Die "Arbeitsgemeinschaft Menschenrechte für Staatsbürger mit geistiger Behinderung der Lebenshilfe Wien sowie des Landesverbands der Lebenshilfe Steiermark" fordert die künftige Regierung auf aktiv zu werden.
„Die nächste Bundesregierung muss den mehrjährigen Stillstand bei der Fortführung des Rechts auf gemeinsamen Unterricht behinderter und nicht behinderter Jugendlicher in der Oberstufe der Schulen beenden“, fordert die Arbeitsgemeinschaft in einer Pressekonferenz in Wien.
Konkret: Das Recht auf Integration behinderter Jugendlicher soll auch für die 9. bis 12. bzw. 13. Schulstufe gesetzlich verankert werden.
Damit soll – wird erläutert – der bereits für die Schulstufen 1 bis 8 bestehende gesetzliche Anspruch auf gemeinsamen Unterricht in diesem, für den späteren Lebensweg besonders wichtigen, Schulabschnitt weitergeführt werden.
Weiterführung muss Priorität sein
Diese Weiterführung des gemeinsamen Unterrichts muss eine Priorität der Bildungspolitik sein, fordert die Arbeitsgemeinschaft.
„Damit wird sichergestellt, dass das von der Verfassung garantierte Recht auf Nichtdiskriminierung aufgrund einer Behinderung auch im Schulbereich lückenlos in allen Schulstufen gewährleistet ist“, erklärte Dr. Karl Müller, Präsident der Lebenshilfe Wien.
„Integrationszug ins Stocken geraten“
„Der Integrationszug, bei dem Österreich unter den europäischen Schulsystemen eine führende Rolle eingenommen hat, ist ins Stocken geraten“, hält Dr. Walter Eigner (Lebenshilfe Wien) fest. Kinder haben mit Behinderungen seit 1993 das gesetzlich verbriefte Recht, sich anstelle einer Sonderschule für den gemeinsamen Unterricht mit nicht behinderten Kindern an der Volksschule zu entscheiden.
Aber die dringend nötige Weiterführung des gemeinsamen Unterrichts in der neunten bis zwölften Schulstufe, die ab dem Schuljahr 2001 erforderlich gewesen wäre, wurde nicht umgesetzt. „Nach acht Jahren gemeinsamen Unterrichts heißt es plötzlich für behinderte Jugendliche: Ich muss draußen bleiben“, kritisiert Eigner.
Bisherige Regierung untätig
Auch eine von „Integration:Österreich“ im Frühjahr 2005 in den Nationalrat eingebrachte BürgerInnen-Initiative zur „rechtlichen Absicherung integrativer (Aus)-Bildungsangebote für behinderte Jugendliche ab der neunten Schulstufe“ blieb im dafür zuständigen Ausschuss unbehandelt.
„Unsere Forderung ist klar und einfach: Schülerinnen und Schüler mit Behinderung, vertreten durch ihre Eltern, können sich ohne Ausnahme frei für den Schulbesuch jeder Art von schulischem Angebot in der 8. bis 13. Schulstufe entscheiden“, sagte Ursula Vennemann, Präsidentin der Lebenshilfe Steiermark, „ob polytechnischer Lehrgang, berufsbildende Schule, BMS, BHS und AHS oder Sonderschule“.
Dies soll rechtlich völlig analog zu den bereits bestehenden Regelungen für Primarstufe (erste bis vierte Schulstufe) und Sekundarstufe I (fünfte bis achte Schulstufe) im Schulorganisationsgesetz verankert werden.
Beispiel Steiermark
„Dabei ist Integration die heimliche Erfolgsstory der österreichischen Schulen“, erläutert Vennemann. In weniger als zehn Jahren ist der Anteil der behinderten Kinder im Volksschulalter, die gemeinsam unterrichtet werden, von rund 30 auf fast 60 Prozent gestiegen.
Über alle Schularten der ersten acht Schulstufen gerechnet besuchten im Schuljahr 2002/03 (die jüngsten bundesweit verfügbaren Zahlen) bereits mehr als die Hälfte (52,5 Prozent) aller Kinder mit „sonderpädagogischem Förderbedarf“ – so die Bezeichnung in den Schulgesetzen – eine allgemeine Schule, der Rest Sonderschulen. Noch beeindruckender ist die Bilanz in der Steiermark: im Schuljahr 2005/06 besuchten bereits 85% aller Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf, in den ersten acht Schulstufen, eine allgemeine Schule.