Sterbehilfe: Offener Brief an News-Herausgeber

Populistische Agitation anstelle von seriösem Journalismus: so beurteilt Birgit Primig, Vorsitzende der Ethikkommission FÜR die Bundesregierung eine Online-Umfrage von "News".

Ethikkommission
Ethikkommission

Die Leserinnen und Leser sollen per Klick entscheiden, ob das Leben der viel diskutierten US-amerikanischen Wachkoma-Patientin Terri Schiavo verlängert werden soll. News bringt dazu online einen Bericht.

Hier finden Sie den offenen Brief an den Vorstand der Verlagsgruppe News.

Sehr geehrter Herr Mag. Fellner!

Mit Entsetzen habe ich heute auf www.news.at die Online-Umfrage entdeckt: „Soll Leben von Schiavo verlängert werden?“ Das hat meines Erachtens nichts mit seriösem Journalismus zu tun, sondern ist als populistische Agitation einzustufen, deren Sinn ich nicht erkennen kann.

Die Umfrage bezieht sich auf einen Beitrag, der von der Austria Presse Agentur übernommen wurde. Darin wird lediglich über den aktuellen Stand des Konfliktes um die geplante Sterbehilfe an Terri Schiavo berichtet. Die UserInnen Ihrer Website erfahren aber nichts über das Leben von Wachkoma-PatientInnen geschweige denn etwas über ethische Aspekte im Zusammenhang mit Sterbehilfe oder mit Menschenrechten von einwilligungsunfähigen Menschen. Ohne jegliche Hintergrundinformation – und folglich auf Basis von Fehlwissen und Vorurteilen – sollen die News-UserInnen abstimmen.

In der Berichterstattung werden der strenge Katholizismus von Schiavos Eltern ebenso erwähnt wie der politische Wunsch, die „religiöse Rechte“ in den USA zufrieden zu stellen. Eine sachliche ethische Diskussion von Menschenrechten muss jedoch unabhängig von religiösen Moralvorstellung und über die Grenzen von Konfessionszugehörigkeiten geführt werden.

Erwähnt wird auch, dass Terri Schiavo „einmal gesagt habe, sie wolle in einem solchen Zustand nicht am Leben gehalten werden“. Die Erfahrungen der Hospizbewegung mit sterbenskranken Menschen zeigen deutlich, dass derartige Aussagen irrelevant werden, wenn ein menschenwürdiges Leben ermöglicht wird. Selbst schriftliche Patientenverfügungen dieser Art haben keine rechtliche Bindung für Ärzte, sie müssen lediglich in die Entscheidung über lebenserhaltende Maßnahmen mit einbezogen werden.

Darüber hinaus ist Terri Schiavo nicht sterbenskrank. Sie ist nicht dazu in der Lage, sich selbständig zu ernähren. Das allein sagt jedoch nichts darüber aus, inwieweit sie ihr Leben selbst als Leid empfindet oder ob dieses Leid reine Interpretation von jenen Menschen ist, die sich selbst ein glückliches Leben unter diesen Umständen nicht vorstellen können.

Ich gehe davon aus, dass Sie die Umfrage zugunsten journalistischer Seriosität noch heute von Ihrer Website entfernen. Zu einer umfangreichen seriösen Berichterstattung über alle Teilaspekte dieses konkreten Falles ist Ihre Redaktion sicherlich im Stande.

Mit freundlichen Grüßen,

Birgit Primig
Vorsitzende
Ethikkommission FÜR die Bundesregierung

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