzuschränken ginge gar nicht.
    Anzustreben wäre eine Liberalität, wo jeder Erwachsene einfach sein Leben beenden kann, und sei es des schlechten Wetters wegen.

    Es ist doch klar, dass das kaum jemand tun würde. Daher braucht es hier keine allzu großen vorkehrungen.
    Als ob Liebeskummer die größte Selbstmordursache wäre, wird jede Sterbehilfedebatte auf gesunde, liebeskranke Menschen gelenkt.

    Euthanasie legalisieren, geburten erschweren durch eine Art Elternzulassungsschein, wo die werdenden Eltern den Nachweis für das materielle Wohlergehen und ihre körperliche und psychische Eignung erbringen müssen.

    • Ich stimme Ihnen vollinhaltlich zu, den meisten Menschen scheint Emphatie für das Leid anderer zu fehlen. Wenn sie irgendwann verstehen, dass sie auf der falschen Seite kämpfen, wird es zu spät sein.